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Wo man eigentlich ein Muhen erwarten würde, hört man neugieriges Grunzen. Nicht etwa von Schweinen, sondern von den zwölf Wasserbüffeln, die sich am Untermigler-Hof auf dem Ritten die ersten Frühlingssonnenstrahlen auf ihr schwarzes Fell scheinen lassen. Das Grunzen und Schnaufen gehören zu den typischen Lauten, die Olga, Heidi, Uschi und Chefin Dörte von sich geben. Sie und die anderen Wasserbüffel sind heute fester Bestandteil des Hofes, auf dem ursprünglich Grauviehkühe lebten.
Mit den Grauen haben die Wasserbüffel nicht viel gemein, obwohl Haltung und Charakter ähnlich sind. Jede Büffelkuh hat ihre Eigenheiten. „Simon kennt sie alle“, sagt Elisabeth Vigl. Sie kümmert sich auf den 1.000 Metern gemeinsam mit ihrer Schwester Angelika um den Gemüsegarten und die über 300 seltene und samenfesten Sorten, um die sechsjährige Greta und den dreijährigen Laurin. Elisabeths Mann Simon Döwa ist zuständig für den Hof, die Büffel und die paar Schweine, die die Familie für den Eigenbedarf hält. Jeden Tag verbringt der gebürtige Vorarlberger viereinhalb Stunden im Stall. Aus der Büffelmilch wird in der Käserei Amò in Kardaun Südtirols erster heimischer Büffelmozzarella hergestellt.
Vom Partybus zum Selbstversorgerhof
Kennengelernt haben sich die Lisi und der Simon 2008 auf dem Konzert einer deutschen Dark-Metal-Band in Salzburg. Nach drei Jahren Fernbeziehung zog die gebürtige Rittnerin in Simons Heimat Vorarlberg. Dort schrieben die beiden Metal-Fans ihr erstes großes gemeinsames Kapitel.
In Manchester kauften sie einen der typischen englischen Doppeldeckerbusse und bauten ihn gemeinsam zu einem Partybus um. Mit der 12,5 Tonnen schweren Bar auf vier Rädern tourten sie drei Jahre lang durch Europa und ließen sich von Festivalorganisatoren für den Backstage-Bereich buchen. „Das war eine geile Zeit“, sagt Simon und blickt dabei zu Lisi. Es ist früher Nachmittag, die beiden machen gerade Mittagspause und genießen eine Tasse Mokka im Garten. „Wir haben damals viele Erfahrungen gesammelt und ich würde es immer wieder tun.“
Für ein letztes Fest mit dem Partybus fuhr das Paar 2016 bis auf den Untermigler-Hof – mit Ach und Krach, denn die Straße hierher ist eng und schlängelt sich steil von Oberbozen hinunter in den Migler Weg. Danach verkauften sie den Bus und begannen ihr nächstes Kapitel in Südtirol.
Eine Lebensentscheidung
Geplant war nie, dass Lisi einmal den elterlichen Hof übernimmt, aber ihr Bruder Markus hatte kein Interesse und so kam eines zum anderen: die grauen Kühe wurden verkauft, der alte Anbindestall zu einem Laufstall umgebaut, Kühlzellen und Verarbeitungsräume errichtet. 2020 zogen schließlich die ersten Büffel aus einer Farm in Cremona ein – schon im Alter von sechs Monaten, damit sie sich bis zur ersten Laktation langsam an das Klima und das Gelände gewöhnen konnten. „Mein Tata war anfangs alles andere als begeistert“, erinnert sich Lisi. Aber schließlich sei er froh gewesen, dass jemand am Hof weitermache.
Im Dorf hat man das Vorhaben anfangs eher belächelt und es wurde getuschelt, über die „wilden“ Tiere. Lisi und Simon kümmerte das wenig, denn ihnen war immer klar: Sie möchten einen Weg suchen, den andere nicht gehen.
Gegen den schlechten Ruf arbeiten
Büffelkühe sind sensibel und intelligent. Sie geben weniger Milch als Milchkühe, durchschnittlich vier bis acht Liter pro Tag. Zudem hat Büffelmilch einen doppelt so hohen Fettgehalt, rund acht Prozent. Ideal, um daraus den beliebten Mozzarella di bufala herzustellen. Den ersten Südtirols.
Büffelmozzarella ist vor allem wegen der Büffelfarmen im Süden Italiens berühmt-berüchtigt. Immer wieder stehen diese in der Kritik. Da Büffelfleisch für die Industrie wertlos ist, werden männliche Kälber häufig kurz nach der Geburt getötet. Da das kostet, sollen viele Bauern laut Recherchen von NGOs männliche Tiere einfach verhungern lassen. Italienische Tierschutzbehörden sprechen von „Büffelfriedhöfen“, auf denen dutzende Tiere qualvoll verenden. Oder sie würden in den Fluss geworfen und ins Meer gespült werden.
In solchen Betrieben leben schon mal über 1.000 Tiere, aufgeteilt in mehrere Hallen. Kein Vergleich zum Untermigler-Hof. „Wir wollen genau gegen diesen schlechten Ruf arbeiten“, sagt Simon, der selbst schon solche Farmen besucht hat und kaum Positives davon berichten kann. Und da er jemand ist, der nicht nur von Veränderungen sprechen will, sondern sie auch durchführt, zieht er auch die männlichen Tiere groß und verarbeitet das Fleisch, das ein bisschen nach Wild schmecke, zu Fleischpaketen. Der Kreislauf schließt sich.
Wie bei Oma und Opa
Heute leben auf dem Untermigler-Hof mit Lisis Eltern drei Generationen. Zudem ist ein Teil des Hauses an Julian Burchia vermietet, der wilden Ton aus dem Wald holt, ihn aufbereitet und daraus in einem kleinen Atelier handgemachte Kunstwerke, Teller und Co. herstellt.
Auch auf den Äckern wird fast alles in Handarbeit erledigt. Wie in den vergangenen Jahrhunderten ganz ohne chemische Dünger, um die Böden für ihre Kinder unbelastet zu hinterlassen. Dafür mit Mischkulturen und samenfesten Sorten. Jetzt im Frühjahr ist aufräumen angesagt. Stauden müssen entfernt, der Acker hergerichtet werden. „Viele stellen sich die Arbeit auf einem Hof einfach und romantisch vor, es ist aber wirklich sehr viel Arbeit“, sagt Lisi. Auch mal eine richtige Plackerei.
Gesät und gejätet wird von Hand, der Boden noch mit Pflug und Seilwinde bearbeitet. Es wachsen Gemüse, Blüten und Kräuter. Und zwar mehr als die typischen Karotten oder Zucchini, denn „je bunter der Anbau, desto kleiner der Ausfall“. Verkauft werden die Produkte über einen Zwischenhändler an die Gastronomie und was dann noch übrigbleibt kommt ins buntgemischte „Hexn-Kistl“ der Schwestern, die ihr Gemüse unter dem Namen „Miglerhexen“ verkaufen.
Dann gibt’s noch Streuobst und Beeren. Und Eier für den Eigengebrauch. Am Untermigler-Hof versorgt man sich wie damals Oma und Opa nahezu selbst. Gekauft wird nicht viel mehr als Nudeln, Reis, Mehl und Tomatensauce.
Kapitel: weitermachen
Manche nennen den Weg, den Simon und Lisi eingeschlagen haben, mutig. Lisi antwortet ihnen darauf: „Das war einfach unsere Lebensentscheidung. Vor allem der Kinder wegen.“ Tochter Greta pflückt gerade die erste Löwenzahnblüte im braunen Gras. Söhnchen Laurin kommt stolz mit einem frisch gelegten Ei seiner Lieblingshenne, Henne Herta, angerannt. „Sie sollen ein schönes Aufwachsen haben. Und wenn ich ihnen so zusehe, dann haben sie das“, sagt Lisi.
Wie das nächste große Kapitel am Untermigler-Hof aussehen wird, wissen die Landwirte noch nicht. Sie seien Menschen, die nicht viel planen, die im Heute leben. Große Sprünge würden sie mit dem Hof auch nicht machen, zumindest nicht bis das Haus abbezahlt sei. Aber sie können vom Hof leben, auch wenn es manchmal herausfordernd ist. Und genau das war der Plan im Buch ihres Lebens.
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