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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 31.01.2017
LeuteDie letzten Lederhosenschneider

Junges altes Handwerk

Veröffentlicht
am 31.01.2017
Das traditionsreiche Handwerk des Lederhosenschneiders wird nur noch von wenigen Südtirolern ausgeübt: Und zwei davon sind erst 20 und 25 Jahre alt.
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Thomas und Norman Ventura

Eine massive Steintreppe führt in die Lederhosenschneiderei Ventura im Zentrum von Salurn. Es riecht nach Leder, Holz und Früchtetee – eine Mischung, die nur zustande kommt, wenn Norman Ventura und sein Bruder Thomas bei einer Tasse Tee und den letzten Weihnachtskeksen auf der hölzernen Eckbank im Eingangsbereich der Schneiderei den Tagesplan besprechen.

Norman Ventura ist gelernter Elektrotechniker. Diese Arbeit hat ihm zwar gefallen, „aber es war nicht wirklich meins”, erzählt der heute 25-Jährige. Vor zwei Jahren hat er deshalb einiges umgekrempelt, den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und die Räumlichkeiten für eine Werkstatt im Salurner Dorfkern ersteigert. Vor Kurzem hat er seinen jüngeren Bruder als Lehrling mit ins Boot geholt. Mit dunkelblauer Arbeitsjacke über grünem Schurz bekleidet, arbeiten die jungen Salurner nun als Lederhosenschneider – und sind mit ihren 20 und 25 Jahren zwei der letzten ihres Handwerks in ganz Südtirol.
Norman hat immer schon ein wenig mit Leder gearbeitet, Gürtel und Schlüsselanhänger gefertigt. Als irgendwann die Schützenkompanie Salurn anfragte, ob er sich an ein paar Lederhosen für sie versuchen möchte, konnte Norman nicht widerstehen. „Von da an habe ich richtig damit angefangen, habe abends Schneiderkurse besucht und mich nach alten Schneidern umgesehen, die mir das Handwerk des Lederhosenschneiders beibringen könnten“, erzählt er. So ist er schließlich in Brixen gelandet. Dort sitzen die drei Gebhard-Brüder. Vor einer Weile gingen die drei Lederhosenschneider in Pension. Nachfahren waren damals keine in Sicht und ihr Wissen wollten die Gebhards auch nicht wirklich weitergeben. Nach anfänglichem Zögern haben sie Norman aber doch in der Schneider-Technik ausgebildet. Schablonen und Stickmuster konnte er ihnen abkaufen. Diese hängen nun aus Plexiglas nachgefertigt fein säuberlich geordnet an der hintersten Wand der Salurner Lederhosenschneiderei.

Tracht oder Lederhose?

Vor hundert Jahren gab es in jedem größeren Ort in Südtirol einen Lederhosenschneider. Das erklärt auch die Vielfalt der Lederhosenmodelle, die hierzulande von den verschiedenen Vereinen getragen werden. „Jeder hatte damals seinen eigenen Stil und seine Machart“, erklärt Norman. Dann verlor die Lederhose aber an Bedeutung, und erlebte erst in den 1970ern ein Revival. Die Gebhard-Brüder ergriffen damals die Gelegenheit und ließen als Nachkommen ihres Vaters – ebenfalls Lederhosenschneider – den Beruf noch einmal aufleben. Von ihren Kindern wollte das Handwerk später jedoch keiner weiterführen. „Sattler und Federkielsticker gibt es noch, aber die sogenannten Säckler, die Lederhosenschneider, sind ausgestorben“, erklärt Norman. Mit dem jungen Salurner lebt der Beruf nun weiter.

Obwohl Norman erst 25 Jahre jung ist, beharrt er auf Tradition und ist kein Fan von ausgefallenen, modernen Designs. Eine pinke Lederhose würde er beispielsweise nie anfertigen. Mit Trachtenmode-Geschäften will er sich deshalb auch auf keinen Fall vergleichen. Wobei die Unterscheidung zwischen Tracht und Lederhose nicht immer leicht fällt. Die ursprüngliche Tracht ist nämlich eine Lederhose. Lodenhosen als Tracht zu tragen sei erst seit dem 19. Jahrhundert üblich, erklärt mir Norman. Der Ursprung der Lederhose geht bis ins ausgehende 18. Jahrhundert zurück. Damals wurde die strapazierfähige Hose als Nachfolgerin der Culotte in kurzer Form von den Bauern zum Arbeiten getragen. „Um 1850 trugen die Bauern ihre Lederhose kurz und um 1900 wieder länger. Das hängt immer von der Mode ab“, fügt der Schneider hinzu.
Die Stickereien, die jede Lederhose zieren, sind jedoch keine reine Modeerscheinung. „In der Biedermeierzeit haben die Adeligen bei ihrer Sommerfrische die Bauern in den Lederhosen gesehen und wollten auch solche haben. Durch die Stickereien haben sie sie für ihre Klasse der Gesellschaft veredelt“, erklärt Thomas. Er scheint mittlerweile schon viel von seinem Bruder gelernt zu haben und geht in die Werkstatt, gleich hinter dem Eingangsbereich. „Heutzutage ist so gut wie jede Lederhose bestickt“, sagt Thomas und zieht eine hellgraue Sepplhose aus der untersten Ablage eines hohen Regals, um deren Muster zu zeigen. [[{“fid”:”22066″,”view_mode”:”teaser”,”fields”:{“format”:”teaser”,”field_description[und][0][value]”:”%3Cp%3Etypische%20Sepplhose%3C%2Fp%3E%0A”,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Lisa Maria Kager”,”field_tags[und]”:””},”type”:”media”,”link_text”:null,”attributes”:{“height”:213,”width”:320,”class”:”media-element file-teaser”}}]]Welche Stickerei auf die Lederhose kommt, hänge dabei vom Kunden ab. „Für die verschiedenen Vereine habe ich die Vorlagen. Die Privatkunden entscheiden selbst, was sie haben wollen“, ergänzt Norman.

„Kniebundhose“: Lederhose, die bis zu den Knien reicht und eigentlich eher in Bayern getragen wird.

Um eine Ventura-Lederhose zu kriegen, müssen die Kunden mittlerweile über ein Jahr lang Schlange stehen. Bis nach Österreich, Belgien und Finnland haben die Brüder ihre handgemachten Unikate bereits verschickt. Das Leder für die Hosen kauft Norman in Aldein beim letzten Ledergerber Südtirols. Armin Pernter gerbt gemeinsam mit seinem Vater das Hirschleder für jede Hose, die Norman verarbeitet. „Das hat sich am besten bewährt. Es hat eine gute Größe, vom Tragekomfort ist es das feinste und außerdem ist es aus Südtirol“, erklärt Norman. Früher wurden die Lederhosen der armen Bauern meist aus vielen kleinen Lederstücken der Gämse gefertigt und mussten mit vielen Nähten zusammengestückelt werden.

Plexiglas-Schablonen für die Teile der Lederhosen

Wenn Norman heute eine Lederhose schneidert, besteht diese aus knapp 40 Teilen. Mit den Plexiglas-Schablonen zeichnet er diese zuerst direkt auf die Lederteile aus Aldein. Dabei muss er die Maße der Kunden genau auf das Stück bringen, damit er so wenig Verschnitt wie möglich produziert. Die Reste braucht der Schneider für Reparaturen auf oder verschenkt sie für Bastelarbeiten an den Kindergarten. Dann wird alles fein säuberlich ausgeschnitten. Während Norman die einzelnen Teile anfangs noch per Hand ausgeschnitten hat, hat er nun eine Stanzmaschine, die ihm die Arbeit erleichtert und das Prozedere wesentlich beschleunigt. Als er sie anwirft, verschluckt ihr Lärm sofort Normans Worte. Doch in weniger als zwei Minuten stanzt der 25-Jährige damit demonstrativ ein Stück Leder aus, aus dem er dann den Zopf flechten kann, der zur Verzierung an die Träger genäht wird. Zum Schneiden der Träger verwendet Norman ein Gerät, das wie eine überdimensionale Papierschneidemaschine ausschaut und im Zentrum der kleinen Schneiderei direkt neben dem Arbeitstisch steht. [[{“fid”:”22078″,”view_mode”:”default”,”fields”:{“format”:”default”,”field_description[und][0][value]”:”%3Cp%3ENorman%20schneidet%20die%20Tr%C3%A4ger%20aus%3C%2Fp%3E%0A”,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Lisa Maria Kager”,”field_tags[und]”:””},”type”:”media”,”link_text”:null,”attributes”:{“height”:520,”width”:780,”class”:”media-element file-default”}}]]Mit dem gelben Meterband, das um seinen Hals hängt, nimmt Norman noch schnell Maß, dann reicht ein kräftiger Hieb, um das Leder mit der scharfen Klinge in Form zu bringen. Am Ende wird alles bestickt und vernäht.
Um Streit zu vermeiden, steht in Venturas Lederhosenschneiderei eine eigene Nähmaschine für jeden der Brüder. „Die Freundin kann man teilen, aber die Nähmaschine gehört nur einem“, scherzt Thomas und wirft seinem Bruder einen verschmitzten Blick zu. Trotzdem gab es die letzte Zankerei unter den Brüdern wohl erst zehn Minuten vor dem Interview. „Norman ist einfach zu unordentlich für mich“, meint Thomas und zeigt auf kleine Lederreste, die am Boden unter Normans Nähmaschine herumliegen.

Um die 500 Euro muss man für eine Sepplhose bei den Venturas hinlegen. Rund ein Drittel davon geht dabei fürs Material drauf, der Rest für die Arbeit der Brüder. „Für eine Trachtenhose braucht man vier bis fünf Tage. Eine Sepplhose schaffen wir in drei bis vier“, erklärt der Schneider. Letztere trage man meistens in grau. So auch Norman und Thomas. Die beiden Salurner klopfen sich in ihrer Freizeit bei den Schuhplattlern in ihren grauen Sepplhosen nämlich auch die Waden rot.
Auf dem großen hölzernen Arbeitstisch liegt ein dicker Ordner, in dem Norman die Daten aller seiner Kunden notiert hat. Maße, Lederwunsch und Preis stehen darin geschrieben. Aktuell arbeitet er an einer dunklen, knielangen Hose. Heute werden die Träger dafür fertiggestellt. „Freude muss man an dieser Arbeit haben und es natürlich auch richtig machen“, sagt Norman und wirft Thomas einen ernsten Blick zu. Das Handwerk würde nicht an jeden weitergegeben, sondern nur an jene Schneider, die es auch gerne machen. So wie sie.

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