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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 18.08.2015
LeuteFreerider Wolfgang Geier

Immer am Limit

Veröffentlicht
am 18.08.2015
Der Sport ist gefährlich und illegal – aber garantiert ihm einen Adrenalinkick. Wolfgang Geier über seine Leidenschaft, Passstraßen mit dem Longboard hinab zu rasen.
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„Du musst schauen, ob ein Auto kommt und falls eines kommt, dann schreie und winke, dass das Auto oder ich checken, dass wir stehenbleiben müssen“, legt mir Geier nahe. Dann setzt er sich seinen Helm auf, zieht sich Handschuhe an und klemmt sein Board unter den Arm, bevor er die Passstraße zwischen der Laimburg und dem Kojotenpass bei Auer nach oben geht. Vor der nächsten Kurve bleibt er stehen. Atmet einmal tief ein und fährt langsam los. Der 24-Jährige verlagert sein Gewicht von vorne nach hinten, wird immer schneller. Vor der scharfen Rechtskurve geht er in die Knie, stützt sich mit seinem rechten Arm ab und rauscht weiter. Das Board schreit auf dem steinigen Asphalt. Dann kommt es unter Geiers Füßen zum Stehen.

Bis zu 60 km/h schnell wird er, wenn er sich auf seinem Longboard die steilen Straßen hinunterstürzt. Trotzdem verzichtet er auf Knie- und Ellbogenschützer und sieht mit seinen lässigen Jeans und Shirt eher so aus, als würde er sich bloß mit seinen Kumpels im Skatepark treffen. Geier und seine Freunde sind aber Freerider und dass dieser Sport sehr gefährlich ist, leugnen die jungen Südtiroler nicht.

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Die Gefahr fährt mit

Normalerweise wäre Wolfgang Geier die Straße bis ganz nach oben gegangen. Normalerweise fährt der 24-Jährige aber auch mit einer Gruppe von fünf Leuten, die seine Leidenschaft teilen und mit denen er regelmäßig hier auf der Passstraße trainiert. Einer gondelt immer mit dem Auto voraus. In 50 Metern Abstand. Begegnet ihm ein Auto, schaltet er die Warnblinker ein, „zur Sicherheit, damit wir wissen, wann eines entgegenkommt“, sagt Geier. Richtig gefährlich geworden, sei es bisher noch nie, sagt er. Weil sie immer sehr aufgepasst hätten. „Obwohl manchmal Autos oder Motorräder extra ganz nahe auffahren, was ich nicht verstehen kann“, so Geier.

Die Gefahr schwingt bei jeder Fahrt mit. Abschürfungen gibt es öfter, gebrochen hat sich der gelernte Gärtner, der sich jetzt als Schrifthauer selbstständig gemacht hat und Grabsteine beschriftet, noch nie etwas. Beim Longboarden. Beim Skateboarden schon, gibt der Neumarkter zu und lacht. Martin, einem Kollegen von ihm geht es da anders. Er hat sich genau in dieser Kurve die Schulter ausgekugelt und musste operiert werden. Jetzt fällt er erst mal aus.

Neben dem Freeriding gibt es noch andere Disziplinen beim Longboarden, wie Dancing, Cruising, Carving und Downhill, erklärt Geier. Beim Dancing fährt man auf ebener Straße, macht Steps und Sprünge. „Einmal bin ich den Radweg von Neumarkt nach Salurn runter gedanced“, schmunzelt Geier. Cruising bedeutet einfach durch die Stadt fahren und dabei Kurven machen. Beim Carving sind die Achsen ganz weich eingestellt – das Board ist ziemlich kurz. Der Fahrer schubst sich dabei nicht mit einem Bein an, sondern steigert die Geschwindigkeit, indem er seinen Körper vor- und zurückbewegt. Die absolute Königsdisziplin ist Downhill – meist bergab auf geraden Straßen. „Es ist bärig, aber mit gefällt das nicht so gut. Ich habe es lieber etwas gemütlicher und mit mehr Technik“, gibt Geier zu. Die Downhiller kommen bei einer Abfahrt durchaus schon mal auf 120 km/h. Diese Disziplin ist noch gefährlicher und sollte nur mit Schutzkleidung ausgeübt werden. Finanziell sei das zurzeit nicht drin, so Geier, es sei aber auch nicht das Ziel der Gruppe. Sie würden hingegen gern ein Freeride Rennen austragen. Der Sport hat sich in den vergangenen Jahren nämlich weiterentwickelt und ist bekannter geworden. „Außer in Südtirol“, sagt Geier, „da ist er etwas stehen geblieben.“

Zwischen Freiheit, Angst und Illegalität

Zum Longboarden ist Geier durchs Skaten gekommen. Schon als kleiner Junge hatte er ein Skateboard, mit dem er heute noch einige Tricks auf Lager hat, die er mir später auf dem Longboard zeigt. Irgendwann hat ein Freund von ihm so ein Board gekauft. Er versuchte sich darauf und ist seitdem von dem langen Brett nicht mehr wegzubekommen. Ein- bis zweimal pro Woche trifft sich die Gruppe zum Training. Vor allem am Wochenende. „Einmal starteten wir am Freitagabend, sind auf den Lavazè Pass gefahren, haben oben gezeltet, ein Lagerfeuer gemacht und sind am nächsten Tag runter gefahren“, sagt Geier. Eine Freiheit, die die Jungs genießen. Legal ist das Ganze allerdings nicht. „Das wird es wohl auch nie“, meint Geier dazu. Eine Strafe haben sie noch nie bekommen, aber fast jedes Mal käme die Polizei – von irgend jemanden gerufen, sagt er. „Sie kommen, keksen und gehen dann wieder.”

Egal, ob die Truppe sich hier trifft oder auf einer ihrer anderen „Trainingsstrecken” wie am Timmelsjoch, im Brantental bei Laifers, am Fennberg oder in Truden – die Angst fährt immer mit. „Mit der Zeit gewöhnt man sich aber daran. Sobald man auf dem Brett steht und losfährt, wandelt sich Angst in Spaß um“, schwärmt Geier, der öfter zum Longboard als zum Fahrrad greift. Das Board, mit dem er heute fährt, hat er selbst designt. Ein Freund, der diese Arbeit jetzt beruflich macht, hat es ihm gebaut. Aus Holz, Fieberglas und einer Beschichtung aus einer Art Schmirgelpapier.

Das Board hat Geier designt, ein Kollege hat es gebaut.

Das Longboard gibt unter den Beinen nach, wenn man sich nach vorn und zurück bewegt, es federt. Es ist länger als das klassische Skateboard. Die Achsen sind breiter und höher, die Reifen dicker, breiter, weicher und vor allem größer. Um die 300 Euro kostet ein gutes Board. Mehr benötigt ein Freerider für seinen Sport auch nicht. „Man braucht keine Ausrüstung, außer das Brettl“, so Geier. „Man steigt raus aus dem Bett, zieht Hose, Shirt und Schuhe an, fährt auf einen Pass und kann loslegen. Das ist das Geilste.“ Und genau deswegen macht er weiter, auch wenn es verboten ist und sich seine Familie oft um ihn sorgt, gesteht der 24-jährige Freeride-Fanatiker.

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