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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 26.05.2015
LeuteAuf a Glas'l mit Südtirols Kinder- und Jugendanwältin

„Ihr seid die Zukunft!”

Veröffentlicht
am 26.05.2015
Paula Maria Ladstätter ist Südtirols Kinder- und Jugendanwältin. „Ihr seid mutig, kreativ und einfach wunderbar“, sagt sie über unsere Jugend.
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Paula Maria Ladstätter

„Brennen ist wichtig, aber nicht ausbrennen“, sagt Paula Maria Ladstätter, Südtirols Kinder- und Jugendanwältin. Sie brennt vor allem für eines, das Wohl der Jüngsten unseres Landes. Weil sie glaubte, Auf a Glas’l, wäre nur mit einem Glas Wein möglich, wollte sie zuerst schon absagen, erzählt mir Ladstätter mit einem breiten Grinsen. Aber zu einem Macchiatone im Hotel Laurin hat die Barbianerin dann doch nicht Nein gesagt.

Frau Ladstätter, Sie sind Kinder- und Jugendanwältin. Was kann man sich darunter vorstellen?
Um das zu verstehen, hake ich etwas weiter hinten ein. Seit 2009 gibt es die Kinder- und Jugendanwaltschaft in Südtirol. 10 Jahre lang hat der Südtiroler Jugendring das propagiert, zehn Jahre wurde diskutiert, bevor diese Institution endlich umgesetzt wurde. Da frage ich mich nur: Warum muss man darüber so lange diskutieren? Sind Kinder und Jugendliche weniger Wert als Erwachsene? Auf keinen Fall. Und genau deshalb bin ich so froh darüber, nun seit fast genau einem Jahr an dieser Stelle als Südtirols Kinder- und Jugendanwältin arbeiten zu dürfen. Weisungsungebunden und überparteilich kann ich hier ganz frei meine Tätigkeit ausüben. Meine Aufgabe kann dabei in vier Säulen eingeteilt werden: Vermittlung und Beratung, Information und Prävention, Interessensvertretung und nicht zuletzt die Vernetzung der Dienste. Die Kinder-und Jugendanwaltschaft ist dabei von der Geburt an bis zum 18. Lebensjahr für die Jüngsten unseres Landes zuständig. Ich arbeite immer nur im Interesse der Kinder und Jugendlichen. Und ganz wichtig ist auch, dass wir eine niederschwellige Institution sind, was bedeutet, dass wir ohne jeglichen bürokratischen Aufwand zu erreichen sind.

Paula Maria Ladstätter war vor ihrem Amtsantritt sechs Jahre lang Leiterin der Caritas Flüchtlingsberatung, dann vier Jahre lang selbständig in Kommunikation und Konfliktmanagement und ist nun seit knapp einem Jahr als Kinder- und Jugendanwältin unseres Landes tätig.

Und welche Rechte haben Südtirols Kinder?
Recht auf Partizipation, Recht auf Mitbestimmung, Recht auf Meinungsfreiheit, Recht sich zu versammeln, Recht auf Erholung, Recht auf Spaß, Recht auf Schutz, Recht auf psychisch-physische Unversehrtheit, Recht auf besonderen Schutz für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigung. Und das ist noch längst nicht alles. Seit 1989 gibt es die UN-Kinderrechtskonvention, die Kindern auf der ganzen Welt die gleichen Rechte einräumt. 164 Staaten auf der Welt haben diese Konvention unterschrieben. In Italien wurde sie bereits 1991 ratifiziert. Wir müssen endlich verstehen, dass Kinder Rechtsträger sind. Sie haben Rechte, deren Umsetzung und Einhaltung wichtig sind. Denn vor allem bei Problemen mit Kindern geht es um unmittelbares und schnelles Eingreifen.

Haben Kinder und Jugendliche durch diese Konvention wirklich auf der ganzen Welt die gleichen Rechte?
Ja. Natürlich ist das Niveau der verschiedenen Staaten unterschiedlich. Je nachdem wie die Realität ausschaut, sind auch die vordergründigen Rechte unterschiedlich. In Afrika ist beispielsweise nicht das Recht auf Mitbestimmung, sondern das Recht auf Nahrung, Leben und Schutz vordergründig. Auch bei uns in Südtirol gibt es die verschiedensten Situationen, in denen mein Dienst gebraucht wird. Das reicht von Missbrauch über Kindesvernachlässigung bis hin zur Klärung einfacher Fragen, die die Jugendlichen an mich richten. Die Rechte bleiben dabei aber immer dieselben. Auf der ganzen Welt.

Mit welchen Anliegen kommen die Kinder und Jugendlichen denn so zu Ihnen?
Es soll gesagt sein, dass sich natürlich jeder zu jeder Zeit und mit jedem Problem an mich wenden kann. Das Spektrum meiner Arbeit ist wirklich breit. Es kommen Jugendliche, die geschlagen oder in der Schule gemobbt werden, Jugendliche mit Notendruck oder Versetzungsängsten. Ab und an kommen auch Kinder, die Fragen stellen, wie zum Beispiel: Ich bin 16, mein Freund ist 18 Jahre alt. Macht sich mein Freund strafbar, wenn wir Sex haben? Vermehrt gibt es auch Situationen, wo Eltern von Kindern mit Beeinträchtigung kommen, weil die Ressourcen in den Schulen zu gering sind. Und dann habe ich auch Fälle, wo es um die Inklusion bei Migrationshintergrund geht.

Kommen dann direkt die Kinder zu Ihnen?
Auch. Aber ich stelle vermehrt fest, dass Eltern zu mir kommen und es dabei ganz oft auch um Konflikte geht, die eigentlich auf die Paarebene und nicht auf die Elternebene gehören. Seit 2006 besagt das Gesetz, dass Kinder bei der Scheidung nicht nur von den Eltern sorgerechtlich aufgenommen werden können, sondern auch von den Großeltern und der restlichen Linie der Verwandten. Immer öfter kommen daher auch die Großeltern zu mir. Aber natürlich auch die Jugendlichen und Kinder.

Wissen die Kinder eigentlich, dass sie sich an Sie wenden können?
Wir geben unser Bestes dafür, dass das die Kinder und Jugendlichen in Südtirol wissen. Neben young + direct können sich Kinder nur bei uns ohne das Wissen der Eltern melden. Solche Institutionen sind einfach wichtig. Und genau deshalb versuchen wir uns durch Vorträge und Präsenz an Schulen immer bekannter zu machen. Kinder brauchen einen geschützten und kindgerechten Rahmen in solchen Fällen. Bei uns kann man anrufen oder man meldet sich über Facebook oder per Mail. Natürlich kann man auch direkt zu mir kommen. Es ist immer wichtig als Kind und damit als Rechtsträger seine Rechte zu kennen und diese dadurch auch einfordern zu können. Wir haben kindgerechtes Material, das den Kindern erklärt, wer wir sind, wie wir helfen und vor allem wie man zu uns kommt.

Welcher war Ihr jüngster Kunde?
Der jüngste Kunde hat mich kurz nach Amtsantritt telefonisch kontaktiert. Er war elf Jahre alt und hat am Telefon gemeint: „Hallo Frau Jugendanwältin, ich komme aus dem Tal X, mache in Bozen regelmäßig Sport und möchte gerne einen Termin mit Ihnen machen.“ Da war ich wirklich erstaunt und gleichzeitig froh, weil ich gemerkt habe, dass unsere Öffentlichkeitsarbeit an Schulen fruchtet.

Und wie kann sich so ein junger Herr einen Anwalt leisten?
Mein Dienst ist eine Landesstelle und daher für alle kostenlos.

Welche Probleme von Kindern und Jugendlichen würden Sie auf nationaler Ebene gerne aus der Welt schaffen?
Ich würde mir wünschen, dass keine Einsparungen gemacht werden, Jugendgerichte erhalten bleiben oder gar noch verbessert werden und die Ist-Situation wirklich eingehalten wird.

Auf internationaler Ebene hingegen?
Da wünsche ich mir wirklich die verstärkte Umsetzung der Kinder- und Jugendrechte. Auch, dass die Jugendanwaltschaften mit Personal, Räumen und Ressourcen, mit Budget und Kapazitäten ausgestattet werden und so wirklich unabhängig und allein zum Wohle der Kinder und Jugendlichen arbeiten können. Nicht umsonst wurde dieses Jahr der Friedensnobelpreis an ein 17-jähriges Mädchen, Malala Yousafzai, eine Rechtsträgerin vergeben. Das ist ein Zeichen. Kinder und Jugendliche sind die nächste Generation und unsere Zukunft. Und auf die müssen wir schauen.

Auch wenn wir jungen Leute die Zukunft sind, werden wir aber oft kritisiert. Wir seien zu laut, trinken zu viel, seien zu rebellisch, zu radikal usw. Können Sie mir drei positive Seiten der Südtiroler Jugendlichen nennen?
Das sehe ich nicht so. Ihr seid unsere Kinder, unsere Jugendlichen. Wir haben eine tolle Jugend. Ihr seid mutig, kreativ und einfach wunderbar. (grinst)

Haben Sie selbst Kinder?
Nein, ich habe keine Kinder. Aber ich habe ein Herzenskind, mein Nachbarkind Julia. Sie ist elf Jahre alt. Unser abendliches Ritual ist ein gemeinsamer Spaziergang, bei dem wir uns über den Tag unterhalten und unsere „Köpfe lüften“. Das gibt mir so viel Freude. Dabei sehe ich immer, wie viel Leidenschaft, wie viel Energie Kinder haben. Wie toll Kinder sind.

Sie lieben Kinder also wirklich.
Ja, ich glaube das gehört einfach zu meinem Job. In solchen Momenten, wie mit Julia, weiß ich, warum ich meinen Beruf gewählt habe. Man braucht einfach Liebe, Passion und Berufung. Sonst wird es schwer.

Was ist Ihnen das Liebste an Ihrem Beruf?
Der Kontakt mit Kindern und Jugendlichen. Das ist das, was mich nährt. Immer wieder zur Quelle zurückzugehen. Oft ist man so mit Behörden und Diensten am Diskutieren, dass gar nicht mehr das Kind im Mittelpunkt steht. Da brauche ich immer wieder diesen Austausch mit Kindern, um zu verstehen, worum es eigentlich geht.

Welches war das größte Erfolgserlebnis in diesem Jahr?
Eine Jugendliche mit Mehrfachbeeinträchtigung, die durch unsere Hilfe noch weitere drei Jahre, bis sie 18 ist, in der Struktur bleiben darf, wo sie untergebracht war, und die Schule besuchen darf, die in ihrem Interesse liegt. Für diese Situation habe ich bestimmt am meisten gearbeitet, aber hier macht es wirklich Sinn.

In einem Interview habe ich gelesen, dass Sie gerne zu den Blumenkindern ins Jahr 1968 reisen würden. Was würden Sie da machen?
Der Ursprung ist sicherlich die Idee von Freiheit, Selbstbestimmtheit und der Spielraum. Ich selbst bin im Kinderdorf aufgewachsen, habe die Zeit von 18 Monaten bis 18 Jahren dort verbracht. Mein Charakter braucht einfach viel Freiheit und Selbstbestimmtheit. Die Blumenkinder, mit wenig Struktur und wenigen Institutionen stehen für mich dafür. Auch unseren Kindern wünsche ich diese Freiheit und einfach Räume, wo sie sich ausbreiten können, sein können und Visionen haben dürfen.

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