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Momos will sie kochen. Gefüllte Teigtaschen. Ein traditionelles Gericht aus Nepal, ihrer Heimat, die sie vor 15 Jahren verlassen hat. Asha Lama steht in ihrer kleinen Küche – mehr als zwei Leute haben hier nicht Platz, um gemeinsam zu kochen – und stellt die Zutaten auf den Tisch, die sie eben in einer Metzgerei und auf dem Obstmarkt in Bozen gekauft hat. Faschiertes vom Schwein, eine Zucchini und Kirschtomaten. „Momos schmecken einfach jedem“, sagt Asha. „Besonders meinem Mann Armin und meinen Kindern.“ Dann kocht sie erst mal einen Tee mit Melisse. Sie trinkt viel Tee. Eine Tradition, die sie aus ihrer Heimat mitgebracht hat.
Die zierliche Frau, deren Name Hoffnung bedeutet, ist der Liebe wegen nach Südtirol gekommen. Geboren ist sie in Pokhara, in Nepal. Dann zog die heute 35-Jährige mit ihren Eltern und den zwei Brüdern in die Großstadt Kathmandu mit 1,7 Millionen Einwohnern. Schon als Schulkind hat sie gespürt: Hier verbringe ich nicht mein Leben.
Ahsa, die sehr gut Südtiroler Dialekt spricht, gibt eine Zwiebel, eine halbe Zucchini, Öl und viel Knoblauch in einen Zerkleinerer, der laut vor sich hin rattert, während er die Zutaten in kleine Stücke reißt. Dann vermengt sie die Masse mit dem Faschierten und würzt sie mit Salz und Masala. Spezieller Momo Masala. Ihre Mutter, die noch heute zusammen mit Ashas Vater in Nepal lebt, hat ihr die Gewürzmischung aus Koriander, Minze, Ingwer und Kurkuma nach Südtirol geschickt. Hier gibt es sie nicht fertig zu kaufen. Auch den traditionellen Dämpfer hat Asha von ihrer Mutter bekommen. Ein blechernes Gefäß mit vier Etagen. In die unterste kommt Wasser, in den oberen werden die Momos gedämpft. Aber so weit ist Asha noch nicht. Momos machen braucht Zeit. Deswegen macht sie jedes Mal gleich mehrere, die sie einfriert und dann parat hat, wenn sich ihre größere Tochter Nora Kumari wieder mal die herzhaften Teigtaschen wünscht. Vier Jahre ist sie alt. Die jüngere Tochter mit dem nordischen Namen Svea Maya ist eineinhalb.
Bei beiden Schwangerschaften und bei den Geburten hatte Asha „fescht Huamwea“, sagt sie. Obwohl ihre Eltern sie in ihrer neuen Heimat Südtirol bereits besucht haben, hat ihr Vater seine Enkelkinder noch nie gesehen. „Vorher hatte ich aber nie Heimweh, nachher auch nicht mehr“, sagt Asha, die aus einer Familie von Weltreisenden stammt. Auch Ashas Brüder hat es von zu Hause weggezogen. Der eine lebt in Sydney, der andere lebte eine Zeit lang in Dubai und ist jetzt in Kanada. Ein Bruder hat sie bereits besucht. Der andere wird es auch noch machen. Früher oder später, da ist sich Asha sicher. Sie hat sich in Bozen gleich eingelebt. In einem Haus außerhalb des Trubels der Stadt. Hier fühlt sie sich wie in einem kleinen Dorf, sagt sie. Nicht wie in einer Stadt. Es ist sehr ruhig. Vom Wohnzimmerfenster blickt man auf Bäume und nur auf ein paar andere Häuser. Das Haus der Schwiegermutter ist gleich nebenan. Praktisch, denn sie passt oft auf ihre Enkel auf, wenn die Mama mal Zeit für sich braucht.
„Es ist ein Riesenglück, dass ich diese Reise machen durfte und dabei Armin kennelernte. Ich habe den richtigen Mann für mich gefunden.“
Als Asha noch in Nepal lebte, gab es keinen Strom und keine Berufsmöglichkeiten. „Gott sei Dank hatte ich das Glück herzukommen, sonst wäre mein Leben heute vielleicht nicht so unbeschwert“, sagt Asha. In den Dörfern müssen sich die Frauen in Nepal hauptsächlich um die Haus- und Feldarbeit kümmern, waschen, putzen und den Acker bestellen. Ein Grund, warum Asha weg wollte. Der andere Grund waren die Männer dort. Viele würden den ganzen Tag nur rumsitzen, Karten spielen und trinken, erzählt Asha.
„Es ist ein Riesenglück, dass ich diese Reise machen durfte und dabei Armin kennelernte. Ich habe den richtigen Mann für mich gefunden“, sagt sie lachend und kippt Weizenmehl in eine Schüssel. Mit Wasser und einer Prise Salz rührt sie den Teig für die Momos mit den Händen ab. Sie knetet die Masse mit den Fäusten durch und geht dazu mit der Schüssel auf den Boden. „Das ist man hier überhaupt nicht gewohnt, in Nepal werden vielerlei Arbeiten auf dem Boden verrichtet. So geht es nun mal am besten.“
Armin Widmann, 37, ist Filmproduzent, Kameramann und Film-Autor. Seit seinem ersten Aufenthalt in Nepal wollte er einen Film über die Gemeinsamkeiten von Alpen und Himalaya drehen. Dass er dadurch die Liebe seines Lebens treffen würde, ahnte der damals 23-Jährige noch nicht. Ashas Vater Tshering, Bergführer und Koch, begleitete seit Jahren die Höhenforscher des gesamtstaatlichen Everest/K2-Teams. Ein Freund von Vater Tshering lud Asha im Jahr 2001 auf seinen Bauernhof im Piemont ein, um dort den Sommer mit seiner Familie zu verbringen. Armin, der gerade nach Nepal aufbrechen wollte, erfuhr davon und kam auf Besuch zum gemeinsamen Freund. Hier haben sie sich kennengelernt, heute sind sie ein Paar.
„Es hat alles gepasst und ich wollte schon bald herziehen“, sagt Asha heute. Während sie erzählt, lässt sie Kirschtomaten in einer Pfanne köcheln und nimmt Koriander aus dem Gefrierfach. Auf dem Kühlschrank hängen Urlaubsfotos von ihr und Armin. Daneben Fotos von den gemeinsamen Töchtern. Asha püriert die Sauce mit einer halben Chilischote. Dann geht es ans Füllen und Formen der Momos.
„Ramro saanga kaanus – Mahlzeit!“
Gleich nachdem Asha im darauffolgenden Jahr nach Südtirol kam, lernte sie Deutsch. Anfangs arbeitete sie als Kindermädchen, dann im Eltern-Kind-Zentrum. 2008 hat sie Armin in Kathmandu geheiratet. Regelmäßig begleitete sie ihn als Tonfrau beim Filmen, bis ihre erste Tochter zur Welt kam. Auch beim ersten Film von Armin, dem Dokumentarfilm über Alpen und Himalaya, der mehrfach international ausgezeichnet wurde, war Ahsa mit dabei. „Tshering“ heißt der Film, wie Ashas Vater, der ihr das Kochen beigebracht hat. Reis, Linsen, Gemüse auf typisch nepalesische Art: besonders scharf. Und die Momos, die Asha jetzt im Wohnzimmer fertigstellt. Zuerst reißt sie kleine Kugeln aus dem Teig. Die rollt sie dann einzeln aus, gibt einen Klecks Füllung in die Mitte und formt sie zu Momos. Dann kommen sie in den Dampfgarer. Man könne sie aber auch in Öl braten, verrät Asha. Nach zwölf Minuten serviert sie die Teigtaschen mit der scharfen Sauce. „Ramro saanga kaanus“, sagt sie. „Mahlzeit.“ Dann schneidet sie noch eine frische Chilischote für ihre Sauce klein. Nepalesen mögen es eben gerne scharf.
Für den Teig:
500 g Mehl
200 ml Wasser
Salz
Für die Füllung:
500 g Faschiertes vom Schwein
2 Frühlingszwiebeln (Knolle und Blätter) kleingehackt
1 Zwiebel (kleingehackt)
2 EL Öl
2 TL Masala (Gewürzmischung aus Koriander, Minze, Ingwer, Kurkuma)
1 TL Salz
nach Belieben eine Prise Chilipulver
Für die Sesamsauce
100 g Sesamkörner
250 g Kirschtomaten
ein halbes Bündel Koriander, kleingehackt
Salz
1 Chilischote, kleingehackt
Zubereitung:
Das Mehl in eine Schüssel geben, langsam das Wasser hinzugeben und so lange kneten, bis ein kompakter Teig entsteht. Diesen abdecken und 30 Minuten ruhen lassen. In der Zwischenzeit alle anderen Zutaten in eine Schüssel geben und gut durchmischen. Den Teig etwa zwei bis drei Millimeter dick ausrollen und mit einem Glas etwa sieben Zentimeter große Kreise ausstechen. Auf jeden Teigkreis etwa einen Esslöffel Füllung geben. Den Teig zusammenklappen und die Ränder fest zusammendrücken, damit die Momos nicht platzen. Anschließend in einem Dampfgarer zehn bis zwölf Minuten im Wasserdampf (Wasser salzen) durchgaren.
Die Momos serviert man mit einer Sauce, Achaar (sprich: Atschaar) genannt. Für die Tilko Achaar (Sesamsauce) den Sesam in einer Pfanne anrösten. Anschließend wird er mit den anderen Zutaten mit dem Stabmixer püriert. Zum Schluss mit dem Saft einer Viertel Zitrone überträufeln.
Die Momos kann man nicht nur mit Fleisch, sondern auch mit Gemüse füllen. Die Zubereitung dauert etwa eine Stunde.
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