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Julia Tapfer
Veröffentlicht
am 07.08.2014
LeuteDas Land und die Liebe

Ich bin lesbisch, na und?

Veröffentlicht
am 07.08.2014
Eine junge Südtirolerin erzählt von ihrem Coming-out und will damit auch anderen Mut machen, sich nicht mehr zu verstecken.
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Sara* ist lesbisch. Die 18-jährige Südtirolerin geht offen damit um, sie kleidet sich so, wie sie es mag, hält mit ihrer Freundin Händchen und achtet nicht auf blöde Kommentare. Im BARFUSS-Gespräch erzählt sie, wie sie vor drei Jahren gemerkt hat, dass sie anders ist als ihre Freundinnen, was nach dieser Einsicht folgte und wie es ihr als Homosexuelle in einem Südtiroler Dorf geht. Das macht sie, um anderen Mut zu machen – und vielleicht auch ein wenig sich selbst, denn ein wichtiges Gespräch schiebt sie immer noch vor sich her: das mit ihren Eltern.

Ich warte auf Sara in einem Café, sie kommt pünktlich mit ihrer Vespa an und begrüßt mich herzlich. Während Sie eine Cola bestellt, erzählt sie mir, dass sie zur Zeit den Führerschein macht, nächstes Jahr steht dann auch die Matura an. Wir nippen an unseren Getränken und ich beginne das besondere, weil so intime, Interview mit der typischen Frage:

Wie war das denn für dich? Wann hast du gemerkt, dass du „anders“ bist?
Ich hatte 2011 einen Freund, weil das einfach alle hatten. Aber da habe ich mich nie richtig wohl gefühlt, ich habe auch nie sagen können: Ich bin verliebt. Das war in der ersten Oberschule. Dann habe ich mir immer gedacht, das kann es nicht sein, das macht mich nicht glücklich. Vielleicht ist es ja nur nicht der Richtige gewesen. Irgendwann habe ich ein paar Mädchen kennengelernt, so über Facebook und so, da hab ich mich auch mit ihnen getroffen. Und irgendwann habe ich mich in eine verliebt. Das war dann ein total anderes Gefühl. Da ist es mir bewusst geworden: er war vielleicht nicht nur nicht der Richtige, sondern ich war einfach gar nicht interessiert.

Und früher – da hast du nichts gemerkt?
Ich muss schon sagen, dass ich schon immer eher – ich hab zum Beispiel immer Fußball gespielt, ich war nie so richtig „das Mädchen“.

Vor einigen Jahren hattest du ja noch lange, blonde Haare?
(lacht) Ja, das haben halt alle gehabt. Ich habe mir immer die Haare schneiden wollen, aber meine Mutter meinte: „Bloß nicht die schönen, blonden Haare!” (lacht) 2012 hatte ich dann so eine Phase, wo ich unbedingt Rastas wollte, dann hatte ich danach einen Grund, die Haare kurz zu schneiden. Das war aber schon auch etwas schwierig, mein Vater sagte zum Beispiel immer: „Ja was denken sich die anderen Leute, wenn du Rastas hast?“ Dann habe ich es aber durchgezogen.

Also hast du nach deinem innerlichen Coming-out auch eine äußerliche Veränderung durchgemacht.
Ja genau. Ich weiß noch, davor habe ich mich jeden Tag geschminkt und die Haare geglättet und alles Mögliche. Irgendwann habe ich mir gedacht, das bin doch gar nicht ich, warum tu ich denn das? Da wollte ich wie meine damaligen Freundinnen sein, aber das war nicht ich. Das ist nicht das, was ich wirklich will. Dann habe ich aufgehört mit dem Schminken und mich anders angezogen, und irgendwann habe ich mich viel wohler gefühlt. Das ist eigentlich das, was ich immer schon gewollt habe. Auch schon als Kind, da wollte ich nie ein Kleid anziehen.

Also hast du als Kind einfach das gemacht, was du eigentlich willst.
Genau, dann hab ich mich den anderen angepasst und jetzt bin ich wieder das, was ich sein will. (lächelt)

Ich bin erstaunt, wie offen Sara mir gegenüber ist. Sie sitzt in Shorts und einem weißen, weiten T-Shirt neben mir, trägt eine Schildmütze verkehrt herum auf dem Kopf und lächelt verschmitzt. Nein, ein klischeehaftes Mädchen ist sie wirklich nicht. Und genau das scheint sie auch glücklich zu machen, wie sie ja selbst sagt. Wegen ihres Aussehens muss sie sich aber öfters blöde Bemerkungen anhören. Beim Ausgehen würde sie schon manchmal zu hören bekommen, dass sie ja wie ein Junge ausschaue, ihre Freundin hingegen werde von den pöbelnden Jungs auch angemacht. „Aber sonst höre ich eigentlich nichts, wenn dann geht es gegen mein Aussehen, aber nicht gegen uns, weil wir lesbisch sind“, meint Sara, als ich sie auf die Toleranz der Südtiroler anspreche. Vor allem die Leute in ihrem Alter hätten meist kein Problem und würden das alles sehr locker sehen. Hin und wieder gebe es zwar Ausnahmen, aber die wären selten. Einen Unterschied zwischen Stadt und Dorf gibt es aber auf jeden Fall: „In der Stadt wirst du eigentlich nicht angeschaut, das fällt nicht mal auf. Aber im Dorf – wenn du dich da umdrehst, dann schauen dir die Leute schon nach“, erzählt sie.

Als du dann vor drei Jahren gemerkt hast, dass du auf Mädchen stehst: Was hast du dann gemacht? Hast du es gleich jemandem erzählt?
Also am Anfang habe ich alles für mich behalten. Dann irgendwann habe ich es meiner besten Freundin erzählt und da habe ich mir immer gedacht, dass das nicht einfach wird. Aber sie hat voll gut reagiert und gesagt, dass das doch kein Problem ist. Und meine Freunde wissen es eigentlich alle, denen habe ich es allen erzählt.

Hast du da ein richtiges Outing gehabt?
Ja, zu meiner besten Freundin bin ich wirklich so hingegangen und habe es ihr gesagt. Und dann weiß es bald jeder. Meinem Bruder habe ich es auch erzählt, da habe ich auch vorher richtig Angst gehabt, aber dann war das auch kein Problem. Jetzt fehlen halt noch die Eltern. (lacht)(Pause)

Die Eltern sind also die größte Hürde für dich?
Ja, ich kann sie einfach nicht einschätzen. In einem Moment denke ich mir, damit können sie doch kein Problem haben. Und im anderen Moment dann aber, wenn ich jetzt nicht mehr so mit ihnen umgehen kann wie bisher … das möchte ich halt auch nicht. Ich glaube, das ist einfach die Angst, dass irgendetwas anders wird. Weil es mir so, wie es im Moment mit ihnen ist, gut passt.

Wagst du dich nun bald an dieses Gespräch?
Ja, ich glaube schon. Ich habe mir vorgenommen, zuerst nur mit meiner Mutter zu reden. Sie ist vielleicht offener als mein Vater. Aber dann sitz ich wieder vor ihr und denk mir doch wieder, nein, das will ich jetzt eigentlich nicht sagen. Und ich bin jemand, der gerne alles aufschiebt. Ich werde das vielleicht auch noch ewig aufschieben. (lacht) Auch wenn meine Eltern es vielleicht schon vermuten, ich glaube, sie möchten, dass ich zu ihnen komme und es ihnen sage. Vielleicht warten sie ja schon.
Mein Vater hätte vielleicht schon ein Problem damit. Ich weiß noch, wie er bei den Rastas reagiert hat. „Und was denken sich da die anderen von dir?“ Das ist es immer! Was denken sich da die anderen von dir. Ich kann sagen, mich interessiert das nicht. Aber für ihn ist das schon doch immer etwas Wichtiges.

Hat mal jemand zu dir gesagt, das sei nur so eine Phase?
Ja, das sagen sie immer wieder. Ich denke es mir ja auch manchmal – vielleicht ist es ja nur im Moment das, was mich glücklich macht, und in zehn Jahren nicht mehr. Ich kann es ja nicht wissen. Ich tu das, was kommt. Aber eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen, in den letzten drei Jahren war ich nicht ein einziges Mal an einem Jungen interessiert. Wenn es kommt, kommt es. Ich tu das, was mich glücklich macht. Ich verstelle mich nicht.

Also hältst du nicht viel vom Schubladendenken? Homo oder Bi?
Genau, das versteh ich nicht. Warum gibt es das überhaupt, das Definieren? Warum muss ich mich immer irgendwo zuordnen, wenn sich das auch wieder ändern kann? Ich tu das einfach nicht.

Hast du einen Wunsch, was sich in Südtirol ändern sollte?
Schön wäre es, wenn das alles total normal wäre. Wenn man nicht darüber reden müsste, dass das etwas anderes ist. Weil: es ist nichts Besonderes.

Vielen Dank für das Gespräch und deine Offenheit!

*Name geändert. Nach dem Interview überlegt Sara kurz, ob ich nicht doch ein Foto von ihr machen und es dem Artikel beifügen sollte. Sie will sich nicht hinter einem anderen Namen verstecken, es ist ja nichts, wofür sie sich schämen müsste. Mit dem Foto würde sie sich selbst auch Druck machen, um sich endlich vor ihren Eltern zu outen. Wir entscheiden uns schließlich doch dagegen. Diesen Schritt auf ihre Eltern zu wird sie alleine machen – und ich wünsche ihr dabei offene und tolerante Ohren.

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