BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
BARFUSS LogoSüdtiroler Onlinemagazin

Support Barfuss

Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus

BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
Veröffentlicht
am 04.04.2025
LeuteInterview mit Mira Stadler

Humor als Mittel der Rebellion

Veröffentlicht
am 04.04.2025
Die Regisseurin Mira Stadler inszeniert „Mein Freund Harvey“ für die Vereinigten Bühnen Bozen als warmherzige Komödie mit Tiefgang. Im Interview spricht sie über die zeitlose Relevanz des Stücks, ihren modernen Zugriff auf die Figuren und die Herausforderung, das Unsichtbare sichtbar zu machen.
Damit BARFUSS weiterhin hinterfragen, aufklären, erzählen und berühren kann, brauchen wir DEINE Unterstützung!
Werde Teil unserer Community.
Teile unsere Story
Bildschirmfoto 2025-04-03 um 07.59.57

Mira Stadler zählt zu den spannendsten Regisseurinnen der jüngeren Generation. Sie studierte Kultur- und Sozialanthropologie sowie am renommierten Max Reinhardt Seminar. Ihre Inszenierungen zeichnen sich durch einen modernen Zugriff auf klassische Stoffe und ein feines Gespür für psychologische Tiefe aus. Nun bringt sie mit „Mein Freund Harvey“ ihre erste Arbeit an den Vereinigten Bühnen Bozen auf die Bühne – eine Komödie, die mehr ist als nur Unterhaltung.

BARFUSS: Mein Freund Harvey ist eine warmherzige Komödie mit einem Hauch von Surrealismus. Was hat Sie an diesem Stück besonders gereizt? Wie haben Sie sich der Vorlage genähert?
Mira Stadler: Mich hat vor allem die Mischung aus Humor und Tiefgang fasziniert. „Mein Freund Harvey“ ist auf den ersten Blick eine warmherzige Komödie, doch darunter liegt eine vielschichtige Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Erwartungen, Normierung und Außenseitertum. Ich wollte diesen Schichten in der Inszenierung Raum geben und gleichzeitig die Leichtigkeit des Stücks bewahren. Den originalen Text habe ich respektvoll umgestaltet, um ihn für unser heutiges Publikum frisch und lebendig zu gestalten. Zum Beispiel gibt es in unserer Version einige Rollen, bei denen das Geschlecht getauscht worden ist, um nicht alte Rollenbilder zu reproduzieren und trotzdem die Nöte der von Chase geschriebenen Figuren am Leben zu erhalten.

Das Stück erzählt von einem Mann, der sich lieber mit einem imaginären Freund unterhält, als sich der gesellschaftlichen Norm anzupassen. Welche Relevanz hat diese Thematik heute?
In einer Welt, die immer normierter und effizienter wird, stellt Elwood P. Dowd eine wohltuende Gegenfigur dar. Er verweigert sich dem Druck, sich anzupassen, und lebt in einer Welt, die nicht von Rationalität, sondern von Herzlichkeit und Offenheit geprägt ist. Gleichzeitig müssen wir uns fragen, unter welchem Druck diese Figur gelitten hat, um sich eine wohltuende Parallelwelt zu der unseren aufbauen zu müssen.

Mira Stadler

Es wird auch der Umgang mit Menschen thematisiert, die anders sind – sei es durch ihre Denkweise, ihr Verhalten oder ihre Sicht auf die Welt. Wie sind Sie mit dem Anderssein in dem Stück umgegangen?
In der Inszenierung haben wir versucht, genau das herauszuarbeiten: Dass es nicht um eine klassische Außenseitergeschichte geht, sondern um eine liebenswürdige Rebellion gegen den gesellschaftlichen Druck, sich anzupassen.

Das Theaterstück wurde schon häufig inszeniert. Welche eigenen Akzente setzen Sie, oder interpretieren Sie das Stück neu im Vergleich zu früheren Inszenierungen
Amerikanische Komödien haben im deutschsprachigen Raum oft das bittere Schicksal sehr boulevardesk und nicht sehr tiefgründig inszeniert zu werden. Ein großer Fehler, wie ich finde, denn „Mein Freund Harvey“ ist kein nostalgischer Schenkelklopfer, sondern eine lebendige, zeitlose Geschichte. Wie gesagt habe ich ein paar Handgriffe an Text und Figuren vorgenommen, um den Stoff vorsichtig zu „entstauben“ und den Diamant freizulegen, der das Stück in Wahrheit ist. Tatsächlich ist das Stück besser gealtert als man denkt. Während Mary Chase die Idee für „Mein Freund Harvey“ hatte, als sie eine trauernde Mutter eines Soldaten traf und sie einfach nur aufmuntern wollte, ist das Stück zu einem spannenden Spiegel unserer normierten Zeit geworden, in der keiner den Mund aufmacht, um Andersartigkeit zu tolerieren.

Wie arbeiten Sie mit dem Unsichtbaren? Harvey, das riesige imaginäre Kaninchen, ist ja nie zu sehen – welche theatralen Mittel setzen Sie ein, um seine Präsenz spürbar zu machen?
Harveys Existenz wird allein durch das schauspielerische Können von Marcel Heuperman greifbar. Er schaut Harvey an, begleitet ihn durch den Raum und hatte während des kompletten Probenprozesses den unsichtbaren Hasen an seiner Seite und musste damit umgehen. Man könnte sagen, das Unsichtbare wird mit sehr analogen theatralen Mitteln spürbar. Ursprünglich hatte ich geplant, mehr mit Videoprojektionen zu arbeiten, die die Anwesenheit von Harvey noch mehr unterstützen. Davon bin ich jedoch im Probenprozess immer weiter abgekommen, weil es platt gewirkt hat im Gegensatz zu dem Live-Erlebnis mit dem Schauspieler, der das Unsichtbare bedient. Eine einzige Szene ist von dieser Idee geblieben, die aber auch als Zwischenszene oder Traumebene funktioniert, in der das Publikum auf Augenhöhe mit Elwood sein kann und den Hasen auch endlich sieht.

Wie haben Sie mit den Schauspieler:innen gearbeitet, um den speziellen Humor und die feine Absurdität des Stücks herauszuarbeiten?
Wie jede Komödie, war auch dieser Probenprozess hartes Training mit Timing und Pointen. Gleichzeitig haben wir uns intensiv mit der Psychologie der Figuren auseinandergesetzt, um sie nicht als Karikaturen, sondern als echte Menschen mit inneren Konflikten und Sehnsüchten zu zeigen. Das Besondere an dieser Komödie ist aber auch, dass die Hauptfigur eigentlich keine Nöte hat, sondern nur diejenigen um ihn herum.

Was wünschen Sie sich, dass das Publikum nach dem Theaterbesuch mitnimmt?
Vielleicht inspiriert das Stück dazu, mit etwas mehr Güte und Offenheit durchs Leben zu gehen. Gleichzeitig will ich aber auch einfach, dass wir das Publikum zum Lachen bringen und sie gut unterhalten.

Das Stück ist noch bis zum 13. April im Stadttheater in Bozen zu sehen.

Redaktion

Dienste

  • News
  • Wetter
  • Verkehrsbericht

BARFUSS


Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support

© 2023 SuTi GmbH
© 2023 SuTi GmbH . Rennstallweg 8 . 39012 Meran . MwSt: 02797340219
DatenschutzNetiquetteCookiesImpressum