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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 26.01.2016
LeuteDesignprojekt mit Flüchtlingen

Handwerker auf der Flucht

Veröffentlicht
am 26.01.2016
Der Tischler Bakary Darboe ist aus Gambia geflohen, mit zwei Bozner Designern arbeitet er nun im COSMO-Projekt an Objekten mit Geschichten.
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Arbeitsbesprechung

„I am afraid“ sagt Bakary Darboe. Er ist einer von den 122.000 Flüchtlingen, die 2014 in Italien angekommen sind, um weiterzuziehen oder eben hierzubleiben und auf Asyl zu warten. Am Montag nach den Attentaten in Paris wurde der Asylantrag des Gambiers negativ bewertet. Nun legt er Rekurs ein und das Bangen beginnt von Neuem. Erzählt der 34-Jährige seine Geschichte, dann wird seine Stimme etwas tiefer. Vor eineinhalb Jahren ist der junge Familienvater in seiner Heimat aufgebrochen. Vom kleinsten Staat Afrikas bis zum Mittelmeer und von dort mit dem Flüchtlingsboot nach Italien. „In Gambia we don’t have democracy, neither the right to speak. The country is full of problems“, erzählt er von der politischen Situation seiner Heimat, die ihn zur Flucht gedrängt hat, „they accused me, so I had to escape.“ Er vermisst seine zwei kleinen Kinder, seine Frau und seinen Vater. Die hat er zurückgelassen.
Was er hingegen mitgenommen hat, ist sein Handwerk. In Gambia hatte Bakary nämlich eine kleine Werkstatt, in der er als Tischler Betten und Stühle hergestellt hat. Und genau diese Fertigkeit hat ihn auch zum Projekt COSMO gebracht. Ein Stück Hoffnung, das ihm nach der Ablehnung des Asylantrages wieder Mut zum Weiterkämpfen schenkt.

Zusammenfluss von Kulturen, Erfahrungen und Ideen

Bakary Darboe

Seit geraumer Zeit schon schwirrte dem Bozner DesignerduoLupo & Burtscher eine Zusammenarbeit mit Flüchtlingen im Kopf herum. Sie fanden, dass das Fachwissen von Handwerkern auf der Flucht genauso wie ihr kultureller Hintergrund nicht einfach so verloren gehen sollten und es doch die Möglichkeit geben müsse, berufliche Erfahrungen, die man besitzt, überall auf der Welt einsetzen zu können. Als sie angefragt wurden, für das Event „Africa e Design“ in Turin ein Projekt zu starten, zögerten sie nicht lange und setzten ihre Idee in die Tat um. COSMO, ein Projekt, das auf das Zusammenspiel von drei Partnern baut: Handwerkern auf der Flucht aus ihrem Heimatland, regionalen Handwerkern und Designern. Durch den Wissensaustausch dieser drei soll am Ende eine Linie handgefertigter Produkte entstehen, in denen Kulturen, Erfahrungen und Ideen zusammenfließen und ihre eigene Geschichte schreiben.

Für die erste Zusammenarbeit wurde Bakary Darboe ausgewählt. „Weil die Chemie sofort stimmte und man gesehen hat, dass er Lust darauf hatte“, erzählt die Designerin Angelika Burtscher vom ersten Kennenlernen in Turin. Vermittelt wurde Bakary den beiden Designern von einer Flüchtlingsorganisation. Es folgten Gespräche und zwei Workshops, im Laufe derer schließlich eine Idee ausgearbeitet wurde. Die Designer haben versucht zu verstehen, wie Bakary in Afrika gearbeitet hat, welche Maschinen er verwendet und welche Oberflächen er bearbeitet hat. „Für mich war vor allem der Wissensaustausch sehr spannend“, meint Daniele Lupo, während er eines der Objekte der ersten Kollektion in die Hand nimmt und nachdenklich darüber streicht. In Bakarys Kultur wird Holz beispielsweise mit Kohle gefärbt. Darum umhüllt das Zirbenholz der Obstschüssel, die Lupo in der Hand hält, nun auch Kohle-Farbe. Drei verschiedene Töne zieren die erste Prototyp-Serie auf dem Tisch im Designstudio in Bozen. Einheimisches Holz verbindet sich mit afrikanischen Farben und erinnert damit an die Häuser in Afrika, in denen Bakarys Familie immer noch wohnt und Tag für Tag auf Neuigkeiten vom Familienvater wartet. Bakary hat Angst um sie. „They are not comfortable there“, sagt er mit besorgter Stimme.

Edizione N°1

„Time to relight“, so haben die Designer die erste Objektreihe benannt, die edizione N°1, die im Rahmen von COSMO entstanden ist. Eine afrikanisch angehauchte Vase auf der einen Seite, drei Kerzenständer und eine zweite, kantige Vase auf der anderen Seite, in der Mitte eine Schüssel. Entgegen der runden Formen und der kitschigen Motive, die Bakary in seine Betten in Gambia geschnitzt hat, ist der Großteil der ersten COSMO-Linie sehr geradlinig. „Sie hat fast schon etwas Nordisches“, meint Burtscher. Jeder einzelne Schnitt wird individuell von Bakary per Hand gesetzt.

Mit seinem Handwerk lässt Bakary so Unikate entstehen. Besonders mag der Gambier die Kerzenständer. Sie lassen ihn an die Heimat denken: „There you try to save energy and you use candles, because energy is very expensive“. Auch den portafrutta mag Bakary, weil er aus Holz ist und nicht aus Eisen. „Iron is not good for frutta“, sagt er. Dort, wo das Obst aufliegt, gibt es eine der wenigen Rundungen, die in den Designerstücken gefunden werden können. Um diese zu fertigen, wurden ein Drechsler aus dem Sarntal und einer aus dem Grödental mit ins Projekt geholt, die so die Dreieckskonstellation des Projekts bilden.
Drechseln kannte Bakary aus Afrika nämlich nicht. Dort werden auch runde Formen geschnitzt. „Für Genauigkeit, Qualität und Details hat Bakary ein etwas anderes Gespür als wir, da muss man sich dann erstmal übereinkommen“, meint Angelika Burtscher, wenn sie von den Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit erzählt. Auch die Sprache hat sich hie und da als Barriere herauskristallisiert, die es zu überwinden galt. Auch wenn Bakary in Turin seit über einem Jahr regelmäßig den Italienisch-Kurs besucht, spricht er im Interview trotzdem lieber Englisch. Doch er ist motiviert, mag das Land und das Italienische und versucht mit allen Mitteln Anschluss zu finden.

Japanische Säge im Einsatz

Die Antwort auf die Flüchtlingsfrage

Welche Impulse kann man der Gesellschaft geben, um bestimmte Prozesse der Veränderung anzustoßen? Und wie können wir Flüchtlinge so einbinden, dass Fähigkeiten, die sie mitbringen, einen Wert bekommen? Auf diese Fragen haben die beiden Designer mit COSMO ihre persönliche Antwort gefunden. Handwerker und Designer lernen durch das Projekt nicht nur verschiedene Arbeitsweisen voneinander, sondern haben auch einen kulturellen Austausch von Wissen. Und über die Arbeit hinaus bringt dieser Austausch auch noch eine Sensibilisierung mit dem Thema Migration mit sich. „Ich habe Dinge erfahren, die ich vorher nicht wusste“, meint Angelika Burtscher. So kennt sie sich nun nicht nur in der politischen Situation Gambias aus, sondern weiß auch, wie die italienische Politik mit Flüchtlingen umgeht. Bakary sieht COSMO als Chance, um die Politiker von seinem Dableiben zu überzeugen. Er will die Kollektion mit in den Asylantrag aufnehmen und zeigen, wie gut er sich hierzulande bereits eingebracht hat.

„Der Charakter der Handwerker ist auf der ganzen Welt derselbe. Sie sind stur, aber wenn man den richtigen Draht findet, dann kann man wirklich gut experimentieren.“ Daniele Lupo

Eine positiver Nebeneffekt des Projekts könnte es also sein, dass Asylsuchende wie Bakary mit ihrer Kollektion etwas vorzuweisen haben. Außerdem können sie im Projekt Verbindungen knüpfen und so womöglich einen vereinfachten Weg in die Arbeitswelt finden. Als soziales Projekt wollen Lupo und Burtscher jedoch trotzdem nicht gewertet werden. „Das Finden eines Jobs liegt nämlich nicht mehr in der Verantwortung von COSMO“, meint Daniele Lupo. Eher sehen die beiden Designer im Projekt eine Vereinigung von Wissen aus verschiedenen Kulturen, aus der am Ende etwas wächst.

„Jedes der Objekte, die am Ende entstanden sind, trägt die Geschichte vom jeweiligen Handwerker, Traditionen und Kulturen in sich“, meint Angelika Burtscher. Verschenkt man ein solches Objekt, bringt man damit also auch das Thema Migration in den Alltag und der Flüchtlingsdiskurs wird ohne eigene Sensibilisierungskampagnen angesprochen. Dass die Prototypen, die im Bozner Büro stehen, vervielfältigt werden sollen, darüber ist man sich einig. Dazu muss Bakary nun aber noch eine Werkstatt finden. „Nur so kann er unser Businesspartner werden“, meint Burtscher. So einfach, wie das in unseren Ohren klingt, ist es aber nicht. Vom Staat werden Bakary sechs Monate Praktikum bezahlt – sollte er das Glück haben, überhaupt einen Praktukumsplatz zu finden. Danach ist er auf sich alleine gestellt und muss eine Anstellung bei einer Tischlerei finden. Auch wenn es Bakarys Traum wäre, als Tischler in Italien zu arbeiten, sind auch hier, bei einer Arbeitslosenquote von knapp 12 Prozent, die Aussichten zur Zeit nicht rosig. Während Bakary also eine Produktionsstätte sucht und seinen Rekurs abwartet, schmieden Lupo und Burtscher in ihrem Büro neben der Talstation der Jenesiener Seilbahn weiter Pläne. Bald soll eine edizione N°2 folgen. Der Kontakt mit drei Schneidern auf der Flucht, die derzeit im Hotel Alpi in Bozen untergebracht sind, steht schon.

Bakary schnitzt alles per Hand

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