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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 12.04.2016
LeuteAuf a Glas'l mit einer Naturfriseurin

Gift fürs Haar

Veröffentlicht
am 12.04.2016
„Wir Friseure sind die Handlanger der Kosmetikindustrie.” Als Friseurin arbeitete Beatrice Raas viele Jahre selbst mit Chemie – bis sie ganz auf Naturprodukte umstellte.
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Jede Haarfarbe mischt Beatrice Raas aus einem biologischen Pflanzenpulver.

Schon als Kind sagte Beatrice Raas: „Wenn ich nicht Friseurin werde, dann gehe ich zu Greenpeace.“ Greenpeace ist es nicht geworden, stattdessen entschied sie sich vor 31 Jahren für ihren Traumberuf Friseurin. 1997 machte sie sich selbstständig, seit 2007 betreibt sie einen Friseursalon in Laatsch im oberen Vinschgau. Es ist kein Salon mehr, wie man ihn normalerweise kennt. Vor zwei Jahren krempelte Beatrice Raas ihn komplett um: Chemie raus, Natur rein. Und das alles, weil sie in einer Friseurzeitschrift auf das Inserat einer Schule für Naturfriseure gestoßen war.

Anfangs zweifelte die 46-Jährige noch, ob sie umschulen sollte. Schließlich wurden die Seminare in der Nähe von Wien abgehalten, von samstags bis montags. Was sollte mit dem Salon passieren, wer sich in dieser Zeit um ihre damals fünf und sieben Jahre alten Kinder kümmern? Die Friseurin entschied sich trotzdem für die Umschulung: „Es war das Beste, was ich hätte tun können“, sagt die erste zertifizierte Naturfriseurin Südtirols heute. Seitdem nehme sie sich für jeden Kunden viel mehr Zeit. Oft sogar einen halben Tag nur für Beratung, Bürstenmassage, Färben mit Pflanzenhaarfarben und Haare schneiden.

Beatrice wohnt direkt neben dem Salon. Zum Treffen kommt sie ein bisschen zu spät. „Ich habe mir noch die Haare geföhnt“, erklärt sie im Vinschger Dialekt. Bei einem Bio-Kaffee beginnt das Interview.

Du bist ganzheitliche Haut- und Haarpraktikerin im Bereich der Naturfriseure. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Als Naturfriseurin versuche ich den Menschen ganzheitlich zu sehen. Im Vordergrund stehen die Gesundheit und die natürliche Ästhetik. Irgendwelche Trends sind nicht mehr vorrangig. Vor allem, weil nicht jeder Trend jedem steht. Umweltschutz ist eines vom Wichtigsten. Ich komme mit deutlich weniger Produkten aus, arbeite energiefreundlicher und verwende ausschließlich Naturkosmetik, die tierversuchsfrei hergestellt wurde und zu hundert Prozent abbaubar ist. Zum Färben verwende ich Pflanzenhaarfarben. Jeder Naturfriseur verzichtet auf die Chemie, die so manchen Friseur schon krank gemacht hat. Es gab viele Friseure in der Ausbildung zum Naturfriseur, die berufskrank waren und Krebs oder starke Allergien hatten.

Warum hast du dich für die Ausbildung entschieden?
Ich hatte immer schon den Drang, der Umwelt und den Tieren zu helfen. Und schon als Friseurlehrling habe ich viel darüber nachgedacht, was wir so durch den Abfluss spülen: Wo geht das hin und was passiert damit? Auch die Tierversuche in der Kosmetikindustrie haben mich immer schockiert. Ich habe also ständig auf Friseurmessen Ausschau nach Produkten gehalten, die der Umwelt nicht schaden. Aber ich habe nie sagen können: das ist es. Vor dreieinhalb Jahren habe ich in einer Friseurzeitschrift dann das Inserat „Zukunftschance Naturfriseur“ entdeckt. Damals war auch das Thema Pestizide sehr aktuell. Auch Hollawint entstand und ich wusste, ich muss etwas verändern. Meine Mama und mein Mann haben mich mit den Kindern unterstützt und so konnte ich mit der Ausbildung beginnen und meinen Friseursalon umstellen.

Hollawint besteht aus einer Gruppe von Frauen, die sich für ein pestizidfreies Mals einsetzen. Was hat es mit der Initiative auf sich?
Ich habe mit meinen Kunden oft über das Thema Umwelt und über Pestizide geredet. Ich bin zu Vorträgen der Umweltschutzgruppe Vinschgau gegangen, habe viele Bücher gelesen und Umweltdokumentationen angesehen. Damals gab es eine Umfrage, bei der 80 Prozent der Malser Gemeindebürger den Pestizideinsatz als bedenklich einstuften oder sogar ablehnten. Da es aber nach zwei Vorträgen der Umweltschutzgruppe Vinschgau von der Bevölkerung keine Reaktion darauf gab, habe ich zusammen mit einer meiner Kundinnen eine Lesebrief-Aktion gestartet. Daraus entstand dann zusammen mit weiteren Frauen Hollawint.

Hast du Kritik von deinem Umfeld erhalten, als du deinen Salon umgestellt hast?
Es gibt immer Leute, die hinter dem Rücken reden, wenn es um etwas Neues geht. Vor einem haben sie nicht den Mumm, etwas zu sagen. Viele haben sicher gedacht: Was macht sie denn jetzt? Spinnt sie? Ich verstehe aber auch, das sie skeptisch waren. Es war eben etwas ganz Neues.

Hast du auch Kunden verloren?
Kunden verloren habe ich ja schon einmal, als ich mich gegen die Pestizide geoutet habe. Und auch sonst sind einige Kunden weggefallen. Die Kunden wollen beim Friseur lieber entspannen, als über Umweltthemen zu reden, das verstehe ich auch. Viele waren aber auch froh über meine Entscheidung. Vor allem die, die schon bewusst etwa auf biologische Ernährung geachtet haben. Eben die, denen bewusst war, wie gefährlich die Chemie ist. Heute kommen meine Kunden auch aus dem Pustertal, Sarntal, Bozen oder Eisacktal. Und das bestätigt mich. Die Leute suchen die Alternative. Sie kommen von so weit her, teilweise sogar mit dem Zug, weil sie so umweltbewusst sind.

Nun werden sich aber einige Kunden die Frage stellen: Kann man mit den Pflanzenhaarfarben dasselbe Ergebnis erzielen wie mit herkömmlichen Produkten?
Ja und nein. Je nach Wunsch kann man wunderschöne Farben und Reflexe auch mit natürlichen Zusätzen und der Pflanze erzielen. Die Haare stark aufhellen oder schwarz färben kann man aber nicht. Trotzdem sollte man sich irgendwann einfach die Frage stellen, ob man um jeden Preis alles machen muss oder lieber auf seine Gesundheit achten sollte.

„Wir Friseure sind die Handlanger der Kosmetikindustrie.”

Worauf sollte man also achten, damit man sich selbst, der Umwelt und den Tieren nicht schadet?
Man sollte nur hochwertige Naturkosmetik kaufen, damit sicher keine Chemie drin ist und auch eine gerechte Entlohnung aller Arbeiter garantiert ist. Meine Produkte sind zum Beispiel alle Lebensmittel-zertifiziert, man könnte sie also sogar essen. (lacht) Sie sind tierversuchsfrei und werden im Sinne der Gemeinwohlökonomie produziert. Jeder verdient damit gerecht und es gibt keine Kinderarbeit. Man darf sich auch nicht von der Werbung blenden lassen: Kaufe nichts, was beworben wird. (lacht) Werbung verspricht einfach viel zu viel. Man sollte die kleingedruckten Inhaltsstoffe auf der Rückseite von Kosmetikprodukten lesen, online recherchieren und Produkte mit gewissen Stoffen einfach im Regal stehen lassen.

Was wären das für Stoffe?
Naturfriseure haben für Endverbraucher und interessierte Friseure eine Checkliste für Kosmetikinhaltsstoffe erstellt, die schädlich oder sogar hormoneigreifend oder krebserregend sind. Aber auch auf code-check.de oder ToxFox kann man sich Informationen über viele Inhaltsstoffe holen.

Beatrice bei einer individuellen Beratung im Salongarten. Sie nimmt sich Zeit.

In deinem Regal hier stehen nicht viele Produkte …
Ich muss nicht tausend Produkte haben, damit ich etwas Gutes mache. Das ist nur die Vorstellung der Industrie, die Geld machen möchte. Niemand braucht Packungen, Schaumfestiger oder sonst was, wenn die Haut und Haarstruktur nicht zuvor mit all den chemischen Zusätzen zerstört wurde. Ich habe meine Basisprodukte. Ein Shampoo oder Pflege und als Zusatz Öle, die ich je nach Beschaffenheit der Haut und Haare dazumische. Früher habe ich jede Menge von Vertretern gekauft. Sie loben jedes ihrer Produkt. Logisch, sie wollen ja auch verkaufen. Sie sind regelmäßig mit neuen Produkten gekommen und haben von Innovation und Technologie gesprochen. Das Wort kann ich schon nicht mehr hören. Technologie hat für mich nichts mit Natur zu tun. Als ich das erste Mal bei der Naturfriseurschule war, hat der Referent gesagt: Wir sind die Handlanger der Kosmetikindustrie. Das hat mich bestätigt, denn das habe ich schon lange gefühlt.

Nun gibt es seit 22. Februar 2016 die Bewegung bewusster Friseure …
Genau. Sie will den Endverbraucher und die Friseure sensibilisieren und informieren. Alle Friseure, berufskranke Friseure und Interessierte sind dazu eingeladen, sich die Facebookseite anzusehen und demnächst auch die Website. Dadurch hoffen wir, dass es in Zukunft mehr Naturfriseure gibt. Denn weitermachen wie bisher ist keine Option.

Müsste sich also die gesamte Friseurbranche ändern?
Ich verurteile die Friseure nicht, die so arbeiten wie bisher, das habe ich ja auch jahrelang gemacht. Aber man sollte langsam umdenken. Ich habe oft gehört: Ihr Friseure müsst still sein, ihr verwendet das schlimmere Gift. Und es gibt einem zu denken, wenn ein Verwender von Pflanzenschutzmitteln so etwas sagt. Das ist auch das, was mich anreibt. Man darf nicht nur Landwirte an den Pranger stellen, ebenso wenig aber nur uns Friseure. Jede Hausfrau muss anfangen, darüber nachzudenken was sie im Garten verwendet, welche Putzmittel sie benutzt und was sie beim Essen auf den Tisch stellt.

Was würdest du dir für die Zukunft wünschen?
Ich wünsche mir, dass sich noch mehr Friseure für diesen Weg entscheiden. Und das Thema Naturfriseure muss auch in Berufsschulen Thema werden. Die Jugend ist offen und bereit für den neuen Weg. Sie versteht, dass wir vieles gut machen können, wenn die Möglichkeit dazu geboten wird. Für mich ist das ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz.

„Weitermachen wie bisher ist keine Option.”

Hast du abschließend noch Tipps für gesundes Haar?
Die täglichen hundert Bürstenstriche aus Naturborsten sind ein Jungbrunnen für die Kopfhaut und das Haar. Gut für die Blutzirkulation ist das regelmäßige Bürsten gegen den Wuchs. Die Haare sollte man am besten gar nicht färben und wenn, dann nur mit reiner Pflanzenhaarfarbe. Vorher sollte sich aber jeder von einem kompetenten Friseur beraten lassen. Henna ist dabei eine ganz tolle Sache. Aber Achtung: Manche vermeintlichen Naturprodukte haben leider auch Chemikalien drin. Darauf sollte man achten, denn Chemie und Naturkosmetik gemischt ist ganz schlecht. Ein Tipp: Shampoo muss nicht extrem schäumen, da es dann meist scharfe Tenside enthält. Und wenn ein Kosmetikprodukt einen sehr starken Duft hat, ist es meist mit gesundheitsschädlichen aromatischen Aminen versehen. Zusätzlich zur Pflege ist eine vitalstoffreiche Ernährung das Um und Auf. Gut ist vollwertige Kost und Vielfalt auf dem Teller, Produkte die regional, saisonal und biologisch sind. Auch Hirse ist gut für Haut und Haar. So können Haare gesund wachsen und bleiben schön.

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