Kaspar, Melchior und Balthasar. So heißen sie, die Heiligen Drei Könige, die wir morgen feiern. Und ich musste sie gerade googlen – was bereits viel über unsere Generation aussagt. Zu lange ist es her, dass ich diese drei Namen in einem Zug ausgesprochen habe. Ich war schon damals lieber der Sternträger als einer der Könige, als ich an diesem Tag noch verkleidet von Haus zu Haus zog, um Spenden für arme Kinder zu sammeln und Weihrauch-Päckchen auszuteilen. Weihrauch mag ich nämlich, Religionen eher weniger. Und damit bin ich nicht alleine. Unsere Generation hat es aufgegeben für Gesundheit, Glück und Zufriedenheit zu beten, sie hat verstanden, was Religionen angerichtet haben und sich dazu entschieden, stattdessen einfach an den Fluss des Lebens zu glauben.

Losing my religion?
Während Oma und Opa sonntags extra früh aufstehen, um fein herausgeputzt pünktlich in der Kirche zu stehen, schlafen wir lieber unsere durchtanzte Nacht aus oder starten eine Bergtour. Wir tragen Rosenkränze als Modeaccessoire und machen einen Sonnengruß, anstatt ein Vater Unser zu beten. Und wenn wir fasten, dann entweder um abzunehmen oder um unseren Alkoholkonsum für einen Monat lang einzustellen, aber bitte doch nicht, um unsere Sünden zu bereuen. Wahrscheinlich bin ich deshalb auch nicht aufgestanden, als ich vor einigen Wochen nach ewigen Zeiten wieder einmal in der Kirche war und zum Pfarrer schreiten sollte, um mir meine Sünden unter seinen ausgestreckten Händen vergeben zu lassen. Ich mag meine Sünden nämlich. Jede einzelne. Schließlich sind sie die großen Lehrer unseres Lebens.

Schleichend aber sicher hat die Religion uns so über die Generationen hinweg leise zum Abschied gewunken. Während unsere Eltern noch kläglich versucht haben, uns ab und an in die Kirche zu schleppen, uns aus der Kinderbibel vorzulesen oder vor dem Einschlafen ein „Jesukindlein mein“ zu beten, ist die Religion in unserem Alltag nur noch seltener Gast. Aber – wenn auch meist unerwünscht – trotzdem immer noch präsent. Mit ihren zehn Geboten sollte sie so nämlich gute Menschen, Nächstenliebe und Frieden bringen, macht aber genau das Gegenteil. Es sind Kriege und Terror, die wir auf ihre Rechnung schreiben und uns wohl deshalb so gerne von ihr distanzieren. Religion hat in unseren Augen Blut gebracht. Inquisition, Mord oder die Anschläge auf Charlie Hebdo. Zu viel haben unsere Vorfahren bereits gesehen und wir haben es nun endgültig satt. Also werden wir dem Ypsiloner-Ruf erneut treu und revolutionieren: Wir schlagen eine neue Glaubensrichtung ein. Glauben heißt nämlich hinter dem zu stehen, was man für möglich und wahrscheinlich hält. Und glauben heißt auch, gefühlsmäßig von der Richtigkeit der Sache, an die man glaubt, überzeugt zu sein. Sind wir im Falle unserer Religion aber nicht!
Deshalb sind Religionen für uns nicht mehr Bibel, Koran oder die Zehn Gebote, sondern Individualität. Wir glauben einfach an das, was wir wollen. Sei es Krishna, Superman, Mutter Natur oder eben an uns selbst. Wir glauben an das, was wir selbst gesehen haben, während wir die Welt bereist und andere Kulturen kennengelernt haben. Und wir glauben an den Glauben, dass die Welt irgendwann vielleicht doch besser wird. Auch ohne Religion.