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Irina Angerer
Veröffentlicht
am 19.02.2024
LeutePorträt über einen Klimaaktivisten

„Endlich was bewegen“

Veröffentlicht
am 19.02.2024
Manchmal steht Jakob Dellago auf der Bühne, auf der er Texte vorträgt, oder hinter der Kamera, um Filmprojekte umzusetzen. Immer öfter ist er aber auf der Straße unterwegs, um mit Gleichgesinnten gegen klimafeindliche Politik zu protestieren. „Mich nervt die Ignoranz vieler Leute, ich gehe ja nicht auf Proteste, weil es mir gerade Spaß macht“, sagt der Brixner.
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credits_ moritz holzinger

Wäre Jakob Dellago eine Figur in einem Simulations-Computerspiel, dann hätte er wahrscheinlich schon die Hälfte aller möglichen Lebens- und Karrierewege durchgespielt. Und das obwohl er erst 25 Jahre alt ist. „Ich weiß, ich weiß“, sagt Jakob lachend, als er darauf angesprochen wird. „Ich mache einfach gerne verschiedene Sachen.“ Nach der Oberschule programmierte Jak – so nennen ihn Freund:innen – Webseiten, nebenbei spielte er Theater, stand als Poetry Slammer auf der Bühne im Ost West Club in Meran, ja sogar Sportlehrer an einer Mittelschule war er. Dellago kandidierte für den Brixner Gemeinderat, studierte Philosophie in Bologna, führte Regie bei einem Theaterstück oder organisierte einige Kulturveranstaltungen im Kulturzentrum Astra und im Hofburggarten in Brixen. Vor dreieinhalb Jahren zog Jakob Dellago dann nach Wien. Dort wohnt er zusammen mit seinem guten Freund Moritz im 6. Gemeindebezirk.

Sein Mitbewohner war auch der Grund für sein Political Awakening, wie der Mittzwanziger erzählt. Zusammen mit Freunden war er im Auto auf dem Weg in die Toskana, ein gemeinsamer Urlaub. Er schaute aus dem Fenster, die vorbeiziehende Landschaft beobachtend und fragte laut: „Du Moritz, wos passiert eigentlich, wenn mor die Klimaziele net erreichen?“ Das war der Tag, an dem Dellago sich das erste Mal wirklich Gedanken über die Erderwärmung machte. „Über Klimakrise informieren“ stand nach der Fahrt in seinem Notizbuch. Während er sich erinnert, schaut er auf die Straße, ganz so, als wolle er sich in die Situation im Auto zurückversetzen. „Ich wusste schon, dass etwas total falsch läuft, aber halt nicht, wie schlimm die Situation rund um die Erderwärmung wirklich ist“, sagt er und fügt hinzu: „Früher hatte ich das Klischee von Ökos und Esoteriker:innen im Kopf, wenn ich an solche Proteste gedacht habe. Da habe ich mich geirrt.“

„Da hatte ich anfangs echt Angst und habe gezittert.“

Jakob Dellago begann zu recherchieren, las viel und informierte sich eingehend über die Auswirkungen des Klimawandels. Über unbewohnbare Lebensräume, Massenmigration, Lebensmittel- und Wasserknappheit, Pandemien und andere Krankheiten. Punkte, die er auch während des Gesprächs immer wieder aufzählt. Sein Mitbewohner war es wiederum, der ihn vor einem halben Jahr zum ersten Mal zu einer Protestaktion der „Letzten Generation“ mitnahm. „Da hatte ich anfangs echt Angst und habe gezittert“, erinnert sich Dellago. „Die Stimmung war sehr emotional, aber auch schön.“ Einen Monat später ging er zum ersten Mal zu einem Treffen. „Was gibt es zu tun?“, fragte er damals. Kurz darauf organisierte Dellago dann einen Rave auf dem Karlsplatz in Wien, um Gleichgesinnte zusammenzubringen. Gleichzeitig nahm er an Trainingseinheiten für Protestsituationen teil, schloss sich der Mobilisierungsgruppe an und versuchte neue Leute vor den Universitäten zu Informationsabenden zu gewinnen.

Es kommt selten vor, dass Jakob Dellago wütend wird. Freunde beschreiben ihn als „brutal a netter Mensch und ollm happy.“ Wäre er eine Farbe, wäre er „Gelb“, wie er selbst sagt – die Farbe, die für Heiterkeit steht. Außer es geht um Ungerechtigkeiten, da wurde in der Vergangenheit schon einmal hitzig diskutiert, auch innerhalb der Freundesgruppe, erzählt er. Obwohl Jakob Dellago gerade über eine Situation spricht, wo er „richtig sierig“ war, lächelt er: „Zum Glück war das nur selten der Fall. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass das, was ich sage, auch viel mehr ankommt.“ Damit meint er die Situationen, in denen er vor der Klimakrise warnt. „Mich nervt die Ignoranz vieler Leute, ich gehe ja nicht auf Proteste, weil es mir gerade Spaß macht.“ Seine Eltern und die beiden Geschwister unterstützen ihn, finden gut, wie er sich für das Klima einsetzt. Dellago muss lachen: Denn als Kind ärgerte sich Dellago darüber, dass seine Familie kein Auto hatte. „Ich fand das damals richtig uncool.“

Jakob Dellago: „Ich bin ein sehr visueller Typ“.

Eigentlich studiert Jakob derzeit Theater-, Film- und Medienwissenschaften. Für die Uni hat er aufgrund seines Engagemens für die „Letzte Generation“ momentan etwas weniger Zeit. Auch weil er nebenher als freischaffender Filmemacher arbeitet. „Es gefällt mir, Konzepte auszuarbeiten, die Leute zusammenzustellen und nebenbei ein bisschen Geld zu verdienen. Ich bin ein sehr visueller Typ.“ Seit zwei Jahren arbeitet Jakob Dellago im Business und es läuft gut: Neben Werbevideos für Hotels und Vereine produzierte Dellago auch schon eine Kampagne für das Land Südtirol. Wie sehr er für die Filmkunst brennt, sieht man auch an seinem Instagram-Profil: Fotos von Protesten, Stories mit Infos über fossile Energieträger, dazwischen immer wieder mal ein Video. Eines trägt den Titel „Tropea“: Im Mittelpunkt steht er selbst und seine Freundin auf einem Strand im Sommer an der Küste Kalabriens. Es zeigt Bilder von grauen Felsen und Häusern, von Möwen, die vor blauem Himmel herumkreisen, Sonnenuntergänge über dem Meer, Körper aus verschiedenen Perspektiven und Nahaufnahmen von Augen und Lippen. Filme zu machen, das sei etwas, was sich Jakob auch für die Zukunft vorstellen kann, sagt er.

„Ich habe mich selbstwirksam gefühlt. Ich habe in dem Moment das Gefühl gehabt, dass ich endlich was bewegen kann.“

An Halloween im letzten Jahr gab es einen Protest in Wien. Unter dem Motto: „Was ist gruseliger als eine Regierung, die nichts gegen die Klimakatastrophe tut?“ spazierten die Mitglieder der „Letzten Generation“ in einem sogenannten Slow March auf der Straße neben der Wiener Secession. Ziel war es, so langsam wie möglich zu gehen, den Autoverkehr aufzuhalten: ziviler Ungehorsam. Hinter dem Banner, mitten im Geschehen, und mit einer neonfarbenen Warnwesten bekleidet, spazierte auch Jakob. Als sich die Polizei den Protestant:innen in den Weg stellt, wurde geklebt. Die Polizist:innen fingen an, die Leute vom Boden zu lösen. „Mittlerweile wissen sie, mit welchen Mitteln das am schnellsten geht“, weiß Dellago. Wenig später fand sich Jakob in einer Sammelzelle im Polizeianhaltezentrum wieder. Ob Jakob Angst hatte? „Kurz ja. Aber viel mehr habe ich mich selbstwirksam gefühlt. Ich habe in dem Moment das Gefühl gehabt, dass ich endlich was bewegen kann.“

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