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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 03.12.2014
LeutePorträt über eine Legende

Eins, zwei, drei, tanz!

Veröffentlicht
am 03.12.2014
„Tanzen gehört zur Allgemeinbildung“, sagt Renate Spetzger. Die Bozner Tanzlehrerin bringt bereits der vierten Generation das Tanzen bei.
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Renate Spetzger öffnet die Tür ihrer geichnamigen Tanzschule. Sie trägt einen schwarzen Strickpullover mit weißem Peace-Zeichen auf der Brust. Ihre Haare trägt sie locker, die Fingernägel sind in einem satten Dunkelblau lackiert. Neben klassischen Tänzen werden hier auch Ballett, Breakdance, Hip Hop und Sporttraining unterrichtet.
Spetzger setzt sich auf einen roten Samthocker im Eingangsbereich. Ein Bein angewinkelt – so wie Schüler es oft machen, bevor sie dafür vom Lehrer gerügt werden. Die Boznerin ist eine kleine Legende in Bozen. Ihr Alter behält sie für sich, obwohl viele ihrer ehemaligen Tanzschüler darauf brennen, es zu erfahren. Von vielen Schülern, die sie zurzeit unterrichtet, hatte sie nicht nur Mutter und Großmutter, sondern auch die Urgroßmutter unter ihren Fittichen. „Ich versuche immer, das Beste zu geben, auch wenn ich jetzt alt bin“, sagt sie und lacht.

Tanzen, statt saufen

Spetzger wohnt im zweiten Stock des Gebäudes, ein Stockwerk über der Tanzschule. Und doch fühlt sie sich hier unten wohl mehr zu Hause. Seit 45 Jahren lernt sie in diesem Raum den Boznern das Tanzen. Die Schule gibt es seit den 50er-Jahren und genau in diese Zeit fühlt man sich auch zurückversetzt, wenn man sie betritt. Der glatte Boden spiegelt das Licht der Deckenlampen und der Fensterfront, die mit bodenlangen Vorhängen verdeckt ist. Eine Seite ist mit einer Spiegelwand verkleidet, an der gegenüberliegenden ist eine Stange montiert – für die Balletttänzer. Das Klavier in der Ecke dient nur noch als Ablage für Pokale.

Die Tanzschule ist Spetzgers Zuhause.

„Den Raum kennen die meisten Bozner“, lacht Spetzger, während sie die Vorhänge aufmacht. Hunderte von ihnen haben hier schon das Tanzen gelernt. Wenn es nach der Tanzlehrerin geht, sind das immer noch zu wenige. „Tanzen gehört zur Allgemeinbildung“, sagt sie bestimmt und meint damit die Standardtänze, die hierzulande immer mehr in den Hintergrund rücken. Dabei gebe es im Leben immer wieder Situationen, in denen man tanzen können müsse – nicht zuletzt auf der eigenen Hochzeit. Hochzeitspaare habe Spetzger massenhaft im Unterricht. Und wenn sie nicht bereits als Jugendliche einen Tanzkurs besucht haben, tun sie sich schwer. „Bis sie es können, mergelt man oft zehn Stunden. Das beste Beispiel ist der Bürgermeister von Bozen. Der kann auch nicht tanzen“, sagt Spetzger und lacht.

„In Südtirol wird das Tanzen einfach nicht so gepflegt wie etwa in Österreich oder Deutschland. Auf einem Ball sitzen die Eltern im Saal gelangweilt herum, während die Jugendlichen hilflos dastehen oder sich betrinken.“

„In Südtirol wird das Tanzen einfach nicht so gepflegt wie etwa in Österreich oder Deutschland. Auf einem Ball sitzen die Eltern im Saal gelangweilt herum, während die Jugendlichen hilflos dastehen oder sich betrinken“, sagt Spetzer. Eine Ausnahme sei der „Fränziball“, der Abschlussball des Franziskanergymnasiums. Dort werde das Tanzen noch zelebriert. Spetzger bereitet die Gymnasiasten auf den großen Abend vor. Sie lehrt ihnen die berühmte Polonaise und die mitternächtliche Tanzeinlage. So lange, bis alles sitzt. Darauf legt sie großen Wert.

Sich der Musik hingeben

In all den Jahren hat Spetzger viel erlebt. Sie hat einige Schüler über zehn Jahre begleitet. Ihre Erfolge und Fortschritte miterlebt, sich über sie geärgert und sich mit ihnen gefreut. Aus vielen Schülern wurden Freunde. Einer von ihnen ist Martin Zanotti, erfolgreicher Balletttänzer. Mit sieben Jahren hat er bei Spetzger angefangen, mit zwölf gewann er bei einem Wettbewerb ein Stipendium und wurde schließlich Berufstänzer. Jetzt bereist er die ganze Welt. Jedes Mal, wenn er nach Bozen kommt, tanzt er aber in Spetzgers Ballett mit. Auf ihn ist die Lehrerin besonders stolz. Auch auf ihre Schülerinnen. Eine davon hat bereits mit dreieinhalb Jahren angefangen, Ballett zu tanzen und mit 19 ihre Hip-Hop-Ausbildung gemacht. Jetzt unterrichtet sie selbst in Spetzgers Tanzschule und bringt den Leuten das Tanzen bei.

„Viele lernen es nie“, sagt Spetzger nach 45 Jahren Berufserfahrung. Die Schritte könne jeder lernen, auch wenn es bei einigen länger dauern würde. Doch das allein reiche nicht. „Sie versuchen, den einstudierten Schritt zu machen, hören aber den Takt nicht und haben kein Musikgefühl. Das ist nicht Tanzen. Tanzen ist, den Schritt auf die Musik auszuüben“, sagt Spetzer. Deswegen sehe es auch bei jedem ein bisschen anders aus. Jeder habe eine andere Art, sich der Musik hinzugeben.

Hier lernt bereits die vierte Generation das Tanzen.

Ein Leben lang tanzen

In Spetzgers Tanzschule kommen auch Liebesgeschichten nicht zu kurz. Das war früher schon so und kommt auch heute regelmäßig vor. „Es ist immer nett, wenn sich ein Paar findet. Vor allem, wenn sie im Alter von 16, 17 Jahren sind“, sagt Spetzger und grinst. Die Leidenschaft Tanzen verbindet eben.
Spetzger, die als Kind von Regensburg nach Südtirol kam, hat ihre Leidenschaft früh entdeckt. Damals war der Besuch einer Tanz- oder Ballettschule aber noch undenkbar. Zu tanzen begann sie deshalb erst mit 16 Jahren. In dieser Zeit lernte sie auch ihren Mann kennen, der die Tanzschule gegründet hat. Spetzger machte die Tanzlehrerprüfung für Gesellschaftstanz, dann eine Ausbildung für Ballett in Rom.

Lieblingstanz hat sie keinen. Alle Formen, ob Breakdance, Ballett oder Modern gefallen ihr, sofern gut getanzt wird. Auch Hip-Hop gehört dazu. „Aber alles mit einer gewissen Klasse“, sagt Spetzger, die durchschnittlich fünf Stunden pro Tag tanzt. Nur noch beruflich, denn seit dem Tod ihres Mannes habe sie kein Interesse an einem neuen Tanzpartner. Es sei schwer, einen geeigneten zu finden. In ihrer Freizeit geht sie deshalb lieber auf den Berg oder im Wald spazieren, „wenn es geht alleine, weil dann kann ich tun, was ich will.“ Am Abend geht sie gerne schön essen, mit Musik und Kerzenlicht. Auch mit ihren ehemaligen Tanzschülern.

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