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Matthias Mayr
Veröffentlicht
am 30.04.2019
LeuteAuf a Glasl mit Biostatistiker Markus Falk

Eine Art Dr. House?

Veröffentlicht
am 30.04.2019
Markus Falk beschäftigt sich tagtäglich mit Medizin und Zahlen. Ein Interview über die Sorgen von Impfgegnern, Kaiserschnitte und Nebenwirkungen.
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Markus Falk

Der Brunecker Markus Falk ist Biostatistiker. Ein Beruf, der vielen Menschen unbekannt ist, was schon mal dazu führen kann, dass er bei einer Veranstaltung als Biostatiker angekündigt wird. Mit der Statik von Bäumen beschäftigt sich der Mathematiker und Wissenschaftsexperte aber nicht, sondern vielmehr mit Statistiken im medizinischen Bereich. Neben seiner freiberuflichen Tätigkeit als statistischer Berater ist Falk auch Universitätsdozent an der Claudiana, wo er – wie er selbst sagt – „sehr theoretische Lehrveranstaltungen“ hält und schon froh ist, „wenn die Studentinnen verstehen, was ein p-Wert ist“.

Herr Falk, ich lese seit einiger Zeit Ihren Blog und muss gestehen, ich verstehe auch nicht viel. Wie kommt man zu so einem Job?
Ich bin ausgebildeter Mathematiker. Mathematik ist eine Hilfswissenschaft, die macht alleine wenig Sinn, sie muss angewandt werden. Ich habe wohl bei den Vorlesungen immer wieder ‘blöde’ Fragen gestellt und wurde eingeladen, ins Institut für Biostatistik der Uni Innsbruck hineinzuschnuppern. Ich habe dann dort meine Diplomarbeit geschrieben und bin hängengeblieben.

Und jetzt werden Sie von Pharmafirmen engagiert, die eine Studie gemacht haben und jemand brauchen, der sie interpretiert?
Das beginnt schon viel, viel früher. Wir begleiten die klinische Forschung an den Unikliniken, überwachen die klinischen Studien von Anfang bis Ende, begleiten bei der Planung, legen Fallzahlen fest, machen die Erhebungsbögen, die Qualitätskontrolle bis hin zu Auswertung und Unterstützung bei der Publikation.

Sind Sie eine Art Dr. House, der bei aussichtslosen Fällen herausfinden muss, was der Patient hat?
Ja, ich werde meist erst eingebunden, wenns schwierig wird. Ich muss erst verstehen, wo das medizinische Problem liegt. Dann muss ich mir über die Zahlen, die wir haben, auf das Ganze einen Reim machen.

Was ist der Unterschied zwischen Durchschnitt und Einzelfall? Das wird ja oft missverstanden.
Wir haben es da mit der Erkenntnistheorie zu tun: Was kann ich überhaupt wissen? Ich kann nie die Wahrheit wissen, nur Falschheit zeigen. Das führt zu Missverständnissen. Zum Beispiel kann ich relativ leicht beweisen, dass mein Partner untreu ist, indem ich ihn erwische. Aber ich kann nie beweisen, dass er treu ist. Das müssen wir glauben. In der Medizin ist es nicht anders. Ich nehme ein Medikament in der Hoffnung, dass es mir hilft. Ich muss dran glauben. Denn eine hundertprozentige Sicherheit, dass es hilft, gibt es nicht. Eine große Wahrscheinlichkeit, aber keine Sicherheit. Ob ich zu den zehn Prozent gehöre, denen es nicht hilft, kann niemand sagen. Der Durchschnitt ist nur eine Orientierung. Aber das wird oft nicht klar kommuniziert. Jeder sieht nur den Einzelfall.

Bei einer Diskussion nach dem Film „Die sichere Geburt“ sagten Sie, es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse und diesen widersprechende Behandlungsmethoden. Aus Gewohnheit. Wie kann so etwas sein?
Es gibt jede Menge Widersprüchlichkeiten zwischen dem, was wir wissen, und dem, was wir machen. In der Geburtshilfe gibt es sehr viele Vorgaben, es dauert unheimlich lange, bis sich neue Methoden etablieren. Wir wissen, dass man einiges besser machen könnte und sollte, aber wer veranlasst das? Wenn ich in der Klinik bin und einen funktionierenden Ablauf habe, wieso sollte ich mir das Leben schwermachen und den umstellen? Das ist menschlich.

„Man müsste die Courage haben, auf gewisse Dinge zu verzichten.”

Wie kann das sein? Ein Arzt, eine Hebamme werden wohl ein Interesse haben, die beste Methode anzuwenden, offen für Neues zu sein?
Die Gesellschaft wandelt sich. Früher hatten die Ärzte nach dem Studium wenig Zugang zu Informationen. Das ist heute besser. Aber auch der Patient hat diese Infos. Heute fragt der Patient verstärkt nach der Sinnhaftigkeit der Behandlung und hinterfragt. Wir gingen von innovativ zu defensiv über. Viel wird gemacht, damit der Arzt rechtlich abgesichert ist – egal, ob es notwendig ist. Deshalb werden auch eigenartige Dinge gemacht. Man müsste die Courage haben, auf gewisse Dinge zu verzichten. Aber diese Courage fehlt.

Wer müsste da eingreifen?
Die Fachgesellschaften, aber die gibt es praktisch nicht mehr. Unabhängige Fachleute, aber mir fällt keiner ein. Man muss sich nur anschauen, wer die Kongresse organisiert. Das sind oft Vereine, aber auch die haben Interessen. Es gibt zum Beispiel Vereinigungen für die Krebsforschung. Ich kann einen Verein für Betroffene haben, aber für die Forschung? Forschung sollte doch die Uni machen! Aber die tut es nicht mehr. Da kommt halt dann die Pharma und finanziert die Vereine. Ich rede nicht von Bestechung, aber wenn mir jemand Geld gibt, entsteht im Kopf eine Schuld. Ich werde mich revanchieren.

Gehen wir in medias res, und beginnen wir gleich mit der am heftigsten geführten Debatte: das Impfen. Warum wird gerade da so emotional gestritten?
Die Debatte wird nur emotional, wenn es eine Pflicht gibt. Sonst ist es eine Option, die ich wähle oder nicht. Wobei, Pflicht ist relativ, ich kann zum Impfen ja nicht gezwungen werden.

„Impfungen sind sicher, aber nicht zu hundert Prozent.”

Also eine müßige Debatte?
Impfungen sind sicher, aber nicht zu hundert Prozent. Aber wenn ich erkranke, bin ich auch nicht sicher, dass ich wieder völlig gesund werde.

Ich lese aus Ihren Blogbeiträgen, Sie sind fürs Impfen, aber gegen die Pflicht?
Da sind wir wieder beim Durchschnitt. Impfungen bringen insgesamt mehr Nutzen als Schaden. Das können wir belegen. Also ist impfen sinnvoll, wir profitieren davon. Aber das gilt nicht immer auch für den Einzelnen.

Impfgegner gelten als kleine, aber laute Minderheit.
Wir haben Impfgegner, weil wir Ängste nicht ernst nehmen. Ich muss die Leute ernst nehmen, auch wenn sie noch so einen Käse reden. Auf der anderen Seite gibt es fanatische Impfer, die würden am liebsten gegen alles impfen. Der Großteil der Menschen ist in der Mitte und weiß nicht wohin.

Wieso wird Druck ausgeübt? Wenn wir zeigen können, dass Impfen was bringt, müsste es doch jeder tun.
Aber ich weiß nicht, ob ich die Impfung gut vertrage. Die Einzelperson muss entscheiden und das Risiko übernehmen. Es gibt Kinderärzte, die nur impfen, wenn das Kind hundertprozentig gesund ist. Aber es gibt Studien, die sagen, man kann auch bei leichtem Fieber impfen. Da muss der Einzelne entscheiden, ob und wann ich impfe. Aber als Fachwelt muss es mir gelingen, den einzelnen Bürger so zu informieren, dass er entscheiden kann.

Wie kann sich der Einzelne informieren? Der vielleicht nicht ungebildet ist, offen, interessiert, aber total überfordert und keine Ahnung hat, wie er entscheiden soll.
So geht es den meisten. Der Einzelne wird sich wohl nicht einlesen, sondern er wird seine Angehörigen fragen oder seinen Arzt. Dieses Feedback reicht normalerweise, um eine Entscheidung zu treffen. Wenn die Leute im Umfeld sagen, die Impfungen verliefen problemlos, werden sie auch impfen, wenn jemand schlechte Erfahrungen gemacht hat entscheiden sie sich vielleicht dagegen. Der normale Mensch entscheidet nur so.

„Nebenwirkung gibt es, und einen wird’s treffen.”

Sie können auch nicht helfen?
Ich kann niemandem die Entscheidung abnehmen. Ich kann erklären, was die Vor- und Nachteile sind. Aber ich kann nicht sagen, impfe oder impfe nicht. Ich kann sagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit etwas eintritt, aber ich kann nicht sagen, ob es eintritt. Nebenwirkung gibt es, und einen wird’s treffen. Wobei ich selten etwas auf eine Impfung zurückführen kann. Wir wissen bei einer Nebenwirkung nie, ob die Impfung diese ausgelöst hat, oder ob das auch so passiert wäre. Eine Impfung kann eine Immunreaktionen auslösen, die sonst halt etwas später ausgelöst worden wäre, vielleicht von einer Infektion.

Ihr Tipp?
Für Skeptische empfiehlt es sich, sich mit den Folgen der eigenen Fehlentscheidung auseinanderzusetzen. Wenn ich nicht impfe und das Kind wird krank, was kann schlimmstenfalls passieren? Mache ich mir dann einen Vorwurf? Und wenn ich impfe und das Kind erleidet einen Impfschaden, was kann schlimmstenfalls passieren? Werfe ich mir das vor, oder akzeptiere ich das Restrisiko? Mit welcher Fehlentscheidung komme ich besser zurecht?
Manchmal kann man nicht alles wissen, manchmal muss man aus dem Bauch entscheiden. Und ein Risiko eingehen, auf die Gefahr hin, dass es schiefgeht.

Sie sagen, dass Erwachsene durch Infektionskrankheiten am meisten bedroht seien aber die Gesundheitspolitik nur von Kindern spreche. Dabei sind zum Beispiel Masern bei Erwachsenen schlimmer als bei Kindern.
Mehr als die Hälfte der Masernerkrankten 2018 in Italien waren über 25. Im Jahr 2019 ist der Großteil der bisherigen Fälle, 85 Prozent, über 15 Jahre alt und somit dem Erwachsenenalter zuzurechnen. Masern verändern das Immunsystem. Ich verliere bei der Krankheit einen Teil meines Immungedächtnisses. Da fehlt dann was. Je älter ich werde, desto seltener habe ich Infektionskrankheiten. Aber nicht, weil ich fitter bin, sondern weil ich mit vielen Erregern schon Bekanntschaft machte und sie im Immungedächtnis abgelegt habe. Die Masern nehmen einen Teil dieses Immungedächtnisses. Ein Kind kann das regenerieren, ein Erwachsener kaum. Das wird komplett unterschätzt. In Italien hat man nicht konsequent durchgeimpft, in Österreich ebensowenig. Da wird noch einiges auf uns zukommen.

Trotzdem reden wir nur über Kinder.
Noch besteht kein Interesse an der Debatte. Wenn ein dreißigjähriger Südtiroler an Masern sterben würde, wäre das statistisch nichts Besonderes. Aber die Debatte käme ordentlich in Schwung.

Ein Schlagwort bei Impfgegnern sind die Trägerstoffe, sprich Aluminium im Impfstoff.
Dazu wissen wir vieles noch nicht. Ich wäre froh, gäbe es eine Alternative. So wie man mittlerweile Quecksilber weglässt, weil man es eigentlich nicht braucht. Dann bin ich zufällig auf die alternativmedizinische Methode des „kolloidalen Silbers“ gestoßen. Ich hab mir das angeschaut, und es ist genau das gleiche wie das Aluminium in den Impfstoffen. Der Unterschied ist, eines nehmen sie freiwillig und glauben, dass es hilft, und beim Impfstoff ist es ein Riesenproblem. Ich sehe beides problematisch, fürchte mich aber auch vor beidem nicht.

„Die Resistenzen kommen nicht davon, dass wir so viel Antibiotika verwenden, wir züchten sie uns, weil wir es falsch verwenden.”

Antibiotika wird oft und gern verschrieben. In der Apotheke bekomme ich es bei einer Bindehautentzündung auch ohne Rezept. Wie finden Sie das?
Wenn Sie eine Augenentzündung haben – also Bakterien im Auge, die Entzündung ist die Immunreaktion des Körpers darauf – ist Antibiotika das effizienteste Mittel. Sie können das Auge auch auswaschen, aber wenn Ihnen nur eine einzige Bakterie entwischt, haben Sie nach zwei Tagen wieder dieselbe Entzündung, denn Bakterien vermehren sich in kurzer Zeit unheimlich stark. Mit Augentropfen bleibt das Antibiotika auch lokal und wenn Sie das vernünftig einsetzen, also lang genug, kann sich keine Resistenz bilden. Die Resistenzen kommen nicht davon, dass wir so viel Antibiotika verwenden, wir züchten sie uns, weil wir es falsch verwenden. Wenn ich es zu früh absetze, bleibt eine Bakterie übrig und wird durch Mutation vielleicht resistent – und dann habe ich ein Problem. Wir müssen schon den Kindern erklären, wie man Medikamente verwendet.

Was hat es mit der Veränderung des Darms durch Antibiotika auf sich?
Wenn das Antibiotikum in die Darmflora kommt, hemmt das die Darmbakterien. Man verliert Keime. Wenn Antibiotika einen Teil der Darmflora zerstört, dauert es sehr lange, bis sich diese regeneriert. Das hat gesundheitliche Auswirkungen. Also muss ich mir gut überlegen, wann ich Antibiotika einsetze. Aber wenn ich eine starke Entzündung habe, nützt oft nur Antibiotika. Ich könnte den Folgen mit einer Eigenstuhlspende entgegenwirken. Da wird eine Stuhlprobe entnommen und getrocknet, bevor ich das Antibiotikum nehme. Nach der Antibiotikabehandlung wird der Stuhl geschluckt oder wieder eingespritzt. Aber das wird nicht propagiert, dabei ist es das Beste, das ich tun kann.

Ein Kaiserschnitt kann Leben retten. Sie schreiben aber, da solche operative Eingriffe fast ohne Komplikationen durchgeführt werden können, habe dies in den letzten 20 Jahren aus Vorsicht oder Bequemlichkeit dazu geführt, dass die Kaiserschnittraten ansteigen, obwohl dies kontraindiziert sei. Mit etwa 25 Prozent Kaiserschnitten liegt Südtirol um 10 bis 15 Prozent über dem WHO-Soll. Wo sehen Sie das Problem?
Warum sind Sonntagskinder heute die Ausnahme? Weil ich mir die Kaiserschnitte schön auf den Werktag legen kann. Ein Kaiserschnitt ist planbar, eine natürliche Geburt nicht. Aber Kaiserschnittkinder entwickeln sich später anders. Das Immunsystem schaut anders aus. Das Stillverhalten, allgemein die Mutter-Kind-Beziehung ist anders. Auch die Mutter muss unter Umständen mit Konsequenzen rechnen, wie einer abnormalen Plazentaablösung oder einem erhöhten Risiko einer Uterusruptur. Ein Kaiserschnitt ist oft nötig. Aber der Arzt muss mit den Eltern das Thema offen ansprechen. Bei der Geburt, wie auch bei der Ernährung, haben wir unglaublich viele Studien, die aber sehr wenig aussagen und sich gegenseitig widersprechen. Da ist vieles noch unbekannt, umso vorsichtiger muss ich sein und sehr stark aufs Individuum eingehen.

„Ich würde nicht grundsätzlich gegen Homöopathie arbeiten, sehr wohl aber, wenn für homöopathische Präparate, die in der Herstellung eine Bagatelle kosten, viel Geld verlangt wird.”

Viele Menschen halten Homöopathie für Scharlatanerie. Sie sagen, die Überlegenheit gegenüber Placebos konnte bisher nicht gezeigt werden, aber der Placeboeffekt sei immerhin da. Auch ohne Wirkstoff könne eine homöopathische Anwendung bei bis zu 40 Prozent der Patienten wirksam sein, selbst wenn man den Leuten sagt, dass sie etwas Unwirksames zu sich nehmen.
Kann man ohne die Einnahme eines Präparates einen Placeboeffekt erzielen? Nein. Damit der Körper reagiert, muss man etwas tun. Kinder sagen meist nur, dass es im Bauch Aua macht und können Schmerzen oder Symptome schwer beschreiben. Trotzdem muss man Aussagen ernst nehmen und reagieren. Oft reicht es auf die Hand zu blasen, um Schmerzen zu lindern. Aber auch mit homöopathischen Mitteln kann man einen Effekt erzielen. Tritt jedoch keine Besserung ein, dann muss man zum Arzt. Ich würde nicht grundsätzlich gegen Homöopathie arbeiten, sehr wohl aber, wenn für homöopathische Präparate, die in der Herstellung eine Bagatelle kosten, viel Geld verlangt wird.

Wie kann es sein, dass etwas wirkt, das keinen Wirkstoff enthält?
Viele verwechseln den Placeboeffekt mit einer Scheinwirkung. Aber es gibt eine tatsächliche Wirkung. Nicht so stark wie bei einem Medikament, aber es gibt sie. Um diese Wirkung auszulösen, muss ich etwas tun. Die Erwartungshaltung, dass etwas hilfreich ist, bringt mein Immunsystem in Schwung. Es reagiert auf bestimmte Reize. Wenn ich ein homöopathisches Mittel gebe, gebe ich vor allem einem Kind das Gefühl, dass sich jemand kümmert. Hausmittel gehen genauso gut, eine Wärmflasche etwa, wenn das Kind Bauchweh hat. Die Medizinmanngeschichten bei den Naturvölkern sind auch ein Placeboeffekt. Meine Einstellung wirkt sich übrigens auch auf die Wirksamkeit von „richtigen“ Medikamenten aus.

Was ist das Interessanteste an Ihrem Beruf?
Die Wissbegierde. Einfache Dinge langweilen mich. Ich sitze lieber wochenlang an einem Problem, für den einen Moment der Erkenntnis. Aber es gibt leider keine vernünftige Plattform der Wissensvermittlung. Wir sind übersättigt, jeder ist sein eigener Prediger. Man tut sich schwer, seine Erkenntnisse an den Mann zu bringen.

„Es muss wieder Spaß machen, in einem Gesundheitsberuf zu arbeiten.”

Was ist das Schwierigste?
Das Schwierigste für mich ist, Grenzwerte festzulegen. Bis zu welchem Parameter beatmen wir noch, und wann rentiert es sich nicht mehr? Plump gesagt. Das hat weitreichende Folgen. Wir wollen ja so viel wie möglich retten, aber es darf auch nicht unheimlich viel kosten.

Die unter- und überschätzteste Krankheit?
Da gibt’s einige, die man unterschätzt. In Europa das Übergewicht. Das ist maßlos unterschätzt. Überschätzt werden bestimmte Krankheiten, gegen die wir fleißig impfen. Windpocken zum Beispiel.

Was sollte man an unserem Gesundheitssystem ändern?
Das muss sich ändern, wenn es finanzierbar bleiben soll. Aber ich fürchte, dass wird man nicht planen, sondern gewisse Dienste werden zusammenbrechen, und dann schauen wir, wo wir bleiben. Aber vielleicht schaffen wir es ja auch. Ein Problem ist zum Beispiel, das im Verhältnis zu wenig Bedienstete direkt am Patienten arbeiten und zu viele in der Verwaltung. Auch der einzelne Arzt hat zu wenig Zeit für den Patienten, weil er sich um Bürokratie kümmern muss. Und es muss wieder Spaß machen, in einem Gesundheitsberuf zu arbeiten. Da ist viel kaputt gemacht worden, aber das könnte man schnell ändern, wenn man wollte. Mit dem Sparen wurden leider auch die Emotionen wegrationalisiert.

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