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Marianna Kastlunger
Veröffentlicht
am 06.02.2017
LeuteInterview mit Daniel Alfreider

Ein neuer Politstern?

Veröffentlicht
am 06.02.2017
Daniel Alfreider ist der erste ladinische Abgeordnete aus Südtirol im römischen Parlament. Als Realpolitiker ist er ein Freund der kleinen, aber machbaren Schritte.
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Daniel Alfreiders politische Karriere zeigt nach oben: Kaum war der heute 35-Jährige 2012 zum stellvertretenden SVP-Parteiobmann ernannt worden, wurde er ein Jahr später als erster Südtiroler Ladiner überhaupt vorerst in das italienische Parlament gewählt und anschließend Mitglied der Sechser-Kommission, die an Durchführungsbestimmungen zur Weiterentwicklung der Autonomie in Südtirol arbeitet. Auf der Politbühne in Rom hat sich Alfreider schnell einen guten Ruf erarbeitet. Derzeit sieht es zwar nicht nach vorgezogenen Parlamentswahlen aus. Aber sollte Karl Zeller effektiv nicht mehr für das italienische Parlament kandidieren (Wahltermin ist spätestens Frühjahr 2018), gilt Alfreider als aussichtsreicher Kandidat, der neue SVP-Stern am römischen Polithimmel zu werden. Die politische Laufbahn des Polit-Newcomers startete allerdings in seiner Heimatgemeinde Corvara, dem Treffpunkt für unser Interview. Wenn er nicht nach Rom pendelt, lebt er hier mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen.

Sie sind gelernter Bauingenieur und waren Gemeindereferent für Urbanistik, Mobilität und Innovation in Corvara, um dann an den Planungen des Brennerbasistunnels (BBT) mitzuwirken. Was von diesen Erfahrungen nehmen Sie in die Politik mit?
Die Arbeit in der Gemeinde war meine erste Schule, hier habe ich wichtige Grundlagen erlernt: Die Zusammenarbeit mit anderen Leuten, um gemeinsam Ergebnisse zu erzielen, ist etwas sehr Schönes. Die Arbeit am BBT war prägend, denn ich hatte die Gelegenheit, mit einem professionellen Team an der Schnittstelle zwischen EU, Südtirol, Italien, Österreich und deren Bahnen und Verkehrsministerien zu sitzen. Es ging um die technische Machbarkeit und deren Kosten, wobei der Druck von allen Beteiligten sehr hoch ist – und ich mittendrin. Das war eine der interessantesten Erfahrungen und hat mir sehr gut gefallen.

War Ihre Sach- und Fachkompetenz dabei hilfreich? Daten und Fakten sprechen immerhin eine klare Sprache …
Ja natürlich, als Bauingenieur besteht die Hauptarbeit aus Technik. Trotzdem hat mir die Erfahrung gezeigt, dass ein großer Prozentsatz auf die menschliche Komponente zurückgeht. Bei jedem Projekt, egal welcher Natur, braucht es Überzeugungs- und Willenskraft, damit alle an einem Strang ziehen und es weiterbringen. Dafür sind viele Kommunikationsprozesse notwendig: Man muss die Köpfe zusammenlegen, Ideen finden, auch Kritik einstecken, und sehr unterschiedliche Ansätze abwägen, woraus sich Lösungen ergeben können. Die Technik liefert dann natürlich die notwendigen Instrumente für die Durchführung.

18 zersplitterte Parteien tun sich schwer, Ziele zu erreichen.

Ihre politische Heimat ist seit jeher die Südtiroler Volkspartei. Gab es in Ihrer Jugend nie eine rebellische Phase, in der Sie auch alternative Parteien in Erwägung gezogen haben?
Nein, das habe ich nicht in meiner DNA. Ich bin ein überzeugter Verfechter einer klaren Regierbarkeit und eines Regierungsauftrags von Seiten des Wählers. Das habe ich auch in meiner Jugend gerne versucht, mit meiner Wahl mitzubestimmen. Jene Personen, die das Vertrauen erhalten, dürfen und sollen regieren. Ich folge nicht aus Mode blind dem Mainstream, ganz im Gegenteil: Wenn mich jemand durch langjährige und konstant gute Arbeit überzeugt, vertraue ich dieser Person oder dieser Partei gerne. Im Rest Italiens gibt es eine große Zersplitterung: 18 zersplitterte Parteien tun sich schwer, Ziele zu erreichen. In dieser Hinsicht bin ich eher traditionalistisch eingestellt. Die SVP hat es als einzige Partei seit der Nachkriegszeit geschafft, konstant zu bleiben. Werte und Marke sind bekannt.

So glatt läuft es nun auch nicht. 2013 verlor die SVP bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit. Muss etwa eine weitere interne Verjüngung her, um diese 2018 wieder zu erreichen?
Die Absolute ist wünschenswert im Sinne der Kompaktheit und der Regierbarkeit in Südtirol. Jeder kann hier mitbestimmen. Ich denke nicht, dass die Absolute nur der Verjüngung zu verdanken wäre. Wir sind froh, in Südtirol immer starke Landeshauptmänner gehabt zu haben und eine starke Partei, die dies ermöglicht hat. Der Rest ist Teamwork.

Droht bei lang etablierten Parteien die Gefahr, dass man sich auf eigenen Lorbeeren ausruht und stehen bleibt?
Das mag hie und da vorkommen, aber als Sammelpartei fassen wir die unterschiedlichsten Strömungen zusammen. Dadurch ergibt sich schon intern ein politischer Diskurs, um überhaupt eine gemeinsame Linie zu finden, was bei manchen Themen nicht einfach ist. Andere Parteien führen diesen Diskurs nur extern. Erneuerung ist wichtig und damit ist es auch wichtig, junge Leute für eine politische Laufbahn zu begeistern. Dieser Beruf hat zurzeit kein gutes Image, das wird sich aber sicher bessern. Ich bin ja selbst über Umwege dazugekommen, und habe ihn erst lernen müssen. Auch in Zukunft wird es immer wieder Leute geben, die diesen Beruf so wie ich gerne machen.

Daniel Alfreider in Rom

Zuletzt war Daniel Alfreider aufgrund des sogenannten Ladiner-Gesetzes in den Medien präsent. Das Gesetz sieht eine Abänderung des Autonomiestatuts zum Schutz der ladinischen Minderheit vor. Unter anderem sollen die Ladiner erstmals ein Vertretungsrecht in verschiedenen Organen und Gremien bekommen. Die erste Hürde in der Abgeordnetenkammer hat das Gesetz schon genommen. Allerdings muss es als Verfassungsgesetzentwurf in zweifacher Lesung im Abstand von mindestens drei Monaten sowohl von Kammer und Senat genehmigt werden. Nicht alle stehen dem Gesetz und der Vorgehensweise Alfreiders und der SVP positiv gegenüber. So gibt der SEL-Abgeordnete Florian Kronbichler zu bedenken, dass diese Änderung nicht punktuell, sondern im Rahmen einer Gesamtüberarbeitung des Autonomiestatuts besser gewesen wäre, auch um die ladinische Gemeinschaft provinzübergreifend zu berücksichtigen. Außerdem kritisiert Kronbichler, dass Alfreider und die SVP die Ladiner für ihre parteipolitischen Interessen missbrauchen, stimmt dann aber doch für den Entwurf: „Es ist nichts Anstößiges dran, nur nicht genug. Und dass das gewährte Wenige nicht das vorenthaltene Ganze gefährde, diesen Kredit wollen wir der SVP eröffnen”, so Kronbichler.

Der SEL-Abgeordnete Florian Kronbichler hatte im Zuge der Abstimmung den Gesetzesentwurf kritisiert, weil die Ladiner außerhalb Südtirols nicht berücksichtigt werden. Wie reagieren Sie auf seine Vorwürfe?
Um etwa die Ladiner im Belluno miteinzubeziehen, müssten regionale Grenzen innerhalb des Staates verschoben werden. Das wäre ein wünschenswerter Zustand, aber vorerst eine unrealistische Schlacht, die mit einer Niederlage geendet hätte: Das italienische Parlament würde einem Anschluss Cortinas an Südtirol niemals ad hoc zustimmen, das habe ich geprüft. Meine Devise ist die Realpolitik: Es ist besser, den Weg kleiner aber zumutbarer Schritte zu gehen, ohne zu viel zu riskieren, aber dafür immer wieder kleine Erfolge einzufahren.

Ein weiterer Kritikpunkt lautet, der Entwurf zur Änderung des Autonomiestatuts wurde am Autonomiekonvent vorbei erarbeitet …
Unser Autonomiestatut ist für Südtirol Gold wert. Uns bot sich zum ersten Mal seit 1972 die Gelegenheit, es noch weiter auszubauen und im Fall der Ladiner einige Neuerungen hinzuzufügen. In Rom gab es in den letzen Jahren dringendere Anliegen, wie zum Beispiel die Verfassungsreform, aber als sich unsere Chance auftat, konnten wir nicht auf die Ergebnisse des Konvents warten. Wir mussten einfach zuschlagen. Was aber auf jeden Fall nicht stimmt, ist dass wir am Konvent vorbei gearbeitet haben. Im Konvent wurden genau die Anliegen parteiübergreifend gefordert, die wir ins Gesetz geschrieben haben. Man muss die Chance nutzen, wenn man sie hat – so schnell wird es keine Autonomiereform mehr geben.

Michaela Biancofiore gehen die Anpassungen im Ladinergesetz zu weit. Sie lädt Sie dazu ein, mit ihr „eine Runde durch die italienischen Viertel von Bozen zu machen, statt in den Badiotentälern zu verharren, die mit Sicherheit kein Armutsproblem haben”, so die Forza-Italia-Abgeordnete gegenüber der „Südtiroler Tageszeitung“.
Das wäre für mich nichts Neues, ich habe öfter in Bozen und Trient zu tun gehabt und dort gearbeitet. Uns geht es doch nicht um finanzielle Vorteile, sondern um Würde, Anerkennung und Gleichberechtigung, genau wie den anderen Sprachgruppen. Ihr populistischer Stil ist nicht förderlich im politischen Diskurs, er verunsichert auch unsere Anhängerschaft in Rom. Biancofiores Umfragewerte sind ja auch nicht gerade berauschend.

Daniel Alfreider betont im Gespräch immer wieder den guten Ruf und die Handschlagqualität der Südtiroler Volksvertreter in Rom, worauf ihn selbst italienische Kollegen oft ansprechen würden. Beim parteilosen Senator Francesco Palermo erweckt Alfreider durchaus den Eindruck, „dass ihm die politische Tätigkeit sichtlich Spaß macht und dass er in seine Rolle schnell hineingewachsen ist”, wobei er ihn vor allem als Netzwerker sieht. Und „er hat seine Schwerpunktthemen gefunden, für die er sich mit Leidenschaft einsetzt”, so Palermo.

Wäre ein föderalistischeres Italien für Sie denkbar?
Ein föderalistisches Italien sehe ich nicht, die Arbeit wird durch ständige Regierungswechsel genug erschwert. Ich empfinde europäische Themen als viel dringender: Die Ergebnisse der Wahlen in Frankreich und Deutschland und die Positionierung zwischen den USA und Russland. Hier ist Kompaktheit gefragt, auch in Südtirol, vor allem für regionale Interessen.

Was kann Europa tun, um nicht auseinanderzubrechen?
Wer Wind sät, wird Sturm ernten, aber wer nichts sät, wird nichts ernten: Die EU ist ein grandioses Friedensprojekt, das nun aber handeln muss, etwa in puncto Flüchtlingskrise. Asylberechtigten soll geholfen, Asylmissbrauch unterbunden werden. Ich bin für Hilfe vor Ort in den Herkunftsländern, damit Schutzsuchende die Reise übers Mittelmeer gar nicht antreten müssen und für mehr Absprachen mit afrikanischen Staaten. Die EU müsste aber handeln können, und zwar ohne Blockaden durch einzelne Mitgliedsstaaten. Inwieweit ein hochverschuldetes Italien oder ein finanziell gut aufgestelltes Deutschland zu Hilfe und zur Kassa gebeten werden sollen, ist schwierig zu beantworten, wer kann schon sagen ob es auch fair ist. Und trotzdem: EU-Mitglieder müssen hier außerhalb eigener Interessen agieren, um auch dieses Friedensprojekt zu retten. Es wäre nämlich unerhört, bei unserem hohen Lebensstandard den Schutzsuchenden die Chance auf eine bessere Zukunft, vor allem in den Herkunftsländern, zu verwehren.

Sind dafür Investitionen in Großflüchtlingslager geeignete Hilfsmittel?
Nein, wir sollten wirklich nachhaltig investieren, ohne Ausbeute durch Großkonzerne zu fördern. Wir müssen die technischen und finanziellen Mittel dafür auftreiben. Nur auf uns schauen wird nicht reichen.

Daniel Alfreider und Karl Zeller in Rom

Haben Sie schon konkrete Pläne für das Wahljahr 2018? Sofern die Regierung unter Ministerpräsident Gentiloni hält, gibt es im Frühjahr Parlamentswahlen. Außerdem wird im Herbst der Landtag neu gewählt.
Ich hoffe, dass wir noch genügend Zeit haben, die Statutsänderung sowie einige weitere Programmpunkte durchzubringen. So wie es aussieht, könnte Gentiloni bis zum Wahltermin 2018 regieren.

Sehen Sie sich in Zukunft als Südtiroler Landespolitiker oder als Nachfolger von Karl Zeller in Rom?
Das wäre mir eine Ehre, Zeller ist ein großer Lehrer für mich gewesen. Wie es weitergeht, muss allerdings noch parteiintern im Sinne kontinuierlicher Arbeit geklärt werden, ich kann es wirklich nicht sagen. Außerdem entscheidet auch die Wählerschaft mit.

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