Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus
Toshe Ristovski setzt sich auf der kleinen Terrasse des Cafès Alte Mühle in Meran hin und bestellt eine Flasche Beck's. Er wollte eigentlich mit dem Rad von Schlanders kommen, aber der starke Wind hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht und er ist auf den Zug ausgewichen.
Der 28-Jährige ist arbeitssuchend, so nennt er es, weil arbeitslos so negativ klinge, sagt er und lacht. Er ist Mazedonier und lebt nun schon seit 16 Jahren in Südtirol.
Das Bier kommt und der junge Mann erzählt mir, dass er ganz gespannt auf den heutigen Abend (Donnerstag, A.d.R.) sei. Da werde im Ost West Club der Dokumentarfilm "Insiders-Outsiders" von Sarah Trevisiol und Matteo Vegetti vorgeführt. Anhand von persönlichen Geschichten einiger MigrantInnen zeigt er, welchen Schwierigkeiten sie ausgesetzt sind. Auch Toshe ist Teil des Films. Nicht nur deswegen ist er voller Vorfreude, sondern auch, weil ihm die Location und die Leute zusagen. Er hofft, am Abend einige Protagonisten kennenzulernen, um mit ihnen über seine Erfahrungen reden zu können. Vorher erzählt er mir davon.
Warum bist du von Mazedonien nach Südtirol gekommen?
Durch den Jugoslawienkrieg kam ich mit meiner Familie nach Deutschland, wo wir ein Jahr als Asylanten lebten. Nach Südtirol bin ich aus familiären Gründen gekommen. Mein Vater war zuerst hier und wir sind dann alle nachgekommen. Seitdem wohne ich in Schlanders.
Was waren deine ersten Erlebnisse hier?
Schule. Wir kamen im Sommer her, dann stand der Schulbesuch an. Mit der Zeit habe ich immer mehr Leute kennengelernt. Klar, es war am Anfang schon ein bisschen komisch, wenn man niemanden kennt. Aber das hat sich dann bald geändert.
Und wie lief es mit der Sprache?
Dadurch, dass wir vorher in Deutschland wohnten, habe ich bereits ein Jahr eine deutsche Schule besucht. Ich muss sagen, ich tue mich mit Sprachen sehr leicht. Ich habe aber auch Unterstützung von der Mittelschule bekommen, das heißt Stützunterricht am Nachmittag, der sehr hilfreich war. Und alle waren sehr hilfsbereit. Dann war ich immer mehr mit Leuten unterwegs und so ist man zur Sprache gekommen. Ich kann auch Italienisch und Englisch.
Wie haben euch die Leute aufgenommen und wie hast du dich integriert?
Gut. Ich kann echt nichts Negatives sagen. Ich bin meist mit Einheimischen unterwegs und ein guter Kumpel, der auch in Schlanders wohnt, stammt aus Marokko.
Würdest du dich nach 16 Jahren in Südtirol als Südtiroler bezeichnen oder bist du doch im Herzen noch Mazedonier?
Das ist jetzt eine Frage … (nachdenklich) Ich habe dazu eine eigene Einstellung, muss ich sagen. In erster Linie sind wir doch alle nur Menschen. Nationalitäten kommen bei mir ganz, ganz, ganz zum Schluss. Ich weiß also nicht, wie ich diese Frage beantworten kann. Vielleicht alles ein bisschen, ich passe mich überall an, ich habe keine Probleme damit.
Wie fühlst du dich, wenn Ausländer in den Medien häufig als Buhmänner oder sogar Verbrecher hingestellt werden?
In erster Linie ist das, was die Medien schreiben, ein Schüren. Sie schüren und gießen Öl ins Feuer. Sicher, heilig sind sie nicht alle, aber das ist bei den Einheimischen auch so. Es gibt überall Arschlöcher. (lacht) Was ich sage, ist, dass man nicht alle in den gleichen Topf werfen soll. Das ist einfach so. Auch Einheimische sind gewaltbereit, zum Beispiel die Nazis.
Hast du damit mal Erfahrungen gemacht?
Ja, vor ein paar Jahren in Naturns. Dort ist es außer Kontrolle geraten. Aber es ist bei uns nicht so extrem im Tal. Wir haben mit den Idioten nicht viel zu tun, zum Glück.
Du warst einer der Protagonisten der Doku „Insiders-Outsiders“, in der es um neue Südtiroler geht. Hast du gleich gesagt, du machst mit?
Ja, ich war von der Idee fasziniert, dass Leute aus ganz Südtirol zu dem Thema befragt werden, und habe sofort zugesagt. Gehört habe ich durch meine Exchefin davon, die eine Freundin von Sarah Trevisiol ist. Ich dachte mir, wieso nicht? Ich kann den Film nur empfehlen, weil er auf jeden Fall sehr interessante Themen behandelt, die zum Alltag gehören. Ich habe angegeben, mich als Insider zu fühlen. Ich bin der Gesellschaft angepasst. Es gibt auch Leute, die nicht gut angepasst sind, und von ihnen möchte ich die Gründe erfahren, warum sie sich als Outsider fühlen.
Es ging im Film auch um die Frage, was denn ein Südtiroler sei. Was ist für dich ein Südtiroler?
Ein Mensch. (lacht) Wie jeder andere.
Gehst du zu den EU-Wahlen?
Nein. Weil ich nicht wahlberechtigt bin, weil ich noch keine italienische Staatsbürgerschaft habe, und ich mich momentan auch nicht mit dem befasse. Die Staatsbürgerschaft ist eine Frage der Bürokratie mit langer Wartezeit.
Hast du deswegen auch Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden?
Nein, bis jetzt hat noch immer alles geklappt. Ich hatte nie Probleme und habe immer etwas gefunden.
Was findest du hier in Südtirol gut und was weniger gut?
(überlegt) Also auf jeden Fall die wirtschaftliche Lage, die netten und sehr hilfsbereiten Leute, mit denen ich schon gute Erfahrungen gemacht habe, und das Bildungssystem. Das Dualsystem in der Lehre mit Schule und Arbeit finde ich sehr gut. Was weniger gut ist, fällt mir momentan nicht ein. Sicher ist kein Land heilig, aber mir fällt so spontan nichts ein, ehrlich. (lacht)
Abschließend, was sind deine Ziele in naher Zukunft?
Meinen Beruf als Maschinenschlosser weiter zu praktizieren. Ich mache meine Gesellenprüfung und habe morgenein Vorstellungsgespräch.
Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support