Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus
An diesem Vormittag hat Michael Stauder schon zwei Stunden an dünnen Holzstreifen gehobelt und geschliffen, Bögen aufgespannt und mit Pferdehaar hantiert. Geduld, Präzision und viel kleines Werkzeug sind gefragt: Zwingen, Ziehklingen, Stemmeisen, Stechbeitel und Schnitzmesser. Stauder schiebt den Arbeitstisch in seiner Werkstatt in Wiesen zur Seite und nimmt eine Geige in die Hand: Kein Neugeborenes könnte er behutsamer berühren als dieses Instrument, dessen Ton der Menschenstimme so nahe kommt.
In seinen Kindheitssommern schnitzte der 37-jährige Geigenbauer stundenlang auf Lüsner Almen, hatte Zeit „zu vertiefen und Schönes zu machen“. Wenn er von der Zeit an der bayrischen Musikinstrumentenbauschule Mittenwald spricht, glänzen die blauen Augen: Musik- und Kunstgeschichte haben ihn interessiert, technisches Zeichnen und vor allem die Praxis. Nie genug hat er vom Lernen bekommen, auch nicht beim Geigenbauer in Zürich, bei dem er danach in die Lehre ging und neben anderen eine Stradivari in der Hand hielt, die auf vier Millionen Euro versichert war.
Michael Stauder hat ein gutes Gehör; er mag neben klassischer auch andere Musik, nur nicht „die ganz moderne“. Künstler sei er keiner, viel mehr ein Handwerker und, falls doch Kunst, betreibe er am ehesten Kunsthandwerk. Jedes seiner Streichinstrumente ist perfekt designt und hat einen offenen Klang. Er redet bei seinen Geigen, Bratschen und Cellos von Charakter und Persönlichkeit.
Vor zehn Jahren hat sich der Geigenbauer selbständig gemacht und die Werkstatt in der Gemeinde Pfitsch gemietet. Profimusiker, Musiklehrer und Menschen, die auf ihrem Dachboden eine Geige finden, kommen gleichermaßen. In zwei Dritteln seiner Arbeitszeit repariert er Streichinstrumente. Gerne würde er dem Neubau mehr Zeit widmen, aber die Nachfrage bestimmt seinen Alltag. Für eine Geige braucht er im Schnitt vier Wochen oder 200 Arbeitsstunden. „Die Geige“, wünscht er sich „soll zu den Menschen kommen“.
Den geflammten Ahorn für Zargen, Hals und Boden kauft er bei zertifizierten Händlern, die das Holz meist aus Bosnien oder Rumänien beziehen, die Fichte für die Instrumentendecke am liebsten aus Wäldern rund um das Latemargebiet. In Radein hat ihn ein Waldarbeiter vor einem Jahr auf eine besonders schöne Fichte hingewiesen, gemeinsam haben sie den Baum gefällt. Fünf Jahre dauert es nun, bis er genügend getrocknet zum Einsatz kommt. Michael Stauder kann warten. Alles zu seiner Zeit, sagt er und setzt kurz vor Mittag den Hobel an den Geigenboden, um eine Wölbung herauszuarbeiten.
Text von Maria Lobis
Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support