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Vor zehn Tagen gewann Patrick Pigneter den bisher letzten seiner neun Weltmeistertitel in Sankt Sebastian in der Steiermark. Dazu kommen fünf Europameistertitel, vier Titel bei Juniorenwelt- und Europameisterschaften, 69 Weltcupsiege und insgesamt 15 Gesamtweltcupsiege im Einsitzer und im Doppelsitzer mit Teamkollegen Florian Clara: Die Liste der Treppchenplätze von Pigneter ist lang. So lang, dass einige vor einem Rennen sogar sagen: „Der gewinnt sowieso.“
Patrick Pigneter ist 27 Jahre alt. Von Kindesbeinen an sitzt er regelmäßig auf seiner Rodel und das zahlt sich aus. Er dominiert die Naturrodelbahnen, ist im Winter jedes Wochenende unterwegs. Zwischen den Rennen hat der Völser Zeit für ein Interview gefunden. Er sitzt mir gegenüber im Citycafè in Bozen und bestellt ein Glas Mineralwasser, als die erste Frage fällt:
Du beherrschst seit Jahren den Naturrodelsport sowohl im Einzel als auch im Doppel. Was machst du anders bzw. besser als die Konkurrenz?
Zuallererst bin ich ehrgeizig. Das, was ich mir vornehme, ziehe ich durch. Die viele Arbeit macht mir große Freude und zwar nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über. Auch im Sommer vergeht fast kein Tag, an dem ich nicht trainiere. Vielleicht ist das ein Grund. Zweitens braucht es auch ein bisschen Talent. Schon als Kind war ich bei den Trainings nie wirklich gut und danach bei den wichtigen Rennen war ich immer gut. (grinst) Vielleicht habe ich das auch von zu Hause mitgekriegt.
Wie groß ist dein Trainingsaufwand?
Die Saison dauert nicht lange, drei bis maximal vier Monate. Das Training beginnt im Mai. Dann steht tägliches Krafttraining, Ausdauertraining oder Laufen auf dem Programm. Mit dem Team treffen wir uns im Sommer alle zwei Wochen. Ab September trainieren dann alle sieben Männer und vier Frauen aus der Nationalmannschaft mit ihrem Trainer.
Bist du Profi oder gehst du einem Brotjob nach?
Ich übe den Sport ziemlich professionell aus, habe mir alles hart aufgebaut. Am Anfang habe ich kein Geld verdient. Viel verdiene ich jetzt auch nicht, aber es ist momentan schon so, dass ich im Winter nur für den Sport da bin, weil es die Zeit nicht anders zulässt. Das machen zu 90 Prozent alle aus dem Team.
Im Sommer arbeite ich noch halbtags im Büro des Hydraulikerbetriebes meines Vaters. Ich kann mir die Arbeit einteilen. Wenn ich also mal eine Woche nicht da bin, ist es auch nicht so schlimm.
Wie bist du zum Rodeln gekommen?
Bei uns im Dorf ist das ein bisschen Tradition. Früher hatten wir viele erfolgreiche Sportler. Auch mein Tata war Rodler – Weltmeister. Zu der Zeit, als ich angefangen habe, war er Trainer der Nationalmannschaft. Er war oft auf der „Tuffalm“, wo wir eine Rodelbahn hatten. Ich ging oft mit, um zuzusehen, und wollte irgendwann dann auch probieren. So hat alles angefangen. Zuerst habe ich auch Skikurse gemacht und bis ich acht Jahre alt war, bin ich auch einige Skirennen gefahren. Aber dann hat mir das Rodeln doch besser gefallen.
Warum Naturbahn und nicht Kunstbahn?
(überlegt) Weil ich mit Naturbahn angefangen habe und es mir gut gefallen hat. Dann kamen die Erfolge und ich stellte mir nie die Frage, auf die Kunstbahn zu gehen. Wir sind eine tolle Truppe. Logisch ist es nicht olympisch, aber ich habe gesagt, ich will daraus etwas machen, und ich glaube, ich habe geschafft, dass ich mir mit dem Sport einen Namen gemacht habe.
Bist du manchmal neidisch, dass die Kunstbahnrodler medial mehr Aufmerksamkeit bekommen?
Ich glaube die Kunstbahnrodler bekommen auch nicht so viel Aufmerksamkeit in den Medien. Logisch sieht man sie öfter als uns, es ist eben eine olympische Disziplin. Aber in Südtirol haben wir medial eigentlich eine gute Plattform.
Würdest du dir wünschen, dass man euch öfters im Fernsehen sieht?
Natürlich wäre es schön, wenn man uns öfter sehen würde. Dann wären wir auch für die Sponsoren interessanter und man könnte sich besser vermarkten. Der Sport würde auch einen ganz anderen Stellenwert bekommen, wenn man ihn öfter sehen würde.
Wo bist du mit deiner Rodel schon überall hingekommen?
Das am weitesten entfernte war Kanada. Dort bin ich bei der Weltmeisterschaft und beim Weltcup mitgefahren. Jedes Jahr sind wir einmal in Russland, Slowenien und Rumänien. In Polen war ich schon länger nicht mehr.
Die meisten Rennen sind in den Alpen: Österreich und Südtirol. In Südtirol sind weltweit am meisten Bahnen, deswegen sind wir momentan auch fast die Stärksten in diesem Sport. Er hat bei uns eine lange Tradition und wir haben die besten Trainingsbedingungen, würde ich sagen. Die stärksten Langläufer kommen aus Norwegen, weil es dort eine große Tradition hat, die Kunstbahn dominieren die Deutschen, weil sie mehr Bahnen haben usw.
Wo möchtest du noch unbedingt hin?
Es gibt mehrere Orte. Es wäre schön, wenn sich der Sport international noch mehr verbreitet, dass wir vielleicht auch nach Skandinavien, Norwegen, Finnland und Schweden kommen. Dort gibt es nicht so viele Bahnen. Grundsätzlich kann man überall, wo es Schnee gibt, auch rodeln. Es wäre kein so großer Aufwand, Bahnen zu bauen. Deswegen hoffe ich, dass ich in Zukunft auch noch in andere Länder komme.
Bist du noch solo?
(lacht) Nein.
Mit welcher Südtiroler Persönlichkeit würdest du mal gerne rodeln?
Gute Frage. Vielleicht mit Armin Zöggeler zusammen auf einem Doppelsitzer. (grinst) Ich mit ihm auf der Kunstbahn und er mit mir auf der Naturbahn. Mittlerweile hat er ja aufgehört, aber können wird er es schon noch (lacht).
Was wünschst du dir für deinen Sport von Südtirol?
Ich muss sagen in Südtirol funktioniert es ganz gut. Wir sind als Rodler eine kleine Familie, es gibt Sportrodler – die mit den hohen Rodeln, uns Naturbahnrodler und die Kunstbahnrodler.
Das soll jetzt keine Kritik sein, aber oft wird anstatt zusammenzuarbeiten und gemeinsam den Weg zu gehen, untereinander gehadert. Der eine ist dem anderen neidisch usw. Es ist nicht so extrem, aber man könnte vielleicht noch mehr gemeinsam arbeiten.
Wir haben zwar den gleichen Rennsportleiter und sind bei FISI Mailand, aber untereinander haben wir nichts miteinander zu tun. Sie sind auf anderen Bahnen unterwegs und man sieht sich höchstens im Sommer mal.
Und welche Wünsche hast du privat? Welche Ziele verfolgst du?
Das Ziel wäre, dass ich vom Rodeln leben kann und gutes Geld verdiene. Dass man einfach abgesichert ist, wie die Skifahrer. Und das wünsche ich mir nicht nur für mich. Es wäre schön, dass mehrere von diesem Sport leben könnten und sich alles schneller und leichter weiterentwickelt. Momentan ist in Italien aber kein Geld mehr dafür da. Es ist aber nicht so schlimm, weil wir eigentlich fast keine Spesen haben. Die Reisen und Unterkünfte zahlt der Verband und Materialspesen sind gering. Es ist ein relativ billiger Sport.
Wo fährst du dein nächstes Rennen?
Das nächste Weltcup-Rennen ist am Wochenende in Rumänien. Vom 5. bis 8. Februar ist die Junioren-Europameisterschaft in Oberprefuss und vom 12. bis 15. Februar dann das Weltcupfinale in Umhausen,.
Was erhoffst du dir dabei?
Das Ziel ist sicher zu gewinnen. Obwohl ich fast alle Rennen gewonnen habe und es immer heißt: Du gewinnst sowieso. (lacht) Aber ich gehe zu keinem Rennen hin und weiß, hier gewinne ich sowieso. Es ist immer knapp und es entscheiden Kleinigkeiten, ob man gewinnt oder nicht.
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