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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 20.09.2016
PRLeuteZu Besuch im Theater

Die Visionärin

Veröffentlicht
am 20.09.2016
Irene Girkinger wollte schon immer gerne ans Theater. Warum die Intendantin der VBB oft stundenlang aufs Meer schaut und als Linzerin Heimweh nach Wien hat.
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Irene Girkinger

Wenn Irene Girkinger durch die Flure des Stadttheaters geht, hört man nicht nur das Klappern ihrer Sandalen auf dem Marmorboden, sondern auch das rollende R, das das „Buongiorno“ der gebürtigen Linzerin italienischer klingen lässt als das so manch eines Südtirolers. Vier Sprachen spricht die Intendantin der Vereinigten Bühnen Bozen fließend, in einige andere hat sie während ihres Studiums der Französischen und Italienischen Literatur in Salzburg hineingeschnuppert. Wenn man bei Girkinger aber einen Akzent finden möchte, dann muss man schon genau hinhören. Ihr Leben führte sie nämlich einmal von Linz über Salzburg nach Frankreich und Italien, bis sie schließlich in der Landeshauptstadt landete.

Frau Girkinger, seit 2012 sind Sie die Intendantin der Vereinigten Bühnen Bozen. Dafür mussten Sie sich gegen 51 andere Bewerber durchsetzen.
Eigentlich habe ich nicht damit gerechnet, diese Ausschreibung zu gewinnen (lächelt). Die VBB kennt man in der Theaterszene und es haben sich durchaus erfahrene Theaterdirektoren beworben.

Während ihres Studiums hat Irene Girkinger bereits an kleineren und größeren Theatern assistiert und hospitiert. Bevor sie nach Bozen kam, hat sie unter anderem als Dramaturgin am Schauspielhaus Salzburg und am Wiener Volkstheater gearbeitet, bis sogar die Salzburger Festspiele bei Girkinger angeklopft haben. Dort war sie im Schauspielbüro und für die Pressebetreuung zuständig und hat schließlich auch die Produktionsleitung vom Jedermann übernommen.

Wie konnten Sie trotzdem überzeugen?
Irgendwie mit meinem inhaltlichen Konzept und irgendwie mit meiner Art. Ich denke, die VBB haben einfach jemanden gesucht, der auch hält, was er verspricht. Wichtig war bestimmt auch, dass man sich mit dem Land, den Leuten und der Struktur hier auseinandersetzt und versucht, innerhalb der Möglichkeiten, die man hat, das Beste auszuloten. Außerdem habe ich schon von vorneherein klar gemacht, dass ich nicht tabula rasa machen will. Ich finde das, was man hier geschaffen hat, toll und wollte es nehmen, um es zukunftsorientiert weiterzuentwickeln.

Wo oder wie holen Sie sich die Inputs für Ihre kreativen Zukunftsideen?
Indem ich stundenlang aufs Meer schaue (lacht). So wie sich das Licht da auf dem Horizont in Formen zieht, formen sich auch meine Ideen. Wach sein und schauen, Zeitung lesen, mit Kollegen im Austausch bleiben, schauen was andere Theater so machen, auf Festivals gehen und Smalltalk führen, gehört natürlich auch dazu. Mein Job fließt immer auch in mein Leben mit ein.

War es auch ein Ziel, etwas von den großen Bühnen, hinter denen sie gearbeitet haben, nach Bozen zu bringen?
Dafür, dass es erst seit 25 Jahren Berufstheater hier in Bozen gibt, das selbst produziert, ist wahnsinnig viel passiert. Aber es ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange, was viele in diesem Land jedoch glauben. Doch wenn man die Theaterszene von Südtirol mit Österreich und Deutschland vergleicht, ist da ganz viel Luft nach oben. Bis jetzt haben wir zwar das Große Haus, das nach außen hin so wirkt, als hätte man genügend finanzielle Mittel, dem ist aber nicht so. Wie man den Schein mit Qualität unterfüttert, muss man sich erst überlegen.

Und was mögen Sie am Theater in Bozen?
Ich denke, das Ende ist ein Ganzes, wozu jeder seinen Teil beitragen kann und soll. Und das ist echt toll hier. So einen Teamgeist und einen Idealismus habe ich selten erlebt. Bei den VBB steht das Wollen an oberster Stelle und ich hatte hier auch von Anfang an das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Heimweh gibt es also nie?
Schon ja, aber nicht nach Linz, sondern nach Wien als Theater- und Kulturstadt.

Was hat sich seit Ihrem Anfang bei den VBB denn verändert?
Ich habe künstlerisch einen sehr starken Schnitt gemacht, habe neue Regieteams, neue Ästhetiken, neue Projekte und Schwerpunkte nach Bozen geholt. Ich wollte den Horizont etwas weiter stecken und Dinge ausprobieren, die bisher noch nicht so gemacht wurden, aber in der internationalen Szene gerade großes Thema sind. Deshalb arbeiten wir zur Zeit auch viel mit dokumentarischem Theater oder der Verschmelzung von Raum und Text.

Klingt sehr modern. Gehört das klassische Theater also der Vergangenheit an?
Nicht nur. Ich denke man setzt momentan stärkere Akzente. Zeitgenössische Texte funktionieren in der Dramaturgie eben nicht mehr nach klassischen Regeln und so auch nicht mehr in der Ästhetik. Klassiker werden hingegen immer mehr entschlackt und man geht frecher mit ihnen um.

Sind Sie persönlich eher der Klassik-Typ oder mögen Sie lieber moderne Stücke?
Am liebsten eigentlich Zeitgenössisches. Momentan ist einfach eine Zeit, in der neue Autoren sprachlich ihren eigenen Weg gehen und es ist toll, Teil davon sein zu können. Da denke ich oft darüber nach, was, von dem, was ich gerade anschaue, irgendwann in den dicken Schauspielführern Einzug halten wird, in denen wir Dramaturgen und Intendanten oft blättern.

Welche Herausforderungen bringt der Posten am größten, deutschen eigenproduzierenden Theaterbetrieb in Südtirol denn mit sich?
Eine große Herausforderung ist bestimmt die Zusammenarbeit mit zwei anderen Institutionen (Haydn Orchester von Bozen und Trient und teatro stabile, Anm. d. Red.), die inhaltlich arbeiten und einer anderen Verwaltungsinstitution (Stiftung Stadtheater, Anm. d. Red.) in einem Haus. So funktioniert kein herkömmlicher Stadttheaterbetrieb. Doch die Kunst liegt darin, mit Schirm, Charme und Melone immer zu schauen, gewisse Dinge auch so zu verändern, dass man am Ende etwas davon hat.

Wie sehen Sie persönlich denn die Entwicklung des jungen Theaters im Lande?
Eine junge, ein bisschen alternativere Szene entwickelt sich, aber langsam. Was den jungen Leuten hier fehlt ist aber noch die nötige Struktur, Begegnungsorte. Zum Glück gibt es jetzt so etwas wie das Astra Kino oder den Ost West Club.

Könnten nicht die VBB der Platz für diese neu aufkommende Szene und junge Ensembles wie Das Rotierende Theater oder Murx sein?
Unser Auftrag ist es, das Haus mit Eigenproduktionen zu bespielen. Natürlich versuchen wir immer wieder in Co-Produktionen und Kooperationen mit anderen Initiativen zu arbeiten. Ich halte viel davon, das Theater nach draußen zu bringen und Plätze wie das Museion oder das pippo zu bespielen. Das ist ja auch Theater im eigentlichen Sinne. Hier hat man aber auch den Auftrag das Haus, diesen großen Block, zu stärken, zu beleben und auch zu definieren. Und eine Antwort auf die Frage „Was ist das Stadttheater eigentlich?“ zu finden.

Für Sie sollte es unter anderem ein Ort der Begegnung von Deutsch und Italienisch werden. Wie haben Sie es geschafft Ihr Ziel zu erreichen?
Ich habe es noch nicht geschafft. (lacht)

Aber in Projekten wie Bombenjahre hat man es schon gespürt, wie ich finde.
Klar, punktuell hat es schon funktioniert. Und wir sind mit dem teatro stabile schon dabei, Neues zu entwickeln und gemeinsame Projekte zu starten. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Auch weil die italienische und deutsche Theatertradition und das jeweilige Publikum sich unterscheiden.

Warum haben Sie sich eigentlich für den Posten hinter der Bühne und nicht auf ihr entschieden?
Weil ich absolut kein schauspielerisches Talent habe. Ich habe die Fähigkeit, den Menschen empathisch zu begegnen, aber sich in andere Figuren reinzuversetzen und das glaubhaft nach außen zu stülpen, nein, definitiv nicht. (lacht)

Mittlerweile sind Sie seit vier Jahren Intendantin hier in Bozen. Was hat sich bei Irene Girkinger in dieser Zeit verändert?
Leider hat sich bei mir nicht mehr Gelassenheit eingestellt. Ich merke, wie ich noch ungeduldiger bin als früher. Ich bin nicht rastlos oder zweifle, aber manchmal gehen mir manche Prozesse einfach zu langsam.

Welche Prozesse sind denn auf der Bühne in Bozen die nächsten?
Auf jeden Fall noch einige Großprojekte die Zeitgeschichte betreffend. Und mein Wunsch wäre auch noch, ein bisschen mehr nach Osteuropa zu schauen und Regisseure und Theater vom Balkan einzuladen, weil ich durch meine Arbeit in Wien dort wirklich tolle Erfahrungen gemacht habe.

Und in welches Stück des aktuellen Spielplans gehen Sie am liebsten?
Das ist eine gute Frage (lacht). Hmm. Darf ich bitte zwei sagen?

Klar.
Zum einen sicherlich Antimortina von Martin Plattner, weil ich finde, dass er der im Moment interessanteste Gegenwartsautor im deutschsprachigen Raum ist und aktuelle Themen, die unsere Gesellschaft betreffen, aufarbeitet. Und das andere ist Geächtet von Ayad Akhtar, bei dem es darum geht, wie man in der westlichen Welt mit der Islamisierung umgeht und wie schnell man dabei mit Vorurteilen ist.

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