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Der Einsturz von Rana Plaza hat Julia Vontavon aufgeschreckt: Unter den Trümmern der achtstöckigen Fabrikhalle in Bangladesch kamen im Jahr 2013 mehr als 1.100 Menschen ums Leben und wurden fast 2.500 verletzt. Sie starben, weil sie Kleider für Europa und die USA nähten. Die fast 30-jährige Brixnerin meidet seither Konfektionsgeschäfte: „In meinem Schrank habe ich Kleider für viele Jahre.“ Langweilig wird ihr davon nicht. Bei Bedarf setzt sie sich an die Nähmaschine, repariert und ändert um oder kauft hin und wieder ein Kleid im Second-Hand-Laden oder von einem fairen Produzenten.
Das Bewahren hat sich für sie bewährt, die „Zero-Waste-Bewegung“ ist ihr Inspiration: Weltweit machen sich Menschen auf, wollen nichts verschwenden, Abfall und unnützen Aufwand vermeiden.
„Ich muss nicht perfekt aussehen.“
Julia Vontavon lebt seit eineinhalb Jahren mit ihren Eltern auf einem Bauernhof in Villnöss, arbeitet beim Umbau des Hauses und beim Bepflanzen des Gartens mit. Sie nimmt sich Zeit für das, was sie tut und kritische Kommentare dafür in Kauf. Für den Bachelor in Skandinavistik hat sie länger gebraucht als gedacht. Sie hat in Wien aber nicht nur die Literatur und Kultur der nordischen Länder studiert; sie hat sich bei Näh- und Zuschneidekursen auch das Wissen geholt, um aus ihrer alten Jeans ein Leibchen nähen zu können. „Ich muss nicht perfekt aussehen“, sagt Julia Vontavon und räumt ein, früher wie andere Jugendliche T-Shirts in Neonfarben getragen und bei großen Ketten billig eingekauft zu haben.
Bis zum Studium hat sie zum Waschen herkömmliches Waschpulver benutzt. In Wien hat sie den Wert der Rosskastanien und der darin enthaltenen Saponine entdeckt. Die chemischen Verbindungen haben Seifenqualität: Seit Herbst 2014 sammelt Julia Vontavon Rosskastanien, schält, zerkleinert und trocknet sie. Bevor sie das Pulver als kostenloses und biologisches Waschmittel verwendet, setzt sie es mit Wasser an. Sie empfiehlt es für Buntwäsche uneingeschränkt und rät bei weißer Wäsche notfalls zu Aufhellern aus dem Bioladen. Hartnäckige Flecken bearbeitet sie im Vorab mit Gallseife. Mikroplastik und Aluminium in Hautcremes meidet sie und benutzt zum Eincremen biologisches Kokosöl. Sprühdeos mag sie gar nicht, „die riechen so giftig“, lieber greift sie da zu Natron. Sie wäscht ihre Haare mit einer Paste aus Roggenmehl, Kaffeesatz und Wasser und spült sie mit Essigwasser aus. Locker und gewellt fallen sie auf ihre Schultern.
Seit einigen Monaten verkauft Julia Vontavon auf österreichischen und deutschen Märkten handgefertigte Ohrringe aus alten Furniermusterplatten und Silberdraht. Sie will ihr Angebot erweitern, aber nur benutzen, was schon da ist und am liebsten auf Bestellung produzieren, um Überproduktion zu vermeiden.
Ab Herbst möchte die junge Frau in Dänemark ein Semester lang an der Volkshochschule stricken, färben, spinnen und weben lernen: Je mehr sie kann, umso unabhängiger ist sie. Zeit braucht es dafür. Julia Vontavon nimmt sie sich.
von Maria Lobis
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