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„Gucken wir mal“, sagt die Blondine in die Kamera und glüht den Motor ihres Busses vor. Mit ihm tourt Jenny aus Deutschland durch Südtirol und trifft dabei auf die typischen Klischee-Südtiroler. Ins Leben gerufen wurde die zehnteilige Video-Comedyserie „Jenny unterwegs“ vom Südtiroler Kabarettisten, Autor, Regisseur und Schauspieler Dietmar Gamper und von der Dokumentarfilmerin Linda Röhl, gebürtige Berlinerin. Ganz nebenbei sind die beiden auch noch ein Paar und haben zwei Kinder – Leonore und Elsa.
Kennengelernt haben sich Gamper und Röhl in der damaligen Studenten-WG der Filmemacherin. Nach ihrem Studium an der Filmschule Zelig blieb sie in Südtirol. Ein Jahr nach ihrem Diplom wurden der Südtiroler und die Berlinerin ein Paar. Seitdem realisieren sie auch gemeinsam Projekte.
Dietmar Gamper lebt seit 1997 ausschließlich von seiner Kunst. Mit 24 Jahren brachte er sein erstes Solo-Kabarett auf die Bühne. Seitdem schrieb der Lananer zahlreiche Theaterstücke und Kabarettprogramme und steht regelmäßig auf den Bühnen des Landes.
Ich treffe Gamper, den Künstler mit der tiefen Stimme und Röhl, die Deutsche mit Südtiroler Akzent, in der Filmwerkstatt in Meran zum Gespräch über ihr neuestes Projekt, die Video-Comedy „Jenny unterwegs“.
Wie ist das Projekt „Jenny unterwegs“ entstanden?
Gamper: Vor einigen Jahren starteten wir so eine ähnliche Serie. Damals drehten wir sieben Folgen in drei Tagen, zusammen mit Herbert Pixner in einem Gasthaus in Walten. Wir haben Tränen gelacht in dieser Zeit. (lacht) Ich bekam damals den Auftrag von einem anderen Medium, für ihre neue Internetseite eine Web-Comedy zu schreiben. Aber als das Projekt stand, wollten sie nicht zahlen. Angeblich hätten sie kein Geld für die Produktion, ich solle mich selber um ein Sponsoring kümmern.
Röhl: Angefangen hat alles also sehr unglücklich. Dietmar musste in kürzester Zeit Geld auftreiben. Letztlich hat er es über sehr gute Kollegen und Freunde geschafft, dass wir produzieren konnten. Wir versuchten das Projekt trotzdem loszuwerden und fanden keinen Abnehmer. Letzten Sommer haben wir es wieder herausgegraben, sind über Umwege bei BARFUSS gelandet und hatten damit einen Partner und Herausgeber für die neue Comedy „Jenny unterwegs“. Die ursprüngliche haben wir verworfen, weil sie inhaltlich teilweise veraltet war.
Und wie kam euch die Idee zur Comedyserie? Warum „Jenny unterwegs“?
Röhl: Schon bei der ersten Reihe spielte ich eine Videoreporterin, die alles allein macht mit ihrer Kamera.
Gamper: Wir wollten typische Südtiroler Figuren vorführen. Weil wir im neuen Projekt verschiedene Lokale und Schauplätze zeigen wollten, kam uns die Idee eines Roadmovies. Bloggerin Jenny tourt in ihrem Bus durchs Land, mit der Frage, wie die Menschen in Südtirol leben und ob sie glücklich sind. Sie führt mit ihrer Kamera eine Art Videoreisetagebuch.
Röhl: Jenny ist eine Pseudo-Dokumentaristin, die sich in ihrem Videoblog („Vlog“) selbst darstellt. Wir wollten das Thema Selfie und die Selbstdarstellung „schau was ich kann und wer ich bin“ aufgreifen.
Im Laufe der Serie greift ihr immer wieder Südtiroler Klischees auf. Was bezweckt ihr damit – wollt ihr Kritik üben?
Gamper: Solche Klischees erlebt man hierzulande tagtäglich. Im Grunde genommen ist es aber nicht nur eine Kritik an den Figuren, sondern auch am Format selbst. Es geht immer darum, dass sich jede Figur im Netz besonders gut darstellen will.
Jenny ist ein Pseudonym für die Öffentlichkeits-Geilheit. Jeder will sie für sich nutzen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Jeder, der einmal die Kamera wittert, will sich selbst in den Vordergrund stellen.
Röhl: Wir kritisieren diese teilweise schon krankhafte Öffentlichkeits-Geilheit in der heutigen Zeit und nutzen sie gleichermaßen. Wir wollen Humor aufgreifen. Die Südtiroler sollen nicht nur über andere, sondern auch über sich selbst lachen können. Auch ich nehme mich aufs Korn – genau wie Jenny bin ich Deutsche und Dokumentarfilmerin. (lacht)
Wie wichtig ist dir, Dietmar, Kritik in deinen Stücken und bei „Jenny unterwegs“?
Gamper: Enorm wichtig. Es ist ja mein Beruf. Die Kunst und das Theater sind eine Form, in der man sich kritisch ausdrücken kann. Man kan Missstände oder Ungerechtigkeiten aufzeigen und Mängel oder Dinge, die einen nerven. Sie sind aber meiner Meinung nach nicht das richtige Medium, um zu zeigen: So wäre es richtig. Das Wichtigste bei dieser Arbeit ist es, Kritik mit Komik zu verpacken. Ohne Humor wäre man ein verbitterter Mensch.
Röhl: Genau. Dietmar zeigt in seinen Stücken nie mit dem moralisierenden Zeigefinger auf jemanden, sondern stellt nur sehr komisch dar, wie es tatsächlich ist – mit einem Augenzwinkern. Über das Lachen findet man einfacher Zugang zur Kritik.
Und wie schafft man es, dass Politiker wie Eva Klotz und Paul Rösch mitmachen und sich über sich selbst lustig machen?
Gamper:(lacht) Das war schwierig. Erstens darf man nicht zu viel verraten, was genau gemacht wird und zweitens auf den Humor hoffen. Und sie haben Humor bewiesen.
Röhl: Aber dann waren alle begeistert, weil sie gesehen haben, dass wir selbst uns auch nicht ganz ernst nehmen. Wir waren überrascht, wie toll und charmant sie mit uns gespielt haben. Insbesondere Hans Perting, der große Pionier in der Antipestizidbewegung in Mals. Wir sind sehr stolz darauf, ihn dabei zu haben.
Wie finanziert sich das Projekt überhaupt?
Gamper: Es ist komplett eigenfinanziert – über private Sponsoren, wie die Gastbetriebe, in denen wir drehen, oder über Produktplatzierungen.
Wie lange dauert es, bis eine Folge im Kasten ist?
Röhl: Für eine Folge brauchen wir meistens einen Drehtag. Wir proben und erarbeiten alles vor Ort und wiederholen die Aufnahmen bis zu sechs Mal pro Szene.
Gamper: Manchmal haben wir auch zwei Drehtage gebraucht. Den Aufwand dieser Comedy haben wir anfangs unterschätzt und schlussendlich mehr daran gearbeitet, als angenommen. Ziel war es nicht nur, eine Comedy zu machen, sondern auch, Qualität zu schaffen.
Nun ist das Format doch ziemlich lang fürs Internet. Warum funktioniert es dennoch in der heutigen schnelllebigen Zeit?
Gamper: Wir waren selbst überrascht, dass es so gut funktioniert.
Röhl: Wir sind beide Liebhaber der langsamen und einfachen Bildsprache. Wir mögen es, wenn eine Handlung in langen Sequenzen durch eine ruhige, dezent bewegte Kamera erzählt wird. Das hat eine Sogwirkung auf uns. Die Comedy ist ein Gegenpol zur modernen, schnell geschnittenen Erzählweise und seinen mit Effekten überfrachteten Bildern. Wir wollten bewusst einen Beitrag zur Sehnsucht nach Entschleunigung machen. Wir haben kaum Szenenwechsel.
Gamper: Unser Ziel war es, kaum einen Schnitt zu haben und so die Aufmerksamkeit des Zuschauers mit Spannung aufrecht zu erhalten.
Und wie ist es für euch, als Paar zusammenzuarbeiten?
Röhl: Es ist schön, wir sind ein gutes Team. Dietmar kümmert sich um den Inhalt und ich mich um die Umsetzung.
Was sind eure aktuellen Projekte?
Gamper: Ein Stück habe ich gerade abgeschlossen. Jetzt haben die Proben für die Freilichtspiele in Lana begonnen. Und ab Herbst ist geplant, zusammen mit der Volksbühne Lana einen Spielfilm zu produzieren.
Röhl: Dietmar schreibt das Drehbuch und führt Regie. Ich werde sehr wahrscheinlich die Produktion leiten und auch hinter der Kamera stehen. Aber das ist noch Zukunftsmusik und deshalb noch nicht ganz spruchreif.
Kabarett, schreiben, schauspielern, Regie führen, filmen … Wie kriegt ihr das alles und dann auch noch die Familie unter einen Hut?
Gamper: Mir wäre es auch lieber, ein Projekt nach dem anderen zu machen, aber meist geht das nicht, wenn man von dieser Arbeit leben will. Vor allem im vergangenen halben Jahr hat sich die Comedy mit anderen großen Projekten überschnitten.
Röhl: Es ist schwierig, Arbeit und Kinder zu organisieren. Oft bleibt da der Haushalt liegen (lacht). Aber wie bei allen anderen Familien, in denen beide berufstätig sind, bleibt immer etwas auf der Strecke. Es gibt sicher auch mal Momente der Überforderung, aber es geht irgendwie. Das Schwierigste ist bei uns, dass wir arbeiten und das Geld erst irgendwann später kommt, wenn wir finanziell schon wieder auf den Felgen sind. Wenn das nicht wäre, wären wir sicher ruhiger.
Drei Folgen von Jenny unterwegs wurden bereits ausgestrahlt. Weitere sieben Ausgaben folgen. Was könnt ihr vorab verraten?
Röhl: Jenny trifft in jeder Folge auf Stereotypen in Südtirol, die alle mehr oder weniger von Dietmar dargestellt werden und auch von anderen bekannten Profischauspielern, wie Peter Schorn und Eva Kuen. Und es kommen noch weitere prominente Gäste, wie Thomas Hochkofler und Herbert Pixner.
Gamper: Das interessante ist, dass jeder „Gast“ sich selbst spielt und sich dabei selbst auf die Schippe nimmt. In der sechsten Folge kommt ein klassischer Burggräfler Apfelbauer vor, eine meiner Lieblingsfiguren. Die drei letzten Folgen werden noch gedreht. Das Finale, also die zehnte Folge, ist dann ein großes Spektakel auf der Gompm Alm. Man darf also gespannt sein.
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