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Vor zwei Jahren ist er in den elterlichen Hof eingestiegen und arbeitet seitdem in der Landwirtschaft: Fabian Plattner lebt zusammen mit drei Generationen auf dem Haflingerhof in Jenesien. Gemeinsam mit den Eltern bewirtschaftet der Jungbauer den Hof mit Vieh, Ferienwohnungen und Weinbau, Obst und Getreide werden für den Eigenverbrauch produziert. Vier Jahre lang war er Vizevorsitzender der Katholischen Jungschar Südtirols – dem größten Kinderverein des Landes, mit über 10.000 Mitgliedern und über 300 Ortsgruppen. Seit September ist er dessen Vorsitzender. Eine große Verantwortung, wie Plattner sagt. Bei einer heißen Schokolade beginnt das Interview.
Was hast du dir für die nächsten zwei Jahre als Vorsitzender der Katholischen Jungschar vorgenommen?
Die Arbeit in der Jungschar ist sehr vielfältig. Mein Anliegen ist es, dass alles weiterhin so gut läuft wie bisher. Ich möchte, dass wir die Augen offen halten und weiterhin aktuelle Themen aufgreifen, die gesellschaftlich, politisch, sozial oder kirchlich aufkommen. Bisher haben wir dazu regelmäßig Projekte gestartet, wie zum Thema Flüchtlinge: Wir haben Holzbretter gestaltet, aus der eine österreichische Organisation ein Schiff baut, um es vors Europaparlament zu stellen. Dadurch wollen wir symbolisch zeigen, dass wir uns dafür einsetzen müssen, dass das Sterben im Mittelmeer aufhört.
Jetzt sind die Krampusläufe hochaktuell, die Jungschar kritisiert sie. Warum?
Ich würde nicht sagen, wir kritisieren, aber wir beziehen Stellung. Wir haben nichts gegen Tradition und Brauchtum – im Gegenteil. Aber was uns ein Anliegen ist, sind die Ängste, die Kinder durchaus haben. Psychologisch gesehen kann diese Angst auch langfristig Schäden auslösen und das sollte man thematisieren. Bei den Krampusläufen werden das Böse und die Gewalt in den Mittelpunkt gestellt. Aber müssen wir uns gegenseitig schlagen, um eine Hetz zu haben?
Auch Weihnachten naht. Wie kann Weihnachten wieder traditionell gefeiert werden?
Der Grundgedanke soll wieder im Mittelpunkt stehen. Unsere größte Aktion um die Weihnachtszeit ist die Aktion Sternsingen – die größte Spendenaktion Südtirols. Kinder gehen von Haus zu Haus, klopfen an die Tür und singen. Sie bringen den Grundgedanken von Weihnachten unter die Menschen: die Geburt Jesu. Ich habe vorhin auf dem Weihnachtmarkt eine Runde gedreht: Es geht nur noch um Kommerz und ums Geld machen, alles ist darauf aufgebaut. Wir als Verein können nicht aktiv dagegen wirken, aber Stellung beziehen.
Welche Rolle spielt der Glaube in deinem Leben?
Mir ist der Glaube wichtig. Wenn mich heute jemand fragt, wann ich das letzte Mal gebetet habe, muss ich nicht lange zurückdenken. Das letzte Mal, dass ich zu jemandem Danke gesagt habe, war nicht nur ein Danke an diese Person, sondern genau das ist für mich Glauben leben. Man soll sich einfach bewusst sein, dass nicht alles selbstverständlich ist. Viele verbinden den Glauben nur mit einem Kirchenbesuch und mit dem Institutionalisierten und sagen, dass das alles eingeschlafen und veraltet ist. Das trifft teilweise schon zu, aber dann muss man sich eben für sich das herauspicken, was einem etwas bringt. Ich bekomme oft mit, dass Leute sich etwas anderes Suchen und zum Beispiel meditieren oder Yoga machen. Im Grunde ist das alles aber immer dasselbe, man kommt runter, kann abschalten und glaubt an etwas.
Glaubst du, dass sich junge Leute immer mehr von der Kirche abwenden und was könnte man dagegen tun?
Das ist ein schwieriges Thema und ich wäre ja der King, wenn ich darauf eine coole Antwort geben könnte. (lacht) Ich finde, jeder muss seinen eigenen Weg finden. Bei den mittlerweile über 100 Nationalitäten, die wir in Südtirol haben, ist der Glaube vielfältig geworden. Es ist aber schön, wenn man in einer Gesellschaft geprägt von vielen Religionen und Kulturen im Frieden leben kann. Die Kirche wird moderner, müsste aber noch mehr mit der Zeit mitgehen. Sie ist ein bisschen stehen geblieben in den letzten Jahren.
Also müsste die Kirche etwas ändern?
Ja, aber dazu muss jeder seinen Beitrag dazu leisten. Es nützt nichts, wenn man sagt: die anderen sind stehen geblieben. Glaube ist eine Gemeinschaft, wo alle dazugehören.
Einmal fragte ein Kind, ob es dem Schwein nicht weh tut, wenn man den Speck abschneidet. Und einmal, warum ich ein Bauer und trotzdem nicht alt bin. Meine Vision ist es, dem Unwissen entgegenzuwirken.
Neben der Jungschar bist du auch für das Projekt Schule am Bauernhof zuständig. Worum geht es da?
Das Projekt Schule am Bauernhof haben wir vor zwei Jahren auf unserem Betrieb gestartet. Ich habe damals die Ausbildung gemacht und danach den Betrieb zertifiziert. Jetzt sind wir ein zertifizierter Lernbauernhof, der offiziell Schule am Bauernhof anbieten darf. Im Sommer arbeiten wir viel mit Jugendvereinen, im Winter mit Schulklassen, vor allem aus der Grundschule. Es geht dabei nicht um eine typische Hofführung, sondern wir haben mehrere Angebote und Themen: vom Getreide zum Brot, vom Heu zur Milch, Landwirtschaft und ihre Tradition. Die Schulen können ein Thema buchen, wir arbeiten dazu ein Programm aus und planen drei Stunden für die Schulklasse. Sie lernen zum Beispiel, wie Getreide angebaut und gesät wird, wie wir den Acker bearbeiten und wie wir ernten und verarbeiten. Dann können sie selbst Brot backen. Das ist so bärig. Viele Kinder haben einfach keinen Bezug zur Landwirtschaft und zu den Lebensmitteln. Das Wissen fehlt vor allem in der Stadt, aber auch in den Dörfern. Was Kinder oft für Fragen stellen, ist schon erstaunlich. Einmal fragte ein Kind, ob es dem Schwein nicht weh tut, wenn man den Speck abschneidet. (lacht) Ein Kind glaubte mir nicht dass ich Bauer bin, da ich keinen Strohhut und keinen Strohhalm im Mund hatte. Meine Vision ist es, dem Unwissen entgegenzuwirken.
Und warum hast du dich entschieden, in die Landwirtschaft einzusteigen?
Aus mehreren Gründen, weil man eine Verpflichtung hat: aus Respekt den Eltern gegenüber, die den Betrieb mit viel Herzblut geführt haben. Aber auch, weil die Landwirtschaft ganz viel Potential und Möglichkeiten hat. Sie ist auch gesellschaftlich gesehen wichtig, weil wir Lebensmittel produzieren.
Glaubst du, dass heute weniger junge Leute als früher den elterlichen Hof übernehmen?
Ich bin seit eineinhalb Jahren für den Südtiroler Bauernbund unterwegs und halte Vorträge zum Thema landwirtschaftliche Familienbetriebe in aller Welt und es gibt große Unterschiede. Es gibt Obstbauern und kleine Bergbauern. Sie leben nicht nur kulturell anders, sondern haben auch unterschiedliche Arbeitsweisen, deshalb kann man diese Frage nicht so einfach beantworten. Manche möchten zum Beispiel weitermachen, aber es gibt in der Familie Streit, dann klappt es schon deshalb nicht. Es hängt von ganz vielen Faktoren ab.
Wie schwierig ist es für dich, deine Arbeit als Bauer und das Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen?
Dadurch, dass wir uns die Arbeit zu dritt auf dem Betrieb aufteilen, ist es machbar.
Bleibt da also noch Zeit zum Weggehen und Feiern?
Auf alle Fälle. Die muss bleiben, das gehört dazu. Ich feiere wahnsinnig gerne.
Und wie feiert ein Vorsitzender der Katholischen Jungschar?
(lacht) Ich gehe gerne in die Disco, aber auch gerne auf Feste, um Fox oder Walzer zu tanzen. Dort hat man eine große Gaudi mit den Leuten, kann sich unterhalten – und ich rede wahnsinnig gerne. (lacht) Ich lerne gerne neue Leute kennen und treffe mich mit Freunden.
Und Alkohol?
Ich trinke sehr gerne ein gutes Glas Wein, auch weil wir selbst Wein anbauen. Ich kann aber auch Nein sagen und ohne Alkohol Spaß haben und beschwipst herschauen, man muss sich ja anpassen. (lacht)
Muss sich hierzulande beim Thema Alkohol etwas ändern?
Auf manchen Festen wird hier schon viel getrunken. Ich finde, man kann ein, zwei oder auch mal drei, vier Gläser trinken. Aber man muss wissen, wann man aufhören muss. Ansonsten wird es problematisch.
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