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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 22.10.2018
LeuteMein erstes Mal Bauchtanz

Die Frauen vom Mond

Veröffentlicht
am 22.10.2018
In bunten Zigeunerröcken tanzen die Gypsy Moon Sisters American Tribal Style Bellydance. BARFUSS hat diese besondere Form des Bauchtanzes ausprobiert.
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Bunte Zigeunerröcke, Blumen im Haar, silberner Schmuck und goldene Zimbeln: Wenn sich die Frauen vom Mond, der Gypsy Moon Tribe, am Dienstagabend in der Matteotistraße 42 in Meran treffen, verwandeln sie sich in selbstbewusste Zigeunerinnen und afrikanische Stammesmütter, die ihrere Seele mit Musik Ausdruck verleihen. Christine tanzt seit 26 Jahren Bauchtanz. Sie sagt: „Irgendwann habe ich mich beim Solo-Tanz alleine gefühlt. Durch Zufall bin ich auf diese Art des Bauchtanzens gestoßen.“

Seit vier Jahren unterrichtet die erfahrene Tänzerin Gruppen in Meran und Bozen im American Tribal Style Bellydance (ATS). Auch ich gehöre heute zu den Teilnehmerinnen – es ist mein erstes Mal als Bauchtänzerin. Zur Begrüßung gibt mir Christine einen hellblauen Wickelrock mit goldenen Stickereien. Mein mitgebrachtes Outfit sei viel zu eintönig.

Bei einem Auftritt

Dann dreht sie schnelle Balkanmusik auf und die Tänzerinnen bewegen sich ohne Aufforderung im Uhrzeigersinn im Kreis. Beim Gehen bewegen sie selbstbewusst ihre Hüften, die der massige Stoff ihrer großen Tellerröcke betont. Diese nähen sie sich entweder selbst oder kaufen sie im Internet oder auf Märkten. Am Daumen und Mittelfinger tragen die Frauen jeweils kleine Zimbeln aus Messing, mit denen sie im Rhythmus der Musik mitspielen. Das Klingen der Instrumente durchzieht den ganzen Raum.

Christine und die anderen Tänzerinnen sehen sich abwechselnd tief in die Augen. Weil ich als Neuling mittendrin stecke, versuche ich die Profis so gut wie möglich nachzuahmen und muss beim Augenkontakt vor Freude grinsen. Die Musik und die Bewegungen beim ATS machen augenblicklich glücklich. Ich drehe mich im Kreis und um meine eigene Achse, hebe die Arme und versuche sie so elegant wie eine Bauchtänzerin wieder zu senken. Die Röcke der Frauen wehen im Wind des Tanzes. Das Szenario sieht irgendwie magisch aus.

Kommunikation ohne Worte

Dann öffnet sich der Kreis und eine Teilnehmerin, Julia, wandert nach links außen. Die anderen folgen ihr und bilden ein Trapez auf Julias rechter Seite. „Das ist das Grundprinzip von ATS“, erklärt Christine und stoppt die Musik. Aus einer Grundstellung wie dem Kreis oder einer Linie bricht immer wieder eine andere Tänzerin selbstbestimmt aus. Durch diese Entscheidung wird sie zum „Leader“ und stellt sich links vor die Gruppe. Die anderen bilden von diesem Punkt ausgehend entweder eine geometrische Form oder einen Halbkreis, den sogenannten Chorus, hinter dem „Leader“. Dann wird getanzt.

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Ein Nicken, eine sinkende Hand, eine halbe Drehung. Es sind winzige Bewegungen, die bei diesem Tanz ausschlaggebend sind für die Kommunikation zwischen den Tänzerinnen. „Man muss vollkommen konzentriert sein, sonst verpasst man den Einsatz“, meint Julia, die fast von Anfang an als Teil der Gruppe tanzt. Für sie ist ATS Meditation. Wenn ihr Geist den ganzen Tag über Purzelbäume schlägt, kann sie spätestens im Zigeunerrock den Alltag hinter sich lassen. Gekonnt bewegt sie ihren nackten Bauch in wellenförmigen Bewegungen, dreht sich und spielt mit ihren Händen. Die anderen folgen ihr.

Obwohl die Boznerin all diese Bewegungen schon einmal gelernt und verfeinert hat, improvisiert sie gerade. „Im Training bringe ich den Tänzerinnen bestimmte Bewegungen bei, ein Repertoire mit genauen Kodizes sozusagen, wodurch sie danach improvisieren können“, erklärt Christine. Trotz der Improvisation tanzen alle Tänzerinnen synchron. Wüsste man es nicht besser, könnte man glauben, Christina und ihre Frauen zeigten eine einstudierte Choreographie.

Immer wieder findet man sich im Kreis wieder

American Tribal Style Bellydance wurde in Amerika erfunden. Die Tänzerin Jamila Salimpour wollte in den späten 70er-Jahren mit ihrer Gruppe Bal-Anat im Tanz eine Zirkusaufführung imitieren. Auch in der Manege treten die Artisten gemeinsam auf, jedoch lösen sich immer wieder einzelne aus der Gruppe und bieten ihre eigene Vorstellung dar. Die Amerikanische Gruppe hat bei ihren ersten Aufführungen die Folklore Nordafrikas und des Mittleren Ostens in verschiedenen Kostümen repräsentiert. Mit der Zeit vermischten sich die Tanzrichtungen und Strömungen, neue Gruppen, quer über ganz Amerika verteilt, fanden zusammen und schufen durch folkloristische Bewegungen und Kostüme einen neuen Tanzstil: American Tribal Style Bellydance.

„Heute findet man im ATS Spuren von Orientalischem Tanz, Flamenco, Tango, indischem Tanz, afrikanischer Folklore und Gypsytänzen aus dem Balkanraum“, erklärt Christine und imitiert zu jedem Tanz die passende Bewegung. „Tribal Bellydance hat viel von Stammestänzen. Alle Tanzsstile kommen von verschiedenen Gypsyfölkern“, ergänzt Julia. Von diesen Stämmen kommt auch die Bezeichnung der Tanzgruppen: Das englische Wort Tribe bedeutet auf Deutsch nämlich Stamm.

Ein Stamm, der den Tanzstil sehr beeinflusst hat, ist jener der Gaouasis. Das waren ägyptische Zigeunerinnen, die von einem Dorf zum anderen zogen und auf Märkten und Hochzeiten für Geld tanzten. „Straßenkünstlerinnen sozusagen“, meint Christine „die haben auch gezimbelt, so wie wir.“ Um ihr Wissen und ihre Technik immer wieder zu verfeinern, ist Christine mehrmals im Jahr auf Workshops in Italien und Deutschland unterwegs. Von den Amerikanischen Lehrern aus der Ur-Tribe lerne man schließlich am besten.

Zimbeln aus Messing sorgen für den richtigen Beat

Die Musik, zu der die Gruppen tanzen, sei so individuell wie die ATS-Mitglieder selbst. „Man kann zu Rock, Swing, Klassik oder eben zu folkloristischer Musik tanzen“, sagt Julia. Die ursprüngliche ATS-Musik komme zwar aus Ägypten, heute entscheide jede Tribe jedoch selbst, welchen Charakter sie ihrem Tanzstil durch die Musik geben will.

Dann wird es noch einmal lauter. Die Frauen fangen wieder an zu zimbeln, diesmal alle hintereinander. Wir bewegen unsere Arme in großen Wellenbewegungen, bis Christine sich entscheidet, der neue „Leader“ zu sein. Ich forme den Chor und bewege die Hüften im Rhythmus weiter. Tanzt man selbst ATS, ist man in jeder Sekunde gespannt darauf, was als nächstes passieren wird. Die non-verbale Kommunikation funktioniert dabei scheinbar besser als jene mit Worten, weil man besonders aufmerksam ist. „ATS fördert nicht nur Koordination, Gedächtnis, Rhythmusgefühl, Aufmerksamkeit und Musikalität, sondern auch Vertrauen und Respekt den anderen Tänzerinnen gegenüber“, sagt Christine.

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