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Mara Mantinger
Veröffentlicht
am 12.05.2014
LeuteAuf a Glas'l

Die Europäerin

Veröffentlicht
am 12.05.2014
Die Boznerin Julia Mumelter arbeitet als ARD-Journalistin in Brüssel und berichtet über die EU. Uns erzählt sie, wie es sich anfühlt, Europa zu leben.
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Wie die meisten Journalisten stellt Julia Mumelter lieber Fragen, als sie zu beantworten. EU-Parlamentarier, Ministerpräsidenten, Lobbyisten stehen vor ihrer Kamera, die sie als Producerin für die Auslandskorrespondenten der ARD in Brüssel interviewt. Vorher hat sie ein Praktikum beim Südtiroler EU-Abgeordneten Herbert Dorfmann absolviert. Nach einem halben Jahr in der Hauptstadt Europas beantwortet uns die 24-jährige Boznerin bei einem Skype-Interview alle Fragen zu Europa, die uns immer wieder durch den Kopf gehen: Was machen die da im Parlament eigentlich? Und kann ein einziger Südtiroler Abgeordneter überhaupt etwas bewirken?

Brüssel ist die Stadt, in der Europa „gemacht“ wird. Spürt man das?
Ja, definitiv. Brüssel ist sehr multikulturell, fast 50 Prozent der Einwohner kommen aus dem Ausland, die meisten aus den verschiedenen EU-Ländern. Alle sprechen mehrere Sprachen, und alle sind von der Idee „Europa“ überzeugt. Das ist extrem schön zu sehen, wie hier Leute aus ganz Europa zusammenkommen und sich austauschen, um gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Man spricht hier sogar schon von der EU-Bubble, einem Umfeld in dem ein starkes Wir-sind-Europa-Gefühl vorhanden ist, in dem das Nationale in den Hintergrund tritt. Viele bezeichnen das Leben in Brüssel auch als Erasmus für Erwachsene.

Von den Euro-Skeptikern hört man in Brüssel also nicht viel?
Wir sprechen eher über den Euro-Skeptizismus, weil wir besorgt über diese Entwicklung sind. Viele verstehen die Welt nicht mehr: Wir können nicht jetzt einen Schritt rückwärts machen, wenn wir eigentlich einen vorwärts machen sollten. Wir versuchen zurzeit mit unserer Berichterstattung herauszustreichen, warum Europa wichtig ist – und somit das Parlament in Brüssel.

Warum ist deiner Meinung nach die EU wichtig?
Ich denke mir, dass besonders wir als Südtiroler die Vorteile der Europäischen Union jeden Tag zu sehen bekommen: Uns ist es möglich, als Südtiroler mit zwei Kulturen, zwei Sprachen ohne Einschränkungen in einer Grenzregion zu leben, weil diese Grenzen nicht mehr wichtig sind. Am Brenner stehen keine Polizisten und wir müssen Lire nicht gegen Schilling tauschen. Wir bezahlen mit dem Euro. Außerdem werden in Brüssel mittlerweile viele Gesetze gemacht, die dann auf nationaler Ebene nur mehr umgesetzt werden – wichtige Gesetze, nicht nur zur Krümmung der Gurken und Bananen.

Wie wird in Brüssel eigentlich ein Gesetz verabschiedet?
Die Kommission, bestehend aus 27 Kommissaren und dem Kommissionspräsidenten Barroso, einem Vertreter also für jeden Mitgliedsstaat, hat das Vorschlagsrecht. Sie überlegen sich ein Gesetz, das dann in das Parlament und den Rat der Europäischen Union kommt. Der Rat der Europäischen Union besteht aus den jeweiligen Ministern aller Mitgliedsstaaten, die für diesen Bereich zuständig sind. Und das Parlament besteht aus den gewählten Volksvertretern. So funktioniert das im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, das seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon fast immer zur Anwendung kommt.

Hat da das Parlament dann überhaupt noch was zu sagen?
Seit dem Vertrag von Lissabon hat das Parlament sehr viel mehr Macht. Wenn sie ein Gesetz blockieren wollen, dann tun sie das. Ohne die Zustimmung des Parlaments kann im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren kein Gesetz mehr verabschiedet werden. In dieser Legislaturperiode ist das zum Beispiel beim ACTA-Gesetz passiert, das vielen noch in Erinnerung sein wird. Und bei der Bankenunion haben sich die Abgeordneten noch für eine stärkere Einlagensicherung und eine Bankenabwicklung eingesetzt, bei der der Steuerzahler nicht mehr eingebunden ist, bevor sie das Gesetz angenommen haben.

Kann ein Südtiroler Abgeordneter in diesem großen Parlament etwas ausrichten?
Ja, definitiv. Das hängt nur von seinem Engagement ab. Jeder Abgeordnete sitzt in einem Ausschuss, in dem dann die Gesetze zu einem Bereich ausgearbeitet werden. Herbert Dorfmann ist in dieser Gesetzesperiode in zwei sehr wichtigen Ausschüssen gesessen: im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und stellvertretend auch im ECON-Ausschuss, der sich um Wirtschaft und Währung kümmert. Außerdem ist er für Zentralasien zuständig. Ich habe beispielsweise bei meinem Praktikum in seinem Büro geholfen, die Vorbereitungen für den Besuch der Delegation aus Kasachstan zu organisieren.

Du bist im November letzten Jahres nach Brüssel gezogen, um bei Herbert Dorfmann ein Praktikum zu machen. War das Parlament, Brüssel, Europa anders, als du dir das vorgestellt hast?
Ja. Ich habe im Zuge meines Studiums der Politik- und Kommunikationswissenschaft in München und Siena eigentlich schon viel über Brüssel gelernt, außerdem hat mich die EU-Politik schon immer interessiert. Interessanterweise funktioniert einiges zwar auch so, wie das im Lehrbuch steht, aber vieles fehlt auch: Jeder Abgeordneter hat beispielsweise Assistenten, die meisten um die drei. Ohne diese Assisenten würde in Brüssel nichts funktionieren. Das sind Politologen und Juristen, die Gesetzestexte schreiben, recherchieren und im Hintergrund vieles zum Laufen bringen. Dann gibt es die Lobbyisten, die im Brüsseler Alltag eine große Rolle spielen: Vertreter von Unternehmen und Hilfsorganisationen beobachten, ob etwas passiert, was sie betrifft, und versuchen einzugreifen. Da bekommen die Parlamentarier dann E-Mails mit bereits geschriebenen Änderungsanträgen als Vorlage von Lobbyisten geschickt. Einige machen copy and paste, um sich Zeit zu sparen, aber das ist schon die Ausnahme. Gesehen hat man den Lobbyismus auch zu Weihnachten an der Menge an Geschenken, die Abgeordnete geschickt bekommen haben. Einige italienische Abgeordnete haben schon ziemlich große Geschenkskörbe von der confindustria bekommen.

Wie ist es dazu gekommen, dass du jetzt ganz nach Brüssel gezogen bist?
Nach meinem Praktikum bei Dorfmann war ich richtig gut eingearbeitet. Mir hat die Arbeit im Parlament Freude gemacht, also habe ich mir ein weiteres Praktikum bei einem anderen Abgeordneten aus Österreich gesucht. Im Februar hat mir dann eine Bekannte erzählt, dass bei der ARD gerade eine unbefristete Stelle frei geworden ist. Ich habe vor einem Jahr meinen Bachelor abgeschlossen, und eigentlich wollte ich im Sommer an der Journalistenschule in München meinen Master beginnen. Ich habe eher aus Neugierde dann schnell meinen Lebenslauf geschickt, wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen und hatte wenige Tage später den Job. Erst langsam wird mir klar, was das alles bedeutet. Hier in Brüssel arbeiten zu dürfen, das war immer mein Traum: Ich darf hier Europa leben und daran mitarbeiten.

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