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Lucia Baumgartner
Veröffentlicht
am 21.05.2024
LeuteÜber Geld spricht man (nicht)

Die Ärztin

Veröffentlicht
am 21.05.2024
Ärztin: Ein Beruf mit hoher Entlohnung und noch mehr Ansehen? In unserer neuen Artikelserie „Über Geld spricht man (nicht)“ beleuchtet BARFUSS das Arztsein in Südtirol, räumt mit Klischees auf und zeigt, was wirklich hinter dem Berufsfeld steckt.
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Hanna S. (Name wurde geändert) ist 26 Jahre alt und hat ihr Medizinstudium im Jahr 2022 in Innsbruck abgeschlossen. Seit Anfang des Jahres 2023 arbeitet sie in einem Südtiroler Krankenhaus als Ärztin in der Facharztausbildung. 

BARFUSS: Wo hast du deine Ausbildung absolviert?
Hanna S.: Ich habe von 2016 bis 2022 an der Medizinischen Universität in Innsbruck studiert. Seit ca. einem Jahr habe ich eine Stelle zur Facharztausbildung in Südtirol nach dem österreichischen Modell angetreten.

Wie lange dauert die Ausbildung zur Ärztin?
Die Regelstudienzeit dauert sechs Jahre, welche ich auch einhalten konnte. Die Facharztausbildung dauert dann weitere sechs Jahre.

Konntest du Erfahrungen im Ausland sammeln?
Während meines Studiums war ich neben meinen Praktika in Tirol auch in Oberösterreich und Vorarlberg.  


Wie viel hat dich die Ausbildung gekostet?
Das ist schwierig zu sagen, da es in Österreich keine Studiengebühren gibt, außer den sogenannten ÖH-Beitrag, welcher während meiner Studienzeit pro Semester nicht ganz 20 Euro betrug. Da ich aber im Ausland studiert habe, kommen noch die Kosten für die Miete, Verpflegung, öffentliche Verkehrsmittel usw. dazu.

Die Anerkennung war sehr mühsam, da diese über das Gesundheitsministerium in Rom läuft.

Wie hast du dir die Ausbildung finanziert?
Den größten Teil haben sicherlich meine Eltern übernommen. Da ich jedoch in den Winterferien immer zu Hause gearbeitet habe, konnte ich mir mit der Zeit immer mehr selbst leisten. Zuallererst muss man herausfinden, welches Amt in Südtirol für die Anerkennung des Studiums zuständig ist. Es gibt nicht ein einziges Amt, das alles abwickelt, sondern verschiedene, die sich je nach Studienrichtung unterscheiden können. Anschließend folgen einige bürokratische Hürden, die man bewältigen muss: Man muss das Diplom übersetzen lassen, beim zuständigen Ministerium in Österreich eine EU-Konformitätsbescheinigung für das Studium beantragen, mehrere Einzahlungen tätigen und dann alles nach Rom schicken und hoffen, dass alles vollständig und richtig dort ankommt.

Einige Monate später, in meinem Fall waren es vier Monate, erhält man per Post und E-Mail eine Benachrichtigung über die erfolgte Anerkennung, wobei das auch viel länger dauern kann. Erst dann kann man sich in der Ärztekammer in Bozen eintragen lassen, was aber nur einmal pro Monat bei einer bestimmten Sitzung geschieht. All diese Schritte sind notwendig, um sich in einem Krankenhaus für eine Stelle bewerben zu können. Und selbst dann ist es noch nicht sicher, dass man auch wirklich eine Stelle bekommt.

Wie würdest du das Zusammenspiel zwischen Theorie und Praxis während deines Studiums einschätzen? Konntest du während der Ausbildung genug Erfahrungen sammeln?
Bis zum fünften Ausbildungsjahr müssen während des Studiums regelmäßig Pflichtpraktika von jeweils drei Monaten absolviert werden. Das sechste Ausbildungsjahr besteht dann aus einem zwölfmonatigen Praktikum. Unabhängig davon sind unsere Seminare und Kurse während des Studiums sehr praxisorientiert. Ab dem dritten Jahr besucht man beispielsweise regelmäßig die Klinik und arbeitet dort aktiv mit den Patient:innen. Daher würde ich sagen, dass es ein gutes Zusammenspiel zwischen Theorie und Praxis gibt. Man kann nie genug Erfahrungen sammeln, aber sicherlich einige wichtige Impulse für das Berufsleben erhalten.

Ich denke es ist unmöglich, ausreichend vorbereitet zu sein, vor allem dann, wenn man ganz neu in den Beruf einsteigt.

Hast du das Gefühl, ausreichend ausgebildet zu sein?
Ich denke es ist unmöglich, ausreichend vorbereitet zu sein, vor allem dann, wenn man ganz neu in den Beruf einsteigt. Aber ich lerne sehr schnell. Zudem ist man nie allein und kann erfahrene Kolleg:innen um Rat bitten. Man darf sich nur nicht schämen, auch bei einfachen Dingen nachzufragen.  

Wie reagieren Menschen, wenn du ihnen als junge Ärztin gegenübertrittst?
Jeder Mensch reagiert anders. Manche freuen sich von einer jungen Ärztin behandelt zu werden, andere möchten dann doch lieber von erfahreneren Kolleg:innen untersucht werden, obwohl man sich große Mühe gibt. In der Beziehung mit meinen engen Freunden und meiner Familie hat sich nichts verändert. Manche fragen mich manchmal um Rat und wenn ich helfen kann, dann mache ich das gerne.

Warum hast du dich für einen Berufseinstieg in Südtirol entschieden? Welche Vor- und Nachteile gibt es?
Ich liebe es in Südtirol zu leben, die Lebensqualität, die man hier hat, genießt man nur an wenigen Orten auf der Welt. Weil ich meine Freundschaften und mein soziales Umfeld in Südtirol auch während des Studiums gepflegt habe, wusste ich, dass ich nach meiner Rückkehr gut sozial verwurzelt sein werde. Durch mehrere Praktika konnte ich die konkrete Arbeitswelt in Österreich und Italien kennenlernen und da habe ich gemerkt, dass es nicht auf das Land, sondern auf die Bereitschaft zum Lernen und auf den Einsatz im Team ankommt. Es gibt überall Vor- und Nachteile und überall gibt es kleine Sachen, die man verändern könnte. Nirgendwo ist es perfekt.

Wie viel verdienst du netto im Monat? (+/- 100/200€)  
Mein Grundgehalt beträgt 2.800€ netto im Monat. Dazu kommen noch die Zulagen für die Nachtdienste, von denen ich pro Monat zwei bis drei habe. Pro Nachtdienst bekommt man ungefähr 300 bis 400€.

Der Gedanke an das mögliche, spätere Gehalt war während des Studiums ein Ansporn und ein Grund dafür, durchzuhalten.

Hat dich das (wahrscheinliche) Gehalt bei der Auswahl deines Studiums beeinflusst?
Meine Erziehung und meine schulische Ausbildung haben sicherlich dazu beigetragen, dass ich mich für ein Studium entschieden habe. Ich habe immer die Herausforderungen gesucht und hatte immer schon ein großes Interesse für die Naturwissenschaften. Die Entscheidung für ein Medizinstudium war also naheliegend. Wenn ich die Aufnahmeprüfung allerdings nicht beim ersten Mal geschafft hätte, hätte ich wahrscheinlich Pharmazie studiert oder mich vielleicht für ganz was anderes entschieden. Der Gedanke an das mögliche, spätere Gehalt war während des Studiums ein Ansporn und ein Grund dafür, durchzuhalten. Aber sicher nicht der Anlass, Medizin zu studieren.

Wusstest du bereits, wie viel du circa verdienen wirst?
Ich hatte mich bei einigen Assistenzärzten erkundigen wollen, aber die wollten mir nie genaue Angaben geben. Ich wusste, dass das Gehalt für eine:n Berufseinsteiger:in in dieser Branche hoch war, meiner Meinung nach sogar überdurchschnittlich hoch, wenn ich an das Gehalt anderer Berufseinsteiger:innen in anderen Bereichen dachte.

Findest du dein Gehalt, im Hinblick auf das, was du leistest, angemessen bzw. gerecht?
In den ersten Monaten meiner Arbeit wurde ich vor allem von anderen, erfahrenen Ärzt:innen eingelernt. Da hatte ich noch wenig Verantwortung zu übernehmen und keine „großen“ Entscheidungen zu treffen. In dieser Zeit fühlte ich mich überbezahlt. Nach und nach musste und durfte ich mehr Verantwortung übernehmen. Wenn ich heute darüber entscheiden muss, ob ich eine:n Patient:in, der in der Notaufnahme sitzt, nach Hause entlasse oder auf die Station aufnehme, finde ich mein Gehalt angemessen. 

Wenn du mehr verdienen möchtest, welche Möglichkeiten bzw. Aufstiegschancen hättest du?
Während der sechs Jahre in der Facharztausbildung bleibt das Gehalt grundsätzlich gleich. Wenn man dann als ausgebildete:r Fachärzt:in arbeitet, ändert sich das Gehalt. Nach einigen Jahren bekommt man wieder eine Gehaltserhöhung.

Wie viel würdest du verdienen, wenn du in Österreich, der Schweiz oder in Deutschland mit deiner Ausbildung arbeiten würdest?
In Österreich hängt es davon ab, in welcher Klinik und in welchem Bundesland man arbeitet. Studienkolleg:innen haben mir erzählt, dass das Grundgehalt in Innsbruck zwar höher als in Südtirol ist, aber bereits eine bestimmte Anzahl an Nachtdiensten und Überstunden umfasst. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man in Vorarlberg und im Burgenland mehr als in Südtirol verdient. Einige Kolleg:innen haben ihre Ausbildung in der Schweiz gemacht, aber mit ihnen habe ich nie konkret über das Gehalt gesprochen. Zu Deutschland kann ich leider keine Angaben machen. Es ist auch wichtig zu erwähnen, wie die Ausbildung nach den italienischen Ausbildungsmodellen vergütet wird. Nach diesen erhält man nämlich kein Gehalt, sondern ein Stipendium, das für die gesamte Dauer der Ausbildung zwischen 1400 und 1700 Euro pro Monat beträgt, ohne Einzahlung in die Pensionskasse.

Findest du, dass die Gesellschaft dein Berufsbild genügend wertschätzt?
Ich würde sagen, dass zweisprachige Ärzt:innen mehr wertgeschätzt werden als einsprachige. Patient:innen fühlen sich besser behandelt, wenn sie ihre Erstsprache sprechen können. Grundsätzlich würde ich auch sagen, dass das Ansehen von Ärzt:innen generationenabhängig ist: Ältere Menschen schätzen Ärzt:innen mehr als jüngere Menschen.

Was würdest du dir für dein Berufsbild wünschen?
Ein wichtiger Punkt wäre sicher die Vereinfachung der Studienanerkennung. Diese sollte schneller und mit weniger Bürokratie verbunden sein. Alle meine Studienkolleg:innen, die in Österreich geblieben sind, um dort zu arbeiten, konnten sich noch während des Studiums für eine Stelle bewerben und am Tag nach dem Studienabschluss ihre Arbeit antreten. Viele sagen daher: „Ich suche mir gleich eine Stelle in Österreich, bevor ich in Südtirol viele Monate auf meine Anerkennung warten muss und dann nicht einmal sicher bin, ob ich eine Stelle bekomme.“

Zweitens bedauere ich sehr, dass die Politik und auch der Sanitätsbetrieb Geld in die Ausbildung von Ärzt:innen an privaten Universitäten im Ausland investieren, anstatt die im Ausland an öffentlichen Universitäten studierenden Jungmediziner:innen anzuwerben. Ich wurde im Rahmen meines Studiums nur einmal zu einem Treffen der SABES in Innsbruck eingeladen, während andere Kliniken jährlich Messen und Informationsveranstaltungen abhalten, um Jungärzt:innen anzuwerben.

Drittens müsste man die Ausbildung und vor allem die spätere Arbeit der Allgemeinmediziner:innen anders gestalten. Wenn ich sehe, welche Mittel mein Hausarzt nutzt, um seine Patient:innen zu betreuen, erinnert mich das an Zeiten weit vor dem 21. Jahrhundert. Alle Hausärzt:innen sollten ein kleines Labor, ein EKG und ein Ultraschallgerät haben, um die Patient:innen gut betreuen zu können. Dadurch könnten die Krankenhäuser und vor allem die Notaufnahmen entlastet werden.

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