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Wenn in Kastelruth die Sonne untergeht und es dämmert, packt Fabian Dalpiaz seine Fototasche. Ein Moment, dem der junge Fotograf immer wieder in stundenlangen Vorbereitungen entgegen fiebert. Denn die Idee, die der 16-Jährige seit Wochen oder Monaten verfolgt, soll in dieser Nacht Form annehmen. Kamera, Objektiv, Stativ und Batterien sind alles, was er dazu braucht. „Den Rest erledigen der Ort, die Stimmung, das Licht, die Sterne und natürlich mein Wissen über die Natur“, sagt Fabian selbstsicher.
Für den perfekten Schuss surft er ständig auf den Webcam-Seiten des Landes, behält das Wetter im Auge, informiert sich über astronomische Phänomene und radelt auf seinem E-Bike zu den besten Locations in Südtirol. Nach langem Ausharren, sogar bei Minusgraden, betätigt er schließlich den Auslöser.
Als er mit 13 Jahren sein erstes Zeitraffer-Video mit dem Handy drehte, ahnte Fabian wohl noch nicht, dass seine Fotos es einmal sogar bis nach London schaffen würden. „Damals habe ich mein Handy ans Fenster geklebt, weil ich noch kein Stativ hatte“, erinnert er sich. Vor etwa drei Jahren hat sich Fabian dann seine erste Filmkamera samt Stativ gekauft, um professionelle Videos zu drehen. Bald schon wurde ihm aber klar, dass man Gewitter und andere Naturphänomene besser auf Fotos festhalten kann.
Mit Youtube-Videos vertiefte er sein Wissen über die richtigen Kameraeinstellungen, probierte immer wieder Neues aus und lernte ständig dazu. Heute fotografiert der Autodidakt unter dem Namen „Anyfoto“ vor allem Landschaften unter Sternenhimmel. „Ich war von Anfang an von der Nachtfotografie fasziniert“, meint Fabian, „dabei fotografiere ich etwas, was man mit freiem Auge gar nicht sehen kann.“
Mittlerweile weiß der junge Kastelruther genau, zu welcher Jahreszeit der Saturn wo am Horizont auftaucht oder wann die Milchstraße über dem Schlern am besten sichtbar ist. Für den perfekten Schuss müsse man sich eben nicht nur mit der Technik, sondern auch mit dem Motiv auseinandersetzen. 70 Prozent seiner Arbeit fließe in die Vorbereitung, 30 Prozent in die Ausführung und 10 Prozent in die Nachbearbeitung. Auf dem Computer verändert er am Ende lediglich den Kontrast des Himmels.
In der Fotografie hat der junge Kastelruther das gefunden, was er vorher in anderen Hobbys und Sportarten gesucht hat. „Ich war immer schon ein Einzelgänger und wollte meine Freizeit mit etwas füllen, das ich gut kann und das mir auch Spaß macht“, sagt Fabian. Obwohl er erst 16 Jahre alt ist, hat ihn seine Mischung aus Leidenschaft und Zielstrebigkeit bereits weit gebracht.
Neben selbst organisierten Ausstellungen hat Fabian auch schon den ein oder anderen Preis abgeräumt. Zuletzt reiste er mit seinem Vater nach London, wo er sich beim internationalen Fotowettbewerb „Insight Astronomy Photographer of the Year” in der „Young Competition” gegen 186 Fotografen aus aller Welt durchsetzen konnte. Der Preis war mit 5.000 Dollar dotiert. „Während der Verleihung hatte ich das Gefühl, beim Oscar zu sein“, meint Fabian und strahlt, „und trotzdem wäre ich fast lieber Zuhause gewesen bei diesem super Vollmond“.
Fabians Siegerfoto trägt den Titel „great autumn morning“ und zeigt die Seiser Alm mit Blick auf Sellastock, Platt-und Langkofel in der Morgendämmerung. Gelobt wurde von der Jury vor allem Fabians Stil. „Immer wieder höre ich, dass meine Bilder aussehen wie Gemälde“, meint er und zuckt mit den Schultern, „ich weiß auch nicht, woher das kommt.“
Dabei wurde er in der Mittelschule noch von seiner Kunstlehrerin ausgelacht, als er ihr erzählte, dass er die Grafikschule in Bozen besuchen wolle. Talent habe er kein besonderes, meinte diese damals. Nun hängt Fabians Siegerfoto für einige Zeit im National Maritime Museum in London, zusammen mit zwei Millionen anderer Exponat. Außerdem ist es als Druck und als Postkarte im Museum erhältlich.
Die Zeit in der Schule sieht Fabian oft als Verschwendung. „Mir fehlt die Innovation und der Fortschritt. Ich bin schließlich neugierig und will immer weiter dazulernen und nicht zum dritten Mal in Folge die Porträtfotografie durchnehmen“, sagt der 16-Jährige. In der Natur wird ihm hingegen nie langweilig. Schließlich gebe es in Südtirol noch unzählige Motive, die er festhalten will. „Und die Natur taucht diese immer wieder in ein neues Licht“, erklärt Fabian, „das motiviert mich wahnsinnig“. Wenn der Naturliebhaber sein linkes Auge an die Kamera hält und durch die Linse blickt, öffnet sich seine ganz eigene Welt. Vier Terabite Speicher hat er damit bereits gefüllt. „Aber Speicher kostet ja nichts“, sagt Fabian und lacht.
Momentan arbeitet er an einem Herbst-Zeitraffer, für den er hunderte von Fotos quer übers Hochplateau und bis zum Pragser Wildsee knipst. Wenn Fabian nicht das Fotografieren zu seinem Beruf macht, möchte er am liebsten Flughelfer werden. So könne er den ganzen Tag in der Natur sein und vielleicht nebenher noch das eine oder andere Motiv einfangen, meint er. So schnell wie mit einem Hubschrauber sei er mit seinem E-Bike nämlich nicht unterwegs.
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