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Vera Mair am Tinkhof
Veröffentlicht
am 12.05.2013
LeuteAuf a Glas'l

Der Kommunist

Veröffentlicht
am 12.05.2013
In den 70ern, sagt man, gingen alle schon deshalb zu den Linken, weil sie die schönsten Frauen hatten. Heute haben sie die schönsten Männer.
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David Augscheller, der Vertreter des Partito della Rifondazione Comunista, sitzt für seine Partei im Meraner Gemeinderat. BARFUSS trifft ihn im Caffé Kunsthaus in Meran. Er trinkt einen Kaffee, schwarz, und ein Glas Wasser. Es geht los.

Herr Augscheller, wie alt sind Sie?
44.

Es gibt den Satz: Wer mit zwanzig kein Kommunist ist, hat kein Herz, aber wer mit vierzig immer noch einer ist, hat keinen Verstand.
Dem liegt ein gravierendes Missverständnis zugrunde: Dass Kommunist sein jugendliche Rebellion voraussetzt, also sehr emotional sei, während man im seriösen Alter dann vernünftig wird. Das stimmt so aber nicht. Wenn man sich die heutige Welt anschaut, die vielen Kriege, Konflikte und Krisen, die einher gehen mit der Ausweitung einer kapitalistischen Ideologie – dann sagt mir meine Ratio, dass es eine Änderung braucht. Für mich ist die kommunistische Theorie ein vernünftiges Instrument, die Welt zu verstehen. Deswegen denke ich, dass man auch und gerade im Alter, mit zunehmender Fähigkeit, die Welt zu verstehen, zunehmend kommunistisch wird. Bei mir ist das jedenfalls der Fall. Es braucht eine Systemänderung.

Trotzdem wird man leicht als naiv verdächtigt.
Ich finde das alles andere als naiv, im Gegenteil. Ich finde es naiv zu glauben, dass unser kapitalistisches System den Weltfrieden und Gerechtigkeit garantiert. Dieser Glaube wird durch die Realität tagtäglich widerlegt.

Wann gings bei Ihnen los mit der Politik?
Politisch interessiert war ich immer schon, auch an der Uni war ich schon aktiv. Ende der 90er bin ich schließlich zum Partito della Rifondazione Comunista gestoßen, und seit 2005 bin ich im Gemeinderat von Meran.

Um gleich mal mit Klischees weiterzumachen: Haben Sie mal in einer Komune gewohnt?
In einer WG schon, in einer Komune nicht. Ich glaube, ich wär da nicht der Typ dafür.

Freie Liebe?
Ich denke, die Liebe prinzipiell ist eine sehr persönliche Ebene. Und wenn jemand die freie Liebe bevorzugt als Lebensstil, ist da überhaupt nichts dagegen zu sagen.

Politisches Vorbild?
Schwierige Frage. Ich habe nicht Vorbilder, die ich nachahmen will, aber es gibt sicher Persönlichkeiten, die mich faszinieren: Ernesto Guevara zum einen, Antonio Gramsci natürlich. Auch und vor allem Rosa Luxemburg, die die kommunistische und sozialistische Theorie geprägt hat im Sinne einer Ideologie, die die Freiheit der Individuen anstrebt. Auch Sartre fällt mir da ein, der sagte: „Die Menschen sind zur Freiheit verurteilt.“ Wir sind frei. Es geht nicht anders, als freie Entscheidungen zu treffen, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das muss auch die Politik übernehmen: In dem Sinn, dass sie sich als Instrument zur Veränderung der Welt sieht, und nicht als Vertreterin von Lobby-Interessen, wie es derzeit der Fall ist. Nicht alle Politiker sind aber gleich.

Artikuliert, reflektiert, Sartre-zitierend: Da können viele andere schon mal nicht mithalten.
Augscheller findet immer ein großes Ganzes hinter den kleinen Dingen. Er bringt philosophische Überlegungen und geschichtliche Hintergründe in die Argumentation mit ein, assoziiert und referenziert.

Teilen Sie auch aktuelle Parolen der deutschen Linken, wie etwa die Forderung nach dem bedingungslosen Grundeinkommen?
Ja, unbedingt.

Und auch die Forderung nach einem Höchsteinkommen von maximal 40.000 Euro?
Als Partei sagen wir, dass es auf jeden Fall ein neues Steuersystem braucht und eine Umverteilung unbedingt notwendig ist. Ich persönlich bin auch für ein Höchsteinkommen. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist die, dass das höchste Einkommen nicht das Zehnfache des niedrigsten Einkommens überschreiten darf. Wenn ein Arbeiter 1.000 Euro im Monat verdient, darf der Generaldirektor nicht mehr als 10.000 Euro verdienen.

Schränken Sie so nicht die Freiheit des Individuums ein, die sie vorhin genannt haben?
Die Frage ist: Wie definiert man Freiheit? Freiheit kann auch sein, mit meinem Geld in ein Dritte-Welt-Land zu fahren, dort Land aufzukaufen und die Leute auszubeuten. Das passiert in der Praxis. Es gibt genug Unternehmen, die im Sinne dieser Freiheit andere Länder ausbeuten. Es geht uns nicht um einen Einschnitt der persönlichen Freiheit, sondern darum, dass ein Staat die Interessen des Kollektivs vertritt und dafür sorgen muss, dass auch die Mittellosen ein würdevolles Leben führen müssen. Ein Manager, der 10.000 Euro im Monat verdient, muss niemandem leid tun.

Verstehen Sie aber den Reiz des Kapitalismus, dieses Versprechen alles werden zu können, während Sie sagen: Bis hierher kommst du und nicht weiter?
Der Traum vom Tellerwäscher zum Millionär, der American Dream, der sagt, wenn du nur willst, dann schaffst du es auch – das ist bis auf wenige Ausnahmen eine Utopie. Nur mit Wollen schafft man es nicht. Das setzt auch ein System voraus, in dem jeder gegen jeden kämpft. Natürlich verstehe ich, dass der Gedanke eine gewisse Faszination hat. Aber das Weltbild, das wir vom Kapitalismus haben, driftet von der Realität weit auseinander.

Bei uninteressanteren Leuten erweist sich dieses Format ja als gnädig, da das Glas meistens leer ist, bevor das große Gähnen kommt. Ach, sagt man dann wenn ausgetrunken ist, jetzt ist schon vorbei, das ist aber schade. Tja, da kann man wohl nichts machen.
Dann gibt es solche Gesprächspartner, wo man das geleerte Glas gern ignoriert und immer noch zuhört, auch wenn das Konzept dieser Rubrik etwas anderes vorsieht. Wir haben also ein bisschen geschummelt und zeitlich überzogen. Das möge hier verziehen sein.

Können Sie mit dem Leistungsprinzip etwas anfangen?
Wieder eine Frage: Wie vergleiche ich Leistung? Wie vergleiche ich etwa die Leistung eines 60-jährigen Maurers, der im Sommer bei glühender Hitze arbeiten muss, mit der eines Universitätsprofessors, der einen Job macht, der ihn erfüllt und der gutes Einkommen garantiert?

Sie unterrichten ja auch (Geschichte und Deutsch an der FOS Meran, Anm. d. R.). Vergeben Sie Noten?
Ich tue es, weil es dazu gehört. Persönlich würde ich aber ein Bildungssystem bevorzugen, das nicht bewertet, denn eine Bewertung ist nicht zielführend. Wissen ist eines der wenigen Dinge, die einen Selbstzweck erfüllen. Bildung darf nicht nur zweckgebunden sein: als technisches Wissen, das ich unmittelbar in Ergebnisse umsetzen kann. Bildung bereichert den Geist, es ermöglicht das Verständnis meiner Welt, es ermöglicht kritische Reflexion, vor allem auch Emanzipation eines Individuums. Das ist der Grundauftrag jedes Bildungssystems. Und Bewertung und Noten hindern diesen, weil Schüler dann dazu tendieren, für die Note zu lernen und nicht für den Inhalt. Sie empfinden dann den Inhalt nur als Instrument, um die Note zu bekommen.

Begegnen die Leute einem als Kommunisten eher skeptisch?
In den letzten Jahren eigentlich weniger als früher. Vor allem bei Jugendlichen im städtischen Raum finde ich diese Vorurteile nicht mehr so stark. Ich habe mittlerweile einige Wahlkämpfe gemacht und viele Unterschriften für Referenden gesammelt. Dabei merke ich, dass es den Leuten hauptsächlich um die Inhalte geht. Das unterscheidet sich von früher, wo man eher einen ideologischen Zugang hatte, und man abgeurteilt wurde, je nachdem zu welcher ideologischen Richtung man gehörte.

Glauben Sie an einen Gott?
Nicht wirklich. Ich bin Agnostiker, das heißt ich stelle mir die Frage nicht, weil ich sowieso keine Antwort kriege. Wer weiß. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es einen gibt. Ich denke, wir sind Teil der Natur, und nach dem Tod werden wir wahrscheinlich wieder Teil dieser Natur.

Mit wem würden Sie gern auf ein Glas gehen?
Mit Michel Foucault, dem französischen Philosoph. (überlegt kurz) Oder Kafka. Ich liebe Kafka als Autor.

Und Brecht vermutlich.
Brecht natürlich auch.

Waren Sie schon mal kurz davor, zum Kapitalismus überzulaufen?
Nein, eigentlich nie. Ich bin jemand der viel liest, viel mit Menschen spricht, gern reist, und mir fällt immer wieder auf, was der Kapitalismus der Welt antut. Der Versuchung bin ich nie erlegen.

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