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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 21.12.2017
LeuteTVT in Algund

Das Tausch-Geschäft

Veröffentlicht
am 21.12.2017
Kleidung kostenlos aus zweiter Hand anzunehmen, bedeutet nicht, arm zu sein. Im Algunder Tausch-Verschenk-Treff setzt man auf Nachhaltigkeit und will inspirieren.
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Der Duft hier erinnert an einen Second-Hand-Laden und macht neugierig. Vor der hellen Theke im Eingangsbereich stehen die Menschen in einer langen Schlange, die bis zur nächsten Tür reicht. Allesamt halten sie einen Pack Klamotten zwischen ihre Arme geklemmt. „In der ersten Stunde geht es bei uns immer so zu“, beruhigt Elisabeth Wolf Cianetti und begleitet mich in den unteren Stock des TVT. Das Kürzel steht für Tausch-Verschenk-Treff und Elisabeth ist dessen Begründerin. Vor einigen Jahren bereits habe die Algunderin von einer befreundeten Caritas-Mitarbeiterin erfahren, dass immer wieder auch einheimische Menschen gerne Kleidung bei den Ausgabestellen der Caritas holen würden. Wirklich trauen würde sich aber niemand. Viel eher schäme man sich, etwas von der Caritas anzunehmen. „Das kann doch nicht sein, habe ich mir damals gedacht“, erinnert sich Elisabeth. Also hat sie, gemeinsam mit Bürgermeister Ulrich Gamper, kurzerhand die Initiative ergriffen und um die gebrauchte Kleidung ganz einfach einen einladenden Rahmen gebaut.

Der TVT von außen

Direkt neben der Algunder Kirche hat das zweistöckige Lokal im April 2016 seine Tore geöffnet. In zwei Ausstellungsräumen und einem Lagerraum findet – fein geordnet – jede Art von Kleidung, Handtüchern, Bettwäsche, Schuhen, Kinderspielsachen und das eine oder andere Haushaltsgerät seinen Platz. Die Raum-Miete übernimmt die Gemeinde. Ansonsten halten den TVT freiwillige Spenden am Leben. „Aber vor allem die Arbeit unserer freiwilligen Helferinnen, ohne die es den TVT nicht geben würde“, fügt Elisabeth hinzu. 20 Frauen stellen an die 1.300 Stunden ihrer freien Zeit dem Tausch-Verschenk-Treff zur Verfügung. In zwei Teams aufgeteilt, öffnen sie den Laden einmal am Dienstagnachmittag und einmal am Donnerstagvormittag. „Dann wird aussortiert, eventuell gewaschen, nach Größen geordnet, gefaltet und in den Ausstellungsräumen eingeordnet“, erklärt Elfi und streicht mit ihrer rechten Hand ein kleines, blau gestreiftes Kindershirt zurecht. Die flinke Algunderin war jahrelang Besitzerin einer Putzerei und kennt jeden Stoff auf Berührung. Sowohl ihre Erfahrung als auch ihre Freizeit schenkt sie gerne dem Verein. Jeder Mensch brauche schließlich eine Beschäftigung und sozial sei das Ganze obendrein auch noch. Mittlerweile sind die Frauen zu einer großen Gemeinschaft herangewachsen, immer wieder trifft man sich auch außerhalb vom TVT.

„Leute vom Dorf kommen gerne zu einem Ratscher hier vorbei, auch wenn sie nichts brauchen.“

„Wir haben unser Geschäft aber nicht umsonst Treff getauft“, meint Elisabeth. „Leute vom Dorf kommen gerne zu einem Ratscher hier vorbei, auch wenn sie nichts brauchen.“ 130 Besucher pro Woche verzeichnet das Tausch-Geschäft in Algund. Durch das rege Treiben wird das gesamte Lager alle zwei bis drei Monate erneuert. „So findet auch jemand, der öfter vorbeikommt, immer wieder frische Stücke“, meint Elisabeth. Der Bürgermeister selbst war bisher zwei Mal im netten Laden neben der Kirche. Heute steht er zwischen den Kartons im Lager und strahlt mit der Vereinschefin um die Wette. „Wir sind stolz, mit dieser Einrichtung eine nachhaltige Alternative zum Konsum zu bieten“, sagt er. Am besten werde diese von jungen Frauen angenommen. Jugendlichen und älteren Generationen würde der Umgang mit der neuen Form des „Shoppings“ noch etwas schwerer fallen. „Ich gebe zu, auch ich muss mich immer noch daran gewöhnen“, meint der Bürgermeister und grinst schelmisch.

Einige der freiwilligen Helferinnen mit Elisabeth Cianetti (2. v. l.)

„Man kommt nicht in den TVT, weil man zu arm für neue Kleidung ist, sondern weil man nachhaltig denkt. Und dafür muss man sich beim besten Willen nicht schämen.“

Die Kleidung im TVT kommt aus ganz Südtirol. „Wir haben oft Teile, da ist noch das Etikett dran“, staunt Elfi. Beim Stöbern durch die Regale und Kleiderstangen wird man tatsächlich das Gefühl nicht los, in einem klassischen Second-Hand-Shop zu stehen. Von 90er-Jahre-Klamotten über Trachten bis hin zu richtig moderner Kleidung findet man im TVT alles – Sommer wie Winter. Einziger Unterschied zum klassischen Second-Hand-Laden: Alles ist gratis! Jeder Kunde darf pro Besuch fünf Teile kostenlos mitnehmen. „Ab und zu machen wir aber auch eine Ausnahme“, sagt Kassenfrau Chrissi, „da sind wir nicht so streng.“ Einzig bei den warmen Männerschuhen und Jacken gilt eine Sonderregelung. Weil diese immer Mangelware sind, darf davon jeder nur ein Stück oder Paar mitnehmen.

Im Vordergrund steht für Elisabeth und ihr Team die Nachhaltigkeit. „Man kommt nicht in den TVT, weil man zu arm für neue Kleidung ist, sondern weil man nachhaltig denkt“, meint sie, „und dafür muss man sich beim besten Willen nicht schämen.“

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