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Barbara Balldini sitzt vor einem Spiegel in der Garderobe des Waltherhauses in Bozen. Hier bereitet sie sich auf ihren Auftritt in einer knappen Stunde vor. Sie trägt ein kleines Schwarzes, Pumps mit gut 15 Zentimeter hohen Hacken und roten Lippenstift. Sie nippt an ihrem „Weißen gspritzt“ – ein Ritual vor jedem Auftritt. Dann öffnet sie ein Fenster, zieht eine dünne Vogue-Zigarette aus der Packung – ein Nuttenstängel, wie sie sagt – und zündet sie an.
Balldini war Klosterschülerin in Tirol, später arbeitete sie als Elefantenpflegerin im Zirkus, dann viele Jahre als Trainerin in der Erwachsenenbildung. Nach 14 Jahren wollte die praktizierende Buddhistin etwas Neues. Sie dachte sich: An was kommt der Mensch nicht vorbei? Am Sterben und an Sex. „Und weil Letzteres lustiger ist, habe ich eine Ausbildung zur Sexpertin gemacht“, sagt Balldini. Heute ist sie auch Buchautorin und steht mit ihrem Kabarettprogramm regelmäßig vor tausenden Leuten, wo sie schonungslos ehrlich über Sex redet. Alles, was sie erzählt, hat sie selbst erlebt, von ihren Freundinnen erfahren oder von Klienten in ihrer Praxis gehört.
Seit 20 Jahren ist Balldini glücklich mit ihrem Partner liiert. Ihre Kinder im Alter von 30, 28 und 18 unterstützen sie, obwohl sie es nicht immer einfach hatten „mit ihrer übersexualisierten Mutter“. Viele halten die 51-Jährige für schräg. „Das ist mir aber scheißegal“, sagt sie und grinst.
Sie waren Klosterschülerin, hat das etwas damit zu tun, dass Sie sich jetzt so viel mit Sex beschäftigen?
(lacht) Das hat sicher was mit dem Kloster zu tun. Man sagt ja immer, die Klosterschülerinnen seien die wildesten, das kann ich nur bestätigen. Ich muss aber dazu sagen, dass ich auch keine Eltern hatte, bei denen ich abschauen konnte, wie es zwischen Mann und Frau so zugeht. Insofern war ich ein völlig weißes Blatt, sehr neugierig und weder negativ noch positiv geprägt.
Welche Art von Sex bevorzugen Sie?
Wenn ich an manchen Tagen in der Praxis sitze und höre, was mir meine Klienten erzählen, dann gehe ich nach Hause und sage: Schatz, wir haben Blümchensex. (grinst) Ich mag authentischen Sex und keinen, wo es um Technik oder Gewalt geht. Man muss es nicht extrem treiben, damit es toll ist. Wir beide sollen richtig viel Spaß haben, da kann es natürlich auch mal ausgefallen, wild und ein bisschen versaut sein.
Wann hatten Sie das letzte mal Sex?
Nicht so lange her, weil die Balldini hat regelmäßig richtig guten Sex. (grinst und zieht an der Vogue)
Dann war er gut?
Na klar. Also natürlich ist der Sex nicht immer gleich gut, manchmal macht man auch den Alltagssex, weil einem fad ist, weil man nichts Besseres zu tun hat oder es sich zeitlich mal ausgeht.
Was macht guten Sex aus?
Guter Sex ist für Frauen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie gemeint sind, dass der Mann nicht Sex macht, weil er geil ist, sondern dass er die Lady persönlich meint. Dass er der Frau das Gefühl gibt: „Wegen dir bin ich so narrisch, du machst mich so verrückt und ich liebe deine Haare, deinen Geruch, deinen Körper … Ich muss mich darin verkriechen.” Frauen wollen wahrgenommen werden, berührt werden, wir wollen uns fallen lassen können und das Gefühl haben, der Mann begehrt uns.
Und für Männer?
Für Männer ist der Sex sowieso komplett anders. Männer wollen einen Orgasmus haben, Männer wollen ihr Ding unterbringen. Das Ziel ist das Ziel. Ein Mann muss sich nicht unbedingt verlieben, er will einen Orgasmus haben und je öfter, desto besser.
Letztendlich haben Männer auch sexuelle Fantasien aufgrund der ganzen Pornogesellschaft. Sie hätten es gerne auch mal wahnsinnig versaut und dass die Frau mal die Hure oder Pornodarstellerin heraushängen lässt.
Ihre Bücher heißen: „Besser Schlampe als gar kein Sex” und „Einmal Schlampe, immer Schlampe“. Wann ist man denn eine Schlampe?
Eine Schlampe ist eine Frau, die weiß, was sie will, und die sich nimmt, was sie braucht. Wenn eine Frau dazu noch mehrere Liebhaber hat, dann ist sie sowieso eine Schlampe. Für mich ist der Begriff aber nicht negativ besetzt.
Warum sind Männer Helden, wenn sie mehrere Frauen haben, Frauen hingegen Schlampen?
Der Mann ist ja der Jäger. Der Mann muss möglichst viel vorweisen können. Er ist super, wenn er viele Eroberungen hat. Eine Frau will im Grunde den einen Mann, den Ernährer. Der ist aber meistens nicht sexy in ihren Augen. Sie will beides haben: den Ernährer und das Sexsymbol. Wenn der aber dann auch andere Frauen aufreißt, will sie das natürlich auch nicht. Sie heiratet also den Ernährer und geht mit dem rasenden Liebhaber fremd. (lächelt)
Wie passen Kabarett und Sexualpädagogik zusammen?
Sexualität soll ja auch etwas Lustiges sein. Im Wort lustig steckt ja Lust schon drin, man soll ja auch im Bett und in der Beziehung Spaß haben, das ist ein wichtiger Faktor für guten Sex. Wenn wir keinen Spaß in der Beziehung haben, dann haben wir keine Glückshormone im Körper, wir brauchen aber die Glückshormone, damit wir überhaupt Bock auf Sex haben und deswegen passen Spaß und Sex natürlich zusammen.
Fühlen sich Ihre Klienten dann noch ernst genommen?
Sie haben natürlich Angst, dass ich ihre Probleme auf die Bühne bringe und sind am Anfang beunruhigt. Aber nachdem sie das Kabarett gesehen haben, wissen sie, dass sie alle nicht genannt werden, sondern es maximal heißt: Neulich war ein Pärchen bei mir in der Praxis …
Warum kommen Leute zu Ihnen in die Praxis?
Hauptsächlich wenn sie leiden. Entweder weil sie zu wenig Sex haben, weil sie keine Lust auf Sex haben oder weil sie Störungen haben, wie die frühzeitige Ejakulation oder die Erektion. Es kommen Männer und Frauen, die fremdgehen und Dreierbeziehungen führen, das ist ungefähr die Hälfte aller Bürgerinnen und Bürger. Dann kommen Menschen mit Fetischen, wie Fußfetisch oder perversere Arten, über die ich jetzt nicht spreche. Es ist aber meistens fünf nach zwölf, meistens ist die Frau dann schon weg.
Dann sind es mehr Männer, die zu Ihnen kommen?
Ja über 90 Prozent. Die Frauen reden mit ihren Freundinnen darüber. Die Männer reden ja nicht über Störungen, sondern über Leistung. So oft ist sie gestern gekommen und so oft ist er mir gestanden. Sie würden niemals sagen: Gestern war ich so aufgeregt, da ist er mir nicht gestanden, ist dir das auch schon mal passiert? Männer gehen eher zum Arzt und fragen nach Viagra. Sie wollen das chemisch lösen, damit sie nicht darüber reden müssen. Wenn sie zu mir kommen, haben sie meist einen irren Leidensweg hinter sich.
Und was raten Sie Klienten, wenn der Partner keine Lust auf Sex hat?
Auf keinen Fall nötigen, auf keinen Fall Sexspielzeug mit nach Hause bringen, Reizwäsche anziehen oder Pornos schauen, sondern einfach reden. Tut mir Leid, die Männer hören es nicht gerne, aber Kommunikation ist der beste Weg zu einer fröhlichen Muschi. Die Männer müssen ihre Frau fragen: Auf was stehst du, was kann ich anders machen? Die Frauen müssen dann aber auch reden und nicht sagen: Passt alles, ich bin nur gestresst, die Kinder …
Wir haben alle nicht gelernt, über unsere Sexualität zu reden und das ist der Punkt. Wenn ein Liebhaber schlecht war, dann ist Frau nachher telefonisch einfach nicht erreichbar, aber keine sagt: Du warst der schlechteste Liebhaber aller Zeiten. Das sollten die Männer aber wissen, denn sonst denken sie die ganze Zeit, sie waren super. (lacht) Man muss offen reden. Wenn der Mann mit der Zunge im Ohr herum gräbt und die Frau das nicht will, es ihm aber nicht sagt, dann macht er es das nächste Mal wieder, weil er glaubt, sie steht darauf.
Es heißt do it or lose it: Wie frischt man eine Beziehung wieder auf?
Nach zwei Jahren lässt die sexuelle Anziehungskraft nach, nach vier Jahren stößt der Körper keine Glückshormone mehr aus, wenn der Partner den Raum betritt. Es ist ganz wichtig, dass man Liebespaar-Zeiten hat, dass man zum Beispiel einmal im Monat einen Abend fix reserviert, wo man zusammen ehrlich spricht, wie es in der Beziehung geht und was man sich wünscht. Wichtig ist auch, den Partner zu loben. Kommunikation ist das wichtigste. Paare reden nach vier Jahren nur noch sieben Minuten am Tag miteinander. Man lebt zusammen wie Bruder und Schwester und redet erst dann Klartext, wenn der Liebhaber oder die Liebhaberin da ist und dann fällt man aus allen Wolken.
Was führt zu einer glückliche Beziehung?
Zeit zusammen verbringen, zusammen reden, lachen, ausgehen, eine kinderfreie Zone haben, sich loben und unterstützen. Der Schlüssel für eine glückliche Beziehung ist: Nur wer mit sich selber im Reinen ist, braucht den anderen nicht, um seine Bedürfnisse zu stillen. Der Partner ist nicht verantwortlich für mein Glück. Bis dahin ist es aber ein langer Prozess.
Und welchen Stellenwert soll Sex in der Beziehung haben?
Sex hat einen großen Stellenwert, weil er so wichtig ist, wie atmen und essen. Es ist ein Grundbedürfnis des Menschen, man soll es aber auch nicht zu sehr aufblasen. Ich finde es ja schon sexuell, wenn mir mein Mann in den Nacken haucht und beißt. Berührung ist einfach wahnsinnig wichtig. Wir Frauen lassen uns aber oft schon gar nicht mehr berühren, aus Angst, dass er eh wieder sein Ding unterbringen will.
Sie sagten mal in einem Interview: „An Monogamie habe ich nie geglaubt.” Sind Sie dann eher für offene Beziehungen?
Ja absolut. Ich habe auch eine offene Beziehung. (lacht)
Und das funktioniert?
Ja, weil mein wunderbarer Haupt-Mann so denkt wie ich: Keiner gehört dem anderen, wir sind freiwillig zusammen und so lange wir uns lieben und verehren, uns unterstützen, ehrlich miteinander umgehen und zusammen Spaß haben, wird uns keine Außenbeziehung gefährden. Unser Deal ist auch, so lange es unsere Beziehung nicht persönlich betrifft: Klappe halten. Wir leben das schon lange und es funktioniert, dafür braucht es aber auch ein hohes Maß an Verantwortung, um den anderen nicht zu verletzen. Man muss sehr reif sein und darf nicht alles persönlich nehmen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die nächsten Auftritte mit dem Programm BALLDINI KOMMT in Südtirol:
Do, 18.06.15 – Bruneck, Haus Michael Pacher
Fr, 19.06.15 – Bozen, Waltherhaus
So, 21.06.15 – Meran, Kursaal
Di, 23.06.15 – Brixen, Forum
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