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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 23.11.2015
LeuteAuf a Glas'l mit Nadya Ochner

„Aufgeben ist kein Thema“

Veröffentlicht
am 23.11.2015
Nadya Ochner war bei der Olympiade in Sotschi und träumt jetzt von einem Weltcupsieg. Die Snowboarderin über das Olympia-Gefühl, Erfolge und Tränen auf der Piste.
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Nadya Ochner

Mit fünf das erste Snowboard, mit acht das erste Rennen, mit 17 in die italienische Nationalmannschaft – und jetzt? „Der erste Weltcupsieg natürlich“, antwortet die 22-jährige Snowboarderin Nadya Ochner und zögert dabei keine Sekunde. In diesem Jahr hat Nadya bereits die ersten zwei Europacup-Rennen gewonnen. „Wenn man mitfährt, will man gewinnen“, sagt sie. Die Burgstallerin bezeichnet sich als zielstrebig, konsequent und vertrauenswürdig. Was sie auf der Piste ausmacht, sei ihre Konzentrationsfähigkeit. Vielleicht liegt bei ihr das Snowboarden aber auch einfach in den Genen. Papa Ochner ist Snowboarder und hat früher bei Rennen mitgemacht. Heute ist er neben Nadyas Mama und ihrer Oma ihr größter Fan. Auf die durchtrainierten Arme gestützt sitzt mir Nadya Ochner im Café Fundus in Lana gegenüber.

Nadya, du kommst gerade vom Training?
Ja genau. Momentan trainiere ich montags und freitags zwei Mal am Tag für zwei bis drei Stunden. Im Sommer läuft das die ganze Woche so. Zurzeit bin ich die restlichen drei Tage im Schnalstal auf dem Schnee.

Du hast praktisch nie frei?
Doch, wenn die Rennen zu Ende sind, habe ich von Mitte April bis Mitte Mai frei. Da trainiere ich nur meine Daumen auf der Couch. (grinst) Am Ende der Saison will man wirklich nichts mehr vom Snowboarden wissen. Man ist die ganze Saison über immer auf Trab, da braucht es einen freien Monat.

Zu Nadyas Trainingsprogramm gehören Kraftraum, Parcours, Radfahren, Laufen, Schnelligkeitstraining, Stabilisations- und Gleichgewichtstraining und natürlich das Training auf dem Schnee.

Vergeht einem bei so viel Training nicht irgendwann die Lust auf den Sport?
Wenn das so wäre, würde ich das Falsche machen. Nach der Pause muss ich mich natürlich immer neu motivieren, um wieder anzufangen. Aber danach kehrt schnell Routine ein und die Leidenschaft wird wieder spürbar. Außerdem freue ich mich im Winter immer auf den Sommer und umgekehrt. Es ist ja nie dasselbe und ich weiß bei jedem Training, dass es mir für später etwas bringt.

Ist das Snowboarden jetzt eigentlich dein Job?
Ja genau. Ich bin in der Sportgruppe der Polizei, die mir ein regelmäßiges Gehalt auszahlt. Ich fahre dafür meine Rennen für die Polizei und sie können sich mit meinen Erfolgen rühmen – oder so ähnlich. (lacht) Für die Aufnahme bei der Polizei musste ich das Schießen lernen und das muss ich zwei bis drei Mal im Jahr auffrischen. Ich kann wirklich sagen, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe.

Nebenbei studierst du Jura in Trient. Funktioniert das denn?
Ja, es funktioniert, aber es ist schwer. Ich habe im letzten Jahr mit dem Studium angefangen und wollte erst einmal schauen, wie ich beides unter einen Hut kriege. Über den Sommer habe ich eigentlich immer nur gelernt und trainiert und in den Pausen gegessen und geduscht. Sogar am Samstag und Sonntag musste ich lernen, um das alles zu schaffen. Das war echt hart. Außerdem bin ich nie in die Vorlesungen gegangen und musste alles aus den Büchern lernen. Ich mache jetzt einfach eine Prüfung nach der anderen, auch wenn ich doppelt so lange brauchen werde wie andere. Der Sportlergeist hilft mir sehr dabei: Aufgeben ist kein Thema.

Vor Kurzem hat für Nadya das Winter-Training begonnen. Bei blauem Himmel strahlt heute die Sonne über Südtirol und es ist ganz schön warm für einen herkömmlichen Novembertag.

An Tagen wie heute, wie fühlst du dich da beim Training?

https://api.soundcloud.com/tracks/232398495

Was, wenn die Karriere dann doch einmal ein Ende haben sollte?
Dann könnte ich bei der Polizei arbeiten. Dafür ist das Jura-Studium eventuell auch gut. So könnte ich später eine gute Stelle kriegen und aufsteigen. Vielleicht werde ich aber auch Richterin, wer weiß.

Trotz Leidenschaft für den Sport bist du auch sehr rational, wenn es ums Snowboarden geht. Wie kommt das?
Das ist der Athletengeist. Vor allem in den Momenten, wo man keine Lust hat, muss man die Zähne zusammenbeißen. Da muss man einfach durch. Ich habe aber nie Perioden, wo ich zum Beispiel drei Wochen lang mies drauf bin. Wenn das der Fall wäre, wäre ich keine Rennfahrerin.

In Südtirol ist unter Wintersport eigentlich nur das Skifahren wirklich bekannt. Klär uns auf: Wie läuft das bei euch?
Beim Snowboard gibt es die Disziplinen Slalom und Riesentorlauf. Zuerst gibt es immer eine Qualifikation und die besten 16 kommen dann weiter. Anschließend geht es nochmal von Neuem los. Man fährt immer zugleich mit einem Konkurrenten die Piste runter, was extrem spannend ist. Auch wenn man in einem Snowboard-Rennen einmal hinfällt, ist noch lange nichts verloren. Der Gegner könnte ja auch noch fallen. Außerdem gibt es seit Kurzem auch die Disziplin des Teambewerbs, wo ein Mann und eine Frau quasi in einer Staffel fahren. Wenn der eine über die Ziellinie rast, darf der andere oben starten.

Im italienischen Nationalteam trainieren die beiden Frauen gemeinsam mit den Männern. Nadya freut das, weil sie von den Männern viel lernen kann. Mit dem Snowboard-Weltmeister Roland Fischnaller hat sie ihren ersten Teambewerb gewonnen.

Der Sieg mit Fisch war genial. Das war der erste Teambewerb in der Geschichte und wir haben ihn gewonnen. Jetzt stehen wir quasi in den Geschichtsbüchern. (lacht)

Von den Geschichtsbüchern zu deiner eigenen Geschichte: Wann bist du das erste Mal auf einem Snowboard gestanden?
Das war mit fünf Jahren. Ich weiß noch, dass ich immer schon Snowboard fahren wollte. Dann habe ich mit fünf so ein kleines Milka-Snowboard mit schwarzen und weißen Flecken geschenkt gekriegt. Ich habe mich so gefreut, dass ich es sogar zum Schlafen mit ins Bett nehmen wollte. Als ich dann in Schnals gelernt habe, zu fahren, habe ich beim Runterfahren geweint, weil ich so oft hingefallen bin.

Mit acht Jahren fuhr Nadya ihr erstes Rennen. Hartes Training brachte sie schließlich bis in den Nationalkader und 2014 auch zur Olympiade nach Sotschi.

Wie war die Erfahrung bei der Olympiade für dich?
Etwas ist mir von Sotschi sicher geblieben: Ich habe gesehen, dass alle gleich sind. Da sitzt man in der Mensa neben Felix Neureuther, Marcel Hirscher und Co und die frühstücken wie ich und gehen durchs Olympische Dorf wie ich. Am Ende haben wir alle das gleiche Ziel und es war schön zu fühlen, dass man da dazugehört. Leider sind die Rennen nicht so gelaufen, wie ich es mir erwartet hätte. Mit dem 22. Platz im Slalom war ich unglaublich enttäuscht. Das war ehrlich gesagt der schlimmste Moment in meiner Athleten-Karriere. Ich war so enttäuscht und fertig, dass es mich noch wochenlang beschäftigt hat, obwohl ich mir eigentlich nicht mehr als die Top 16 erwartet hätte.

Welcher war hingegen dein schönster Karrieren-Moment?
Das war bestimmt letztes Jahr bei meiner Podiumsplatzierung beim ersten Weltcup-Rennen am Karerpass. Da bin ich Dritte geworden und habe in dem Moment gar nichts mehr verstanden vor Freude. Meine Familie war da und auch andere Fans und ich habe sehr viel Zuspruch bekommen danach.

Bei Snowboardern denkt man meist an Mützen, tief geschnittene Hosen und Halfpipes. Warum ist das bei dir anders?
Weil ich Rennfahrerin bin. (lacht) Die Snowboarder, die vom Slopestyle und den Parks kommen sind so locker drauf wie ihre Kleidung das erahnen lässt – das gefällt mir. Die gehen auch mal aus vor einem Rennen und kommen alle super miteinander klar. Beim Skifahren hingegen ist man generell sehr fokussiert auf sich selbst und das Konkurrenzdenken ist groß. Da muss man egoistischer sein, um weiterzukommen. Wir sind genau das Mittelmaß, das mag ich: Wir sind wie eine große Familie.

Also gibt es bei euch kein Konkurrenzdenken?
Nein, eigentlich nicht. Eher ist es ein Geben und Nehmen. Da fällt mir auch gleich eine Geschichte ein: Kurz vor einem Rennen wurde ich einmal gefragt, ob ich einer anderen Fahrerin mein Board leihen könnte, weil sie wegen einer Fehlinformation ihres Trainers das falsche mit hatte. Da habe ich nicht lange gezögert. In unseren Kreisen hilft man sich in solchen Situationen. Am Ende haben wir uns im Finale wiedergetroffen, ich habe gewonnen und sie ist mit meinem Brett zweite geworden. Das war genial. (lacht)

Im Dezember geht die Saison los – dein Ziel dafür?
Eigentlich ein Weltcup-Sieg. Wichtig ist mir auch, dass ich in diesem Jahr konstant gut fahre.

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