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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 16.06.2015
LeuteAuf a Glas'l mit dem Theatermensch

„Wie eine Sucht“

Veröffentlicht
am 16.06.2015
Joachim Goller lebt als Regieassistent am Münchner Volkstheater seinen Traum. Der Kastelruther über Theaterklischees und warum er gerne auf die Schnauze fällt.
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Joachim Goller

Mit Mütze, großer Brille und etwas mehr als einem Dreitagebart radelt Joachim Goller auf seinem rosa Fahrrad zum Interview. Seit einem Dreivierteljahr lebt der Kastelruther in München und arbeitet beim Münchner Volkstheater als Regieassistent. Weil er weder gerne als Regieassistent, noch als Jungregisseur, Theatermacher oder angehender Regisseur bezeichnet wird, ist er einfach der Joachim, der gerne Theater macht. Zum Start des Interviews bestellt er sich ein Superwasser. Ein halber Liter Sprudel mit Ingwer- und Apfelstücken und frischer Minze bietet viel Zeit zum Quasseln und Lachen.

Joachim, du arbeitest gerade als Regieassistent am Theater. Was kann man sich denn darunter vorstellen?
Eigentlich ist das Münchner Volkstheater ein normaler Stadttheaterbetrieb, der acht bis neun Stücke pro Jahr produziert. Meistens kommen dafür Gastregisseure von außen und da braucht es jemanden, der zwischen dem Haus und dem Regieteam Kommunikation herstellt. Das ist dann meine Aufgabe. Als Regieassistent muss man eigentlich die ganze Zeit Unmögliches möglich machen. Auch Abendspielleitungen übernimmt man. Das heißt, ich muss mir jede Aufführung anschauen. Eigentlich nimmt jeder eine Regieassistenz aber nur an, um später einmal Regisseur zu werden oder zu sehen, dass er eben nicht Regisseur wird (grinst).

Und hast du schon eingesehen, dass du nicht Regisseur wirst, oder gibt es Hoffnung?
(lacht) Nein, ganz im Gegenteil, es gibt Hoffnung. Ich wusste schon vorher, dass das mein Traumberuf ist.

Kann man sich zum Theaterregisseur auch ausbilden lassen?
Ja, das kann man. An den Schauspielschulen gibt es Regiestudienzweige, denen ich aber mit Skepsis gegenüberstehe. Ich habe immer das Gefühl, dass einem die Menschen bei Ausbildungen in diesen künstlerischen Bereichen zu viel mitgeben wollen, auch von sich selber, das ist nicht mein Ding. Ich schaue mir lieber alles an und nehm’ mir am Ende das mit, was ich möchte. Da ist es mir dann auch lieber, ein paar Mal auf die Schnauze zu fallen, denn daraus lernt man.

Darf ich dich dann trotzdem schon Regisseur nennen? Oder doch lieber Regieassistent?
Also Regieassistent als Bezeichnung geht mir auf die Nerven, aber Regisseur mag ich auch nicht.

Angehender Regisseur?
Nein, das auch nicht (lacht). Ich fühle mich zwar geehrt, aber ich finde keinen von den Begriffen stimmig. Das klingt alles so elitär. So wie: „Oh, ich bin Regisseur, ziehe mich nur noch schwarz an und fasse mir den ganzen Tag ins Gesicht, trinke abends immer Rotwein und sonst ernähre ich mich nur von Kaffee.“ Das nervt mich alles wahnsinnig. Ich bin einfach der Joachim und mache Theater.

Erfüllst du denn keines von den Theaterklischees?
Alle Leute im Theater rauchen, trinken Wein und Kaffee. Ich trinke keinen Kaffee, eigentlich auch keinen Alkohol und ich hasse rauchen. Also nein (grinst).

Was machst du dann am Theater?
Das fragen mich die Schauspieler auch oft. Aber ich glaube mittlerweile ist meine Verweigerung fast schon Stolz.

Warum eigentlich genau Theater?
Also in der 3. und 4. Oberschule dachte ich eigentlich, dass ich zu hundert Prozent Schauspieler werden will.

Warum ist daraus nichts geworden?
Eigentlich, weil mir einmal gesagt wurde, dass ich für eine Rolle zu klein sei. Das war eine echte Watschen. Mittlerweile denke ich mir, wenn ich wirklich Schauspieler hätte werden wollen, dann hätte ich es auch durchgezogen.

Wie hat dich dein weiterer Weg zum Theater geführt?
Nachdem der Traum als Schauspieler geplatzt war, wollte ich Autor werden und habe dann auch gleich an den Autorentagen bei den Vereinigten Bühnen Bozen teilgenommen und auch sonst viel geschrieben. Dann habe ich einmal eine Bearbeitung von „Frühlings Erwachen“ geschrieben und wollte das Stück dann selbst inszenieren, weil ich das Gefühl hatte, dass mich keine Inszenierung außer die meine zufriedenstellen hätte können.

Was gefällt dir denn beim Inszenieren so gut?
Ich muss die Schauspieler leiten, aber ihnen irgendwo auch Freiraum geben. Sie müssen ihre Interpretation in meine einbauen. Mir gefällt es einfach, die Eindrücke der 70 Leute, die bei einem Stück zusammenkommen, zu bündeln und sie trotz der Verschiedenheit in ein Bild einzufügen, das ich vorgebe. (lacht) Oh, das klingt jetzt ganz schön arrogant.

Und was ist aus „Frühlings Erwachen“ geworden?
Am Tag nach der mündlichen Maturaprüfung habe ich mit den Proben begonnen. Von da an habe ich auch ununterbrochen Theater gemacht. Mit meiner damaligen Freundin und einer gemeinsamen Freundin habe ich dann dasRotierende Theater gegründet. Auf diesem Projekt lag in den letzten drei Jahren auch mein Hauptaugenmerk.

Welche war denn deine erste wirkliche Inszenierung?
Ich hatte einfach Lust und Mut, also habe ich mir gleich als erstes „Hamlet“ von Shakespeare ausgesucht. Da lachen viele, wenn ich ihnen das heute erzähle.

Und was würdest du unbedingt gerne noch inszenieren?
„Nichts. Was im Leben wichtig ist“. So nennt sich das Projekt, das ich gerade mit Jugendlichen hier im Münchner Volkstheater auf die Bühne bringe. Und dann natürlich das nächste Stück, das ich mit dem Rotierenden Theater auf die Bühne bringe: „Kasimir und Karoline“.

Warum genau dieses Stück?
Weil ich „Kasimir und Karoline“ im Volkstheater angeschaut und mich dabei eineinhalb Stunden lang nur aufgeregt habe. Ich habe einfach nicht verstanden, worum es geht. Dann bin ich nach Hause gegangen, habe mir das Buch runtergeladen und die ganze Nacht durchgelesen und dann stand es fest: Das wird mein nächstes Projekt.

Wie läuft das so, wenn man ein Stück inszeniert? Wie kommen dir die Ideen?
Bei mir ist es oft so, dass ich beim Lesen einfach total nervös werde und nur noch weiterlesen will. Dann weiß ich, dass es das richtige ist. Dann habe ich auch gleich ganz klare Bilder im Kopf, die meistens mit Räumen oder Bühnen zusammenhängen, Bilder und Stimmungen schießen mir dann in den Kopf. Bei „Kasimir und Karoline“ hatte ich zum Beispiel gleich das Astra Kino in Brixen als Inszenierungsort im Kopf und wusste, dass es ganz laut sein muss.

„Der Regisseur ist der Beauftragte, der das Schiff leiten muss. Sowohl in künstlerischer Hinsicht als auch in sozialer. Er ist dafür verantwortlich, dass das Arbeitsklima passt und dass jeder zufrieden ist, so hart das auch sein mag.“

Du sagst in einem Interview, dein Antrieb ist die Liebe zum Theater. Kannst du mir diese Liebe beschreiben?
Mah, Liebe. Liebe schon, ja (grinst). Ja, wenn man Liebe leidenschaftlich und radikal nimmt, dann stimmt es. Weil das Theater ist für mich schon auch eine Sucht, die frisst. Ich habe in den letzten Jahren einfach auf viel verzichtet, weil mir das Theater so wahnsinnig taugt. Mir geht es da nicht nur darum, meine Phantasien auszutoben, sondern auch darum, etwas zu bewegen.

In einem Interview von vor zwei Jahren beschreibst du dich außerdem selbst als pubertierenden Grenzentester. Wie siehst du dich jetzt?
Oh, Nachpubertierender hat mich erst gestern wieder einer meiner Jugendlichen genannt, mit denen ich im Volkstheater arbeite. Von dem Bild komme ich also nicht so schnell weg.
Ich würde sagen, es macht mich heute genau so wie vor zwei Jahren aus, dass ich immer Lust darauf habe, neue Sachen auszuprobieren und dass ich so wahnsinnig emotional bin. So schnell wie ich wütend werde, bin ich auch wieder übergut gelaunt.

Und wo siehst du dich in zwei Jahren?

https://api.soundcloud.com/tracks/205411390

Momentan denke ich mir, ich will irgendwann wieder in Südtirol Theater machen. Da weiß ich, wie die Leute ticken und wie ich sie aus der Reserve locken kann. Daheim spreche ich auch die gleiche Sprache wie die Leute, das macht einen riesigen Unterschied. Am liebsten will ich dort was Eigenes machen. Das professionelle Theater daheim muss einfach einmal crashen und neu losstarten.

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