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Irina Ladurner
Veröffentlicht
am 18.04.2019
LeuteGlaube und Religion

„Die Kirche muss jung denken“

Veröffentlicht
am 18.04.2019
Wie attraktiv ist die katholische Kirche für Jugendliche? Doris Rainer, Vorsitzende der Katholischen Jugend, über Mitgliederschwund, Kirchen-Influencer und die Rolle der Frau.
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Seit vierzig Jahren planen die Mitglieder von Südtirols Katholischer Jugend (SKJ) ehrenamtlich Aktionen und Veranstaltungen. Waren es 2013 noch 3.600 Mitglieder, ist ihre Zahl fünf Jahre später mit 2.400 Mitgliedern erheblich geschrumpft. Trotz des nachlassenden Interesses liegen Glaube und Religion für Doris Christina Rainer aber voll im Trend – anders als die katholische Kirche.

Die 27-Jährige ist seit September 2017 Erste Vorsitzende der SKJ. Als solche vertritt sie die Organisation rechtlich, ist für ihre inhaltliche Ausrichtung und Führung verantwortlich und repräsentiert sie nach außen. Ihre Tätigkeit für die SKJ ist ehrenamtlich, daneben hat die Theologin einen Vollzeitjob. Sie selbst wuchs in einem christlichen Elternhaus in München auf und studierte nach dem Abitur katholische Theologie und Philosophie in Brixen.

Doris Christina Rainer

Wie bist du zur SKJ gekommen?
Unter meinen Mitstudierenden waren ehemalige Landesleiterinnen der SKJ und so bin ich zum Jugendverein gekommen. Ich habe an Veranstaltungen teilgenommen und ehrenamtlich für die SKJ gearbeitet, war Referentin und habe mich in Gremien und Projektgruppen engagiert. Vor eineinhalb Jahren ist dann die ehemalige Landesleitung auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, als Erste Landesleiterin zu kandidieren. Ich hatte gerade mein Studium abgeschlossen. Es war der perfekte Zeitpunkt, mich stärker dem Ehrenamt zu widmen und in eine Leitungsposition zu gehen.

Du engagierst dich ehrenamtlich für die katholische Kirche, der Machtmissbrauch, das Vertuschen sexueller Gewalt und verkrustete Strukturen vorgeworfen werden. Warum engagierst du dich trotzdem?
Mich motivieren vor allem mein Glaube und die Lehre Jesu Christi. Jesus Christus hat sich für die Menschen eingesetzt und die Botschaft der Liebe und des Friedens in die Welt getragen – dafür hat er sich sogar kreuzigen lassen. Seine Lehre ist für mich Motivation genug, mich für die katholische Kirche zu engagieren, auch wenn nicht immer alles positiv ist. Die Kirche besteht nun mal aus einer Vielzahl von Menschen, unter denen der eine oder andere versagt. Es gibt aber eben auch sehr viel Positives: Die Kirche engagiert sich sozial und in ihr hat jeder und jede Platz. Jesus zum Beispiel hat sich mit Prostituierten, Söldnern und Sündern an einen Tisch gesetzt.

Was bedeutet Glaube für dich persönlich?
Glaube steht für mich in Zusammenhang mit dem Symbol Glaube-Liebe-Hoffnung, das ich mir auf meinen rechten Unterarm habe tätowieren lassen. Für mich ist Glaube das Urbedürfnis des Menschen, mit einem Gegenüber in Verbindung zu treten. Das Gegenüber ist Gott und Gott ist diese unglaubliche Liebe, die wir mit unserem menschlichen Dasein nicht fassen können. Glaube ist aber auch die Hoffnung, die uns Halt und dem Leben Sinn gibt. Für mich ist Glaube ein großes Geschenk.

Die katholische Kirche ist nicht mehr die Volkskirche, für die sich Menschen früher ganz automatisch ehrenamtlich engagiert haben.

Zurück zur SKJ: Wer sind eure Mitglieder?
Wir sprechen vor allem Jugendliche ab 14 Jahren an. Aber auch viele junge Erwachsene engagieren sich in Leitungspostionen und arbeiten inhaltlich für die SKJ. SKJ-Mitglieder sind flotte, coole Jugendliche, die die Kirche als Raum sehen, den sie gestalten wollen, denen Glaube und Gemeinschaft wichtig ist und die für das Menschsein und das Leben eintreten möchten.

In den vergangenen fünf Jahren ist die Anzahl der Mitglieder und Ortsgruppen der SKJ gesunken. Woher kommt diese Entwicklung?
Das ist eine allgemeingesellschaftliche Entwicklung, die nicht nur wir in Südtirol spüren, sondern die gesamte westliche Welt. Generell geht das ehrenamtliche Engagement zurück, weil die Menschen in Beruf und Alltag sehr eingespannt sind. Die katholische Kirche hat aber auch an Stellenwert in der Gesellschaft verloren. Sie ist nicht mehr die Volkskirche, für die sich Menschen früher ganz automatisch ehrenamtlich engagiert haben. Das belegen auch die Zahlen anderer kirchlicher Jugendinstitutionen im deutschsprachigen Raum. Zum Teil wurden die Menschen auch von der Kirche enttäuscht oder sie lernen sie nicht mehr von Kindesbeinen an kennen. Wenn sie nicht bereits einen Bezug zur Kirche, zur Pfarrgemeinde und zum eigenen Glauben haben aufbauen können, ist es für Jugendliche schwierig, sich plötzlich in einer Jugendorganisation zu engagieren.

Was sollte die SKJ tun, um in Zeiten von Religions- und Kirchenkritik relevant zu bleiben?
Die SKJ muss authentisch bleiben, die Lehre Jesu Christi in die Welt tragen und den sozialen und solidarischen Aspekt in den Mittelpunkt stellen. Sie sollte ein Podium sein für junge Menschen, die auf der Suche nach sich selbst und ihrem Glauben sind. Sie kann ihnen Raum bieten, sich auszuprobieren, Fragen zu stellen und Gemeinschaft und Glaube zu erleben.

Was bedeuten Glaube und Religion für die junge Generation?
Wir leben in einer schnelllebigen Gesellschaft, die von Globalisierung und Digitalisierung geprägt ist. Religion und Glaube können jungen Menschen Sinn und Halt geben, ihnen helfen, sich besser kennen zu lernen und ihren eigenen Lebens- und Glaubensweg zu entwickeln. Junge Menschen sind auf der Suche nach Werten und nach Anhaltspunkten, wie Leben gelingen kann und Religion und Glaube vermitteln diese Werte. Der Glaube an sich liegt damit absolut im Trend. Weniger im Trend liegt die katholische Kirche, die viele als alt, verstaubt und monoton wahrnehmen.

Welche Kirche wünschen sich junge Menschen also?
Die Kirche muss neue Formen der Spiritualität und der Liturgie finden, um für Jugendliche attraktiv zu sein. Und sie muss in einer verständlichen Sprache sprechen. Viele junge Menschen können die Botschaft der Kirche gar nicht mehr richtig verstehen, weil sie in einer Sprache der letzten Jahrhunderte daherkommt. Die Kirche muss sich aber auch strukturell verändern und etwa die Rolle der Frau in der Kirche stärken.

Die Kirche muss den Schritt in die Moderne machen und die Menschen direkt ansprechen – etwa über soziale Medien wie Facebook, Instagram oder Youtube.

Strukturelle Reformen wurden von der SKJ und anderen Jugendverbänden auch bei der Synode in Rom vergangenen Herbst gefordert. Wie weit reicht der Einfluss von Jugendverbänden, wenn es darum geht, innerkirchlich Kritik zu üben?
Die Kirche ist die älteste Institution der Welt und ihre Mühlen mahlen langsam. Das, was wir jetzt diskutieren, wird ein Wimpernschlag sein in der Geschichte der Kirche. Es wird oft erwartet, dass Forderungen von heute morgen schon in die Tat umgesetzt sind. Das ist aufgrund der Strukturen der Kirche und der Tatsache, dass sie eine Weltinstitution ist, die mit vielen Befindlichkeiten zurechtkommen muss, nicht machbar. Es kann mühselig sein, Dinge anzustoßen, auf die man dann lange wartet. Trotzdem haben gerade Jugendverbände eine starke Stimme in der Kirche, denn die Leitungspositionen und der Papst haben begriffen, dass in den Kindern und Jugendlichen die Zukunft liegt und man ihnen Raum geben muss, diese Zukunft mitzugestalten. Deshalb werden wir nicht müde, Dinge zu fordern. Früher oder später stoßen unsere Forderungen auf Gehör.

Du sagst, die Kirche müsse die Sprache der Jugendlichen sprechen. Die 20-jährige Theologin und Journalistin Jacqueline Straub, die Priesterin werden möchte, nutzt etwa soziale Medien wie Instagram, um die junge Generation zu erreichen. Sollte sich die katholische Kirche von solchen Kirchen-Influencern etwas abschauen?
Die Kirche muss weggehen vom Gedanken: Wir sind Volkskirche und die Menschen strömen in unsere Kirchen, denn wir haben die Hoheit und predigen und erreichen damit jeden. Das ist nicht mehr der Fall. Influencer gehen den umgekehrten Weg. Sie haben eine Botschaft und gehen damit zu den Menschen – ganz nach dem Vorbild Jesu. Auch er ist zu den Menschen gegangen und hat die Botschaft der Liebe und des Friedens vor Ort verkündet. Die Kirche muss den Schritt in die Moderne machen und die Menschen direkt ansprechen – etwa über soziale Medien wie Facebook, Instagram oder Youtube.

In der Kirche haben vor allem ältere Männer das Sagen. Was bedeutet es, sich als junge Frau in der katholischen Kirche zu engagieren?
Ich bin dafür, dass Frauen eine stärkere Stimme in der katholischen Kirche bekommen und sie Leitungspositionen einnehmen dürfen. Das Alter ist für mich aber nicht abhängig von der Zahl im Ausweis, sondern davon, was Menschen denken. Ich kenne viele vordergründig ältere Männer, die einen sehr jungen Geist haben, die offen sind für Frauen in der Kirche, für die Meinung junger Menschen und für eine zukunftsfähige Kirche. Die Kirche muss jung denken, das ist der Knackpunkt. Papst Franziskus und einige Kardinäle leben das bereits vor. Ich habe aber auch selbst viele ältere, mutige Männer in der Kirche kennengelernt, die Frauen eine Stimme geben.

Im „ff”-Fragebogen sagtest du, du wärst gern für einen Tag Papst. Was würdest du an diesem Tag machen?
Ich fände es aufregend und herausfordernd, einen Tag in die Rolle des Papstes zu schlüpfen. Dann könnte ich mit Theologen diskutieren und mit Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus über Glaube reden. Ich würde einfach gerne erfahren, wie herausfordernd, bereichernd, aber auch belastend die Rolle des Papstes sein kann.

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