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Magdalena Jöchler
Veröffentlicht
am 27.08.2013
LebenEin Tag in ...

Unter Urlärchen

Veröffentlicht
am 27.08.2013
Über Ulten hat unsere (Eisacktaler) Autorin schon so einiges gehört. Was davon stimmt, hat sie bei einem Tagesausflug versucht herauszufinden.
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Ich muss zugeben, so ganz unvoreingenommen habe ich die Reise von Vahrn ins eineinhalb Stunden entfernte Ultental nicht angetreten. Recht wilde Kerle soll es dort geben. Direkt und urig sollen sie sein. Ape sollen sie fahren und so manch einer rast mit mehr als 150 Stundenkilometern die Streif hinunter und versteht hinterher den Rummel um seine Person nicht. Die Erwartungen an die Ultner waren also hoch.

Von einem Bekannten habe ich den Tipp bekommen, beim Eggwirt in St. Walburg einzukehren. Dort würde ich am ehesten auf urige Ultner treffen. Ich folge dem Rat und setze mich gleich nach der Anreise auf die Terrasse des Dorfgasthauses. Am Tisch neben mir tauschen zwei ältere Männer mit Filzhut und gewalkten Jacken bei mehreren Gläsern Weißwein alte Geschichten aus. Es herrscht ein Kommen und Gehen, alle scheinen sich zu kennen. Hie und da winkt einer der Männer den vorbeifahrenden Autos zu. Dass ich hier nicht dazugehöre, wird mir bald klar, aber ob ich mir das nur einbilde?

Die Ape-Gang

Nach einer halben Stunde fasse ich mir ein Herz und frage die Männergruppe ob ich mich zu ihnen setzen dürfe. „Versteasch du ins überhaup?“, fragt mich einer der Männer. Also so fremd fühle ich mich dann auch nicht, denke ich mir. Nachdem ich von meinem Vorhaben hier in Ulten erzählt habe, sprudeln die Geschichten und Ultnerwitze aus den Männern nur so heraus. Die Gruppe wird immer größer, den neu dazugekommenen werde ich gleich vorgestellt. Wenn sie aus ihren Dörfern nach St. Walburg fahren, sagen sie, dass sie in die „Hauptstadt" fahren. Eine Stunde später sitze ich bei Martin im Auto. Er will mir sein Ultental zeigen.

Wir fahren Richtung St. Gertraud, vorbei an St. Nikolaus, malerischen Bergbauernhöfen und einem der vielen Stauseen. Beim Gasthof Lärchengarten, unterhalb der bis zu 2.000 Jahre alten „Urlärchen“, essen wir zu Mittag. Martin erzählt mir vom alten Handwerk, das hier in Ulten noch erhalten wird. Er selbst könne sich seine eigene Weste gerben. Auch das rupfane Hemad hat er selbst hergestellt. Ob seine Söhne auch Ape fahren würden, frage ich ihn. Er muss mich enttäuschen: „Nein, das tun sie nicht.“ Von der berühmten Ape-Gang habe ich bisher nur zwei geparkte Exemplare entdeckt. Ansonsten keine Spur von den aufgemotzten „Dreiradlern“. Dass man hier auch ohne Führerschein zurecht kommt, hat mir schon der Kellner beim Eggwirt erklärt: „Irgendwen finde ich immer, der mich mitnimmt, und sonst muss ich halt stoppen.“

Bis in den hintersten Fleck.

Ein Unwetter zieht auf. Das hält Martin nicht davon ab, mich zu überreden auf die Fiechtalm weiterzufahren. „Den Erwin musst du kennenlernen“, schwärmt er vom Hüttenwirt. Weil ich ja hier bin, um was zu erleben und das Tal und seine Leute kennenzulernen, komme ich mit. Mit dem klapprigen Punto geht's weiter hinein ins Ultental, hinauf Richtung Weißenbrunnsee, einem weiteren Stausee. „Früher waren hier tausende Arbeiter. Seit die Kraftwerke automatisiert betrieben werden, ist niemand mehr da“, erklärt mir Martin. Lange Zeit hat die Stromproduktion in den sieben Stauseen das Tal geprägt. Der Tourismus ist deshalb erst viel später in Ulten angekommen. „Mit jedem Jahr kommen mehr Touristen“, beklagt sich Martin. Ich hingegen habe den Eindruck, in Ulten setze man auf sanften Tourismus: Bettenburgen und Souvenierkitsch sind mir bisher nicht negativ aufgefallen. Das einzige (vermeintliche) Hotelmonstrum dem ich begegnet bin, ist das neue Altersheim in St.Walburg.

Der Punto holpert über den Forstweg zur Fiechtalm hinauf. „Die Stoßdämpfer müsste ich mal austauschen. Aber ob sich das noch rentiert?“, entschuldigt sich Martin für sein in die Jahre gekommenes Gefährt. Der strömende Regen ist mittlerweile in Nieselregen übergegangen. Die Bergkulisse schließt das Tal hier ab. Wie Tolomei auf die Übersetzung Ultimo gekommen ist, wird mir jetzt klar. Viel kann hier nicht mehr kommen.
Mit einem Ausflug auf die Alm habe ich am allerwenigsten gerechnet, auch kleidungstechnisch. Die feuchte Kälte kriecht in meine Glieder. Der Melissenschnaps von Erwin schmeckt zwar gut, hilft dagegen aber auch nicht wirklich. Bei einem Glas Quendlsaft (wilder Thymian) werden mir ein paar Ultner Wörter beigebracht: Moutmi heißt so viel wie erinnert mich, schu ist schon und der Mou ist der Mond. Das „n“ lassen die Ultner also gerne weg. Das Vinschgerische sui für sie verwenden sie zwar auch, als Vinschger möchten sie sich aber nicht bezeichnen. „Die Vinschger tian liagn und stehln", hat mir schon ein Gast beim Eggwirt klar gemacht.

Nicht enttäuscht

Hier oben zu „versumpfen" wäre nicht schwer. Mein journalistischer Übermut reicht dafür heute leider nicht mehr, die Vernunft siegt. Nach der Besichtigung der Almkäserei und einer kleinen Kostprobe vom Vorjahreskäse geht's wieder Richtung Tal. Auf halbem Weg kommt uns eine Kuhherde entgegen. Martin stellt den Motor ab und wartet, bis das Vieh vorbeigezogen ist. „Der Hirte mag es nicht, wenn die Herde wieder Richtung Tal getrieben wird." Ein kurzer Plausch mit dem Hirten Tobi und die Fahrt geht weiter. Mein Fremdenführer ist immer noch hoch motiviert. Er möchte mir noch dieses und jenes zeigen, erzählt von seiner Einstellung zum Leben und seinem Entschluss, aus dem System auszusteigen.

Ich entschließe mich dazu, meine Erkundungstour alleine fortzusetzen und kehre zurück in die „Hauptstadt". Dort starte ich einen Versuch die Kirche zu finden und scheitere kläglich. Damit lasse ich meinen Ultenausflug enden. Die hohen Erwartungen haben die Menschen, denen ich begegnet bin, erfüllt. Dass ich von Anfang an herzlich aufgenommen wurde, zeugt von der Spontaneität der Ultner. Von der Ape-Gang bin ich leider enttäuscht worden. Ich habe gelernt, dass von zehn Ultnern, gefühlte neun den Namen Schwienbacher tragen, dass nicht nur die Vinschger sui sagen und dass Ulten kein Dorf, aber ein Tal ist.

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