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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 07.12.2016
LebenOffene Handwerkstätten in Bozen

Selbstgemacht macht glücklich

Veröffentlicht
am 07.12.2016
Zwölf Handwerkstätten bilden die Sozialgenossenschaft MANU. Hier treffen sich täglich kreative Menschen, um mit Stoff, Ton oder anderen Materialien zu arbeiten.
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In den Werkstätten von MANU ist immer viel los. Heute arbeiten fünf Frauen und zwei Männer mit Ton.

Robert ist jeden Mittwoch hier. Meistens formt er Vasen oder Behälter aus Ton. Jedes Mal entsteht etwas anderes. Was genau, das weiß er vorher nicht. Robert war früher Kaufmann, hat unter den Bozner Lauben gearbeitet. Jetzt ist er in Rente, kann nicht mehr so viel machen. „Deswegen bin ich froh, dass ich mit meinen Händen arbeiten kann“, erzählt der Mann. Am langen Tisch im Gebäude in der Quireinerstraße in Bozen sitzen neben Robert noch fünf Frauen und ein Mann.

Hier befindet sich die Keramikwerkstatt der Sozialgenossenschaft MANU. Eifrig klopfen, bemalen und formen vierzehn Hände den Ton. Es entstehen Schüsseln, kleine Tonfische, Vasen und Kerzenständer. Und es wird geredet, erzählt und gelacht. Die Besucher der Keramikwerkstatt sind eine ziemlich fixe Gruppe, man kennt sich. In den anderen MANU-Werkstätten ist das ähnlich, obwohl immer wieder neue kreative Leute dazustoßen. Bunt gemischt in Sprachen und Alter.

Robert kommt einmal pro Woche in die Keramikwerkstatt von MANU.

Fünfmal in der Woche ist MANU geöffnet, das heißt zwölf verschiedene Werkstätten, darunter die Goldschmiedewerkstatt, die Filzwerkstatt, die Tischlerei, die Nähstube, die Glaserei, die Malwerkstatt und eben die Keramikwerkstatt. An den offenen Werkstätten kann jeder teilnehmen, an einigen Programmpunkten hingegen nur unter Voranmeldung.

„Viele kommen nur ein paar Mal, die meisten immer wieder. Und alle verlassen MANU glücklicher als sie gekommen sind, mit dem guten Gefühl, etwas Selbstgemachtes in den Händen zu halten.“

Die Sozialgenossenschaft finanziert sich durch Beiträge und durch die Miete der Nutzer. Für drei Stunden zahlen sie 18 Euro. Weiters gibt es Extrakurse in den verschiedenen Bereichen, wie den Kurs, dekorative Objekte aus Gips und Zement zu gestalten, den Grundkurs für Goldschmiedekunst oder den Kurs zum Arbeiten mit der Drehscheibe. Gern genutzte Initiativen neben den täglichen offenen Werkstätten. „Viele kommen nur ein paar Mal, die meisten immer wieder. Und alle verlassen MANU glücklicher als sie gekommen sind, mit dem guten Gefühl, etwas Selbstgemachtes in den Händen zu halten“, sagt Ute Niederfriniger, Bozner ORF-Journalistin und Präsidentin von MANU. Sie arbeitet selbst in den Werkstätten mit. Gerade ist sie dabei, ihre fingergroßen Tonfischchen zu glasieren. Aus der lachsfarbenen Glasur wird nach dem Brand ein schimmerndes Orange. Wie die Schuppen von Goldfischen. Bis dahin braucht sie aber noch ein bisschen Geduld.

Berühmte Besucher

Auch Margret Bergmann kommt regelmäßig her. Einmal pro Woche. Hauptsächlich hier in die Keramikwerkstatt. Heute verpasst sie ihren Kerzenhaltern den letzten Feinschliff – die Glasur. Sie werden ein Weihnachtsgeschenk für ihre Freundinnen. Bergmann ist Schriftstellerin und arbeitete früher als Lehrerin. Seit Ende 2001 engagiert sie sich für Menschen in Afghanistan. Sie zeigt bei Vorträgen Bilder ihrer Reisen und berichtet über ihre Erfahrungen. Sie erzählt Märchen aus aller Welt für Erwachsene und Kinder, stellt ihre eigenen Bücher vor und leitet Schreibwerkstätten.

Bergmann ist Mitglied der Südtiroler Ärzte für die Welt und engagiert sich für Menschen in Afghanistan.

Mit dem Erlös unterstützt sie über den Verein Südtiroler Ärzte für die Welt, bei dem sie selbst Mitglied ist, den Jesuiten Flüchtlingsdienst. Der will Jugendlichen in Afghanistan eine optimale Ausbildung und damit bessere Zukunftschancen geben. „Mir war das immer schon ein Anliegen, seitdem dort der Krieg ausbrach“, erinnert sich Bergmann. Für diesen langjährigen Einsatz bekam sie 2012 sogar das Verdienstkreuz des Landes Tirol. 2014 wurde sie zur „Südtirolerin des Jahres” gewählt.

Bergmann kommt gerne her, für sie ist es ein Ausgleich. Mittlerweile sind Freundschaften entstanden. Außerdem stehen hier jedem Werkzeuge, Arbeitsgeräte und Materialien zur Verfügung, wie hier in der Keramikwerkstatt etwa die teuren Glasuren und der Brennofen. Immer anwesend eine Werkstattleiterin, die Fragen beantwortet und bei Problemchen hilft, wie einer Besucherin, deren Tonvase etwas außer Form geraten ist. Durch Klopfen kann sie sie wieder hinbiegen, kleine Risse repariert sie mit einer Paste aus Zellulose – in diesem Fall Klopapier – und Tonstaub.

Bergmann braucht heute keine Hilfe. Sie ist geübt in dem, was sie tut, und bemalt weiter ihre Kerzenhalter. Später werden sie noch gebrannt, dann zeigen die Farben erst ihre Wirkung. Auch Niederfriniger bemalt weiter ihre kleinen Fischchen und erklärt währenddessen den Grundgedanken hinter der Sozialgenossenschaft.

Schon 1983 entstand die Idee für Freizeitwerkstätten. „Damals wollte man Jugendlichen eine sinnvolle Beschäftigung geben“, sagt Niederfriniger. Mittlerweile hat sich die Zielgruppe verändert. Seit 2001 befinden sich die Werkstätten hier in der Quireinerstraße. Seitdem kommen aus allen Ecken Südtirols Kinder, Rentner und Künstlerinnen sowie Leute aus Sozialeinrichtungen, die in MANU an ihren Projekten arbeiten. „Es kommen auch Leute mit psychischen Schwierigkeiten. Und voriges Jahr hatten wir ein Flüchtlingsprojekt, in dem Flüchtlinge hier arbeiten durften, damit sie eine Beschäftigung haben“, erklärt die Präsidentin.

Ute Niederfriniger ist die Präsidentin von MANU und arbeitet auch selbst mit.

Behandelt wird jeder gleich. Hier kann jeder handwerklich arbeiten. Eine große Gemeinschaft eben. „Zudem wird versucht, so viel wie möglich mit Recyclingmaterialien zu machen und umweltbewusst zu arbeiten“,ergänzt sie. Dann führt Niederfriniger durch die Räume von MANU.

Kaffee, Kuchen, Kochen

Im Erdgeschoss befindet sich die Glaswerkstatt. Hier schneiden drei Frauen verschiedenfarbiges Glas in kleine Stücke. Später entstehen daraus Glasbilder und Gefäße. Auch Glasperlen entstehen hier in Handarbeit. Direkt daneben befindet sich die Küche, wo sich die MANU-Besucher täglich mindestens einmal zum Kaffeeklatsch treffen. Wie jetzt um zehn Uhr. Eine Frau hat Kuchen mitgebracht, eine andere stellt Kaffee auf den Gasherd. Mehrere Kannen. Schließlich sind heute auch mehr als 20 Leute da. Es herrscht ein organisiertes Gewusel. Und es wird noch mehr erzählt und gelacht. In dieser Küche finden auch die regelmäßigen Kochkurse statt. Bald leitet etwa eine Freiwillige aus der Dominikanischen Republik einen.

Im Untergeschoss liegt die Tischlerei. Es kommen Kinder und Erwachsene, die Möbelstücke herstellen oder Erinnerungsstücke von Oma restaurieren. Besonders gut kommt die Goldschmiedewerkstatt an. Heute ist sie zwar geschlossen, an anderen Tagen herrscht hier aber reges Treiben. Es kommen regelmäßig zwei Goldschmiedinnen, die sich keine eigene Werkstatt leisten können. Aber auch private Besucher fertigen gerne mal ihren eigenen Schmuck an. „Die machen unglaubliche Sachen, ich staune immer wieder“, sagt Niederfriniger. „Einmal kam sogar ein Paar und hat sich gegenseitig den Ehering gemacht.“ Es sind solche Geschichten, die das MANU schreibt. Geschichten wie die von Rentner Robert, der noch eine sinnvolle Beschäftigung gefunden hat, von Margret Bergmann, die hier ihre Kreativität entfalten kann und von neuen Freundschaften, die entstehen.

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