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Veröffentlicht
am 13.11.2013
LebenEingesperrt

Meine Festnahme

Veröffentlicht
am 13.11.2013
„Die dunkelblaue, schwere Eisentür öffnet sich und meine unfreundlichen Begleiter übergeben mich an die Gefängniswärterinnen.“
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Es ist Dienstag, der 13. November 2007. Um vier Uhr in der Früh weckt mich meine Hausglocke aus dem Tiefschlaf. „Wer ist da?“, frage ich durch die Gegensprechanlage. „Wir sind von der Quästur und müssen Dokumente abgeben.“ Das klingt seltsam, ich schlüpfe in meine Klamotten, die Treppe runter und öffne die Haustür. Zwei komische, magere Männer und eine Frau, die Kaugummi kaut, alle in Zivil, stehen davor: „Wir müssen eine Hausdurchsuchung machen!“, sagt einer von ihnen. Was soll das, da ist etwas faul, denke ich. „Bitte!“ Ich begleite sie in meine Wohnung, wo sie mir hinter verschlossener Tür sagen: „Sie müssen ins Gefängnis.“ Oh Gott, ein Schreck durchdringt meine Glieder und mit einem Kloß im Hals antworte ich: „Ach so?“

„Bleib stark"

Ich versuche ruhig zu bleiben und füge mich ohne Widerstand: „Bitte lasst mir ein bisschen Zeit, ich muss mich herrichten.“ Ich wecke meine 18-jährige Tochter, beauftrage sie dies und das zu erledigen, Termine abzusagen. Mir fällt natürlich nicht alles sofort ein und schon stressen die Herren: „Wir müssen gehen!“ Die Hausdurchsuchung ist kein Thema mehr. „Bleib stark, sag deinen Geschwistern und meinen Leuten Bescheid, haltet zusammen, es wird alles gut gehen und ich komme bald wieder!“ Wir verabschieden uns mit einer festen Umarmung und unterdrückten Tränen. Mit meinen Klamotten, dem Korsett, das meine kaputte Wirbelsäule hält, und einer Tasche steige ich in ein unauffälliges, grau-braunes Auto. Es hat auf der Dachseite ein kleines Blaulicht und ist innen komfortabel ausgestattet, schaut aber gar nicht nach Polizeiauto aus. Wollen die mich entführen? Die zwei Männer sitzen vorne, die Frau auf dem Rücksitz neben mir und das Auto startet.

„Warum kommt ihr mich um diese Zeit holen?“, frage ich. „Um die Nachbarn nicht zu stören.“ „Und warum muss ich ins Gefängnis?“, frage ich weiter. „Das werden Sie schon wissen!“ Nein, ich weiß es nicht. Nichts wird mir erklärt. Gegen fünf Uhr früh in der Quästur in Bozen angelangt, wird mir eine 111 Seiten lange Anklageschrift, alles auf Italienisch, überreicht und es heißt warten und warten. Aus dem Hintergrund höre ich dann: Rovereto … besetzt, Verona … besetzt. Bologna!

Mir fällt ein, dass ich meinem Bruder versprochen hatte, heute früh seine Kühe zu melken. Meine lieben Kühe! Durch geduldiges, freundliches Betteln lassen sie mich um sieben Uhr ein letztes Telefonat machen. Mir ist so zum Weinen: „Lieber Bruder, ich muss ins Gefängnis und weiß nicht, wann ich wiederkomme.“ Seine ruhige, zuversichtliche Stimme gibt mir Mut. Kopf hoch!

Nach Bologna „Dozza"

Ich frage dann, ob sie meine Verhaftung veröffentlichen würden. „Keine Sorge!“, antworten sie. „Bitte geben Sie mir schriftlich, dass das nicht gemacht wird, ich habe das Recht darauf“, sage ich. „Das ist nicht nötig, es wird nichts passieren“, wird mir versichert, so als ob das etwas ganz normales wäre. Und es wird die Tage darauf doch in mehreren deutsch- und italienischsprachigen Tageszeitungen in Südtirol und Trentino mit vollem Namen, Foto und Ortsangabe veröffentlicht.

Die Fahrt geht weiter nach Bologna, die schweren Berge verschwinden allmählich und ich präge mir noch die weite Landschaft ein. Zu Mittag erreichen wir die meterhohen, dicken Eisengitter des Gefängnisses „Dozza“. Durch diese hindurch geht es in ein Labyrinth aus Mauern, Straßen hin und her, keiner kennt sich aus. Es folgt eine Prozedur von Durchsuchungen, Fotos machen, Fingerabdrücke abgeben und Anmeldungen, jedes Cent-Stück wird registriert. Irgendwo lese ich „casa di grazia e giustizia“. Hinter einem gepflegten Park mit Sträuchern und Bäumen befindet sich der versteckte Eingang des Frauengefängnisses. Die dunkelblaue, schwere Eisentür öffnet sich und meine unfreundlichen Begleiter übergeben mich an die Gefängniswärterinnen.

Von Agnes S.

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