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Anna Recla
Veröffentlicht
am 23.07.2025
LebenReportage

Mehr als Bier und Pommes

Veröffentlicht
am 23.07.2025
Sommerzeit ist Dorffestzeit. Doch warum sind Dorffeste immer noch so interessant für junge Leute? Eine Spurensuche beim Waldfest in St. Georgen im Pustertal.
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Drei Stunden vor Festbeginn werden am Rand des Flatschwaldile, dem St. Georgener Wäldchen, die letzten Vorbereitungen getroffen. Bänke werden geputzt, die Bühne für die Bands am Abend aufgebaut. Mittendrin steckt Florian Schraffl, der Hauptverantwortliche für das anstehende Waldfest. Er ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr des Dorfes, in drei Woche schon wird er mit der Planung fürs nächste Waldfest anfangen. Doch zunächst muss dieses Wochenende noch alles klappen. „Wir sind froh, wenn alles gut abläuft. Es ist eine sehr große Herausforderung jedes Jahr.“

Das Waldfest wird seit den 1950er-Jahren von der Freiwilligen Feuerwehr St. Georgen organisiert, seit den 80ern findet es jährlich statt – bis auf die Corona-Jahre 2020 und 2021. Die Einnahmen fließen in die Vereinskasse. Warum gerade ein Feuerwehrfest so beliebt ist, erklärt sich Schraffl mit der vielen Werbung und damit, dass sie mit der Zeit gegangen sind. „Wir haben das Fest über Jahrzehnte aufgebaut, sind immer etwas größer geworden mit immer besseren Musikgruppen, gutes Essen und Trinken. Wir schauen schon auch auf Qualität.“ Tatsächlich findet man hier neben Klassikern wie Hühnchen und Würsten auch Veggie-Burger, aktuell noch eine Rarität auf Dorffesten.

Das Waldfest dauert drei Tage. Es beginnt am Freitagabend, mit Musik vor allem für das jüngere Publikum, und zieht sich bis Sonntag, wo den ganzen Tag lang Programm ist, am Nachmittag dann auch für Kinder.

Florian Schraffl

Am Samstagabend ziehen Feierlustige in Scharen durchs Dorf zum Festplatz, im Flatschwaldile wimmelt es nur so von Leuten. Eine Vielzahl von orangenen Bierbänken wird von hohen Kiefern und Fichten überdacht. Zwischen den Baumstämmen hängen Lichterketten. Richtig hübsch sei es hier, bemerkt eine der Besucherinnen. Einen Sitzplatz zu finden, stellt sich als schweres Unterfangen dar. Einige werden hier noch Stunden sitzen, wechseln sich mit ihren Tischnachbar:innen ab, damit der Platz ihnen nicht abhanden kommt.

Dass das Fest tatsächlich die unterschiedlichsten Menschen anspricht, oder zumindest die unterschiedlichsten Altersgruppen, zeigt ein Blick aufs Publikum. Freundesgruppen tummeln sich neben Familien, Senioren neben … Sind diese Jugendlichen wirklich schon 16? Ein reges Geratsche wird von Musik unterlegt und manchmal auch fast schon überdröhnt – die Band spielt zum Teil so laut, dass man selbst auf den Tischen ganz hinten seine Lautstärke verdoppeln muss, um sich zu verstehen. Heute spielt die Coverband Chlorfrei: Auf Neue Deutsche Welle folgen italienische Klassiker – selbst einige der „Dem Land Tirol die Treue”-Pulloverträger:innen singen bei „Sarà perché ti amo“ mit.

„Es ist fast schon ein bisschen wie ein Ritual.“

Mitglieder und Helfende der Freiwilligen Feuerwehr huschen zwischen den Tischen herum und nehmen Bestellungen auf. Plötzlich wird kein Essen mehr serviert. „Die Küche ist einfach zu klein“, schüttelt eine der Helfenden den Kopf. Während das Essen nachgeliefert wird – eine Stunde später läuft es wieder– begnügen sich die Besucher:innen mit den Getränken. Es gibt Bier, Radler, Cola – kein Aperol oder Hugo, ein Dorffest bleibt unkompliziert. Vier oder fünf Getränkezelte sind um den Platz verteilt und die, die keinen Platz an den Bänken ergattert haben, lehnen an den Budeln.

Eine der Besucherinnen, die einen Platz an den Tischen gefunden hat, ist Leonie. Auf das Waldfest gehen die 22-Jährige und ihre Freundesgruppe jetzt schon das dritte Jahr in Folge. „Wir haben uns schon das ganze Jahr darauf gefreut. Es ist fast schon ein bisschen wie ein Ritual.“ Was denn so toll am Waldfest sei? Man treffe viele Leute.

Die Leute machen’s aus
Das Waldfest als Begegnungsort also, als Ort, an dem man Menschen trifft, die man seit Jahren nicht mehr gesehen hat.

„Wenn ich weiß, dass ich niemanden kenne, würde ich auch nicht auf das Dorffest gehen“, erzählt ein Besucher. „Man geht hin, um Leute zu sehen, auch wenn man vielleicht nicht unbedingt selbst gesehen werden will“, erzählt eine andere.

Die Wahrscheinlichkeit, hier bekannte Gesichter zu sehen ist, zumindest für Leute aus dem Bruneckner Raum, tatsächlich ziemlich groß. Genaue Besucher:innenzahlen können die Veranstalter:innen zwar nicht nennen, aber auf den Bierbänken haben ungefähr 1.200 Leute Platz, so Florian Schraffl, und das sind nur die Sitzenden, „wir haben sehr viel Stehpublikum.“ Auch wenn das Waldfest ein zutiefst St. Georgen-typisches Fest ist, kommen nicht nur Leute aus dem Dorf oder dem Pustertal. „Wir haben auch einige Besucher aus dem Eisacktal oder Osttirol hier“, erzählt Schraffl.

Die Coverband Chlorfrei sorgt für Stimmung

Der Zufluss an Feierlustigen scheint nicht abzunehmen. Je später es wird, desto mehr junge Leute kommen an. Während die Musik auf der Bühne noch vor allem den älteren Besucher:innen gute Laune macht, tummeln sich die Jugendlichen und Anfang-Mitte-Zwanziger:innen in den zwei übereinander liegenden Partyräumen, gleich neben der Bühne. In beiden werden wider Erwarten und Befürchtungen nicht nur Aprés-Ski-Lieder gespielt, sondern klassische Ausgehlieder. „Welcome to the Jungle“ begrüßt ein Holzschild über dem Eingang des ersten Raums. Die Partyräume sind die einzigen überdachten Räumlichkeiten auf dem Fest – und doch scheinen sich alle Raucher:innen genau hier drinnen versammelt zu haben. Durch den Qualm sieht man nicht viel – aber er trägt zusammen mit dem violetten Licht zumindest zur Atmosphäre bei. Im Partykeller darunter wird mehr auf EDM gesetzt. Leute gehen raus, Leute gehen rein – es ist ein ziemliches Gedränge, fast scheinen die beiden Räume zu klein für den Andrang zu sein.

Außerhalb des Partykellers steht Moritz. Der 21-jährige studiert in Bozen und geht gerne aufs Waldfest. Generell seien die Feste in St. Georgen einfach Feste, wo man hinzugehen habe, so der Bruneckner. St. Georgen ist tatsächlich im ganzen Pustertal, und zum Teil auch darüber hinaus, für seine Dorffeste im Sommer bekannt. Zum einen ist da das Waldfest im Juli, und Ende August findet noch der Kirchtag statt. Die 2018 veröffentlichte Jergina Kirschta-Medley der lokalen Musikapelle hat über 200.000 Aufrufe auf YouTube und hat der davor eh schon großen Beliebtheit noch eins draufgesetzt. Besonders bei dem jungen Publikum kommt so etwas richtig gut an. Moritz gefällt nicht jede Musik hier, aber es sei einfach nett, wie viele Leute man hier treffe, einfach „awin zi ratschn“.

„Ist nichts für uns.“

„Heute habe ich fünf Leute von meiner Mittelschulklasse getroffen und jetzt haben wir ein Klassentreffen ausgemacht. Wo siehst du die sonst? Nirgends.“ Während er erzählt, kommt ein Mädchen aus der besagten Mittelschulklasse noch vorbei „Tschüss Moritz, wir sehen uns am Mittwoch“, ruft sie ihm noch zu.  

Für jedes Alter, aber nicht für jeden Geschmack
Doch so „traditionelle“ Events gefallen nicht allen. Etwas unterhalb vom Eingang zum Festplatz, beim Parkplatz, stehen zwei junge Männer. Sie haben nicht den „typischen“ Dorffestgeher-Look. „Wir waren noch nie hier, und dachten uns, wir schauen einfach mal kurz vorbei“, erzählt einer der beiden. Sie verschwinden in der Menschenmenge, nur um eine Viertelstunde später wieder aufzutauchen. Das Fazit: „Ist nichts für uns.“ Sie gehen lieber ins Max in Brixen oder in Innsbruck aus.

Dass Dorffeste nicht für jeden und jeder was sind, versteht auch Leonie. „Events gibt es hier im Sommer zwar schon genug, aber für die, die halt lieber richtig ausgehen als auf Dorffeste, ist es in Südtirol echt scheiße.

Jene, die hier feiern, tun es aber gerne. Mittlerweile ist es schon Sonntag, kurz nach ein Uhr früh, in etwas weniger als einer Stunde ist das Fest für die meisten vorbei – zumindest für die nächsten paar Stunden. Ans nach Hause gehen denken viele der jungen Leute aber noch nicht, die Discos sind immer noch steckvoll. Auch Moritz ist noch da. Der 21-Jährige geht eigentlich nicht so oft aus, die paar Angebote, die es im Pustertal gibt, gefallen ihm nicht besonders. Er wünscht sich mehr alternative Events. „Techno zum Beispiel findest du nirgends. Einmal alle paar Jahre gibt es was, und dann musst du ewig weit fahren, bis du hinkommst.“

Auch das Waldfest wird nicht von Aprés-Ski-Hits verschont.

Dass Südtirol zu wenig Feiermöglichkeiten für junge Menschen bietet, ist schon länger Thema. Vielleicht ist gerade das auch einer der Gründe, wieso Waldfeste so beliebt sind, auch wenn nicht alle Besucher:innen gut ins Dorf eingebunden sind. Ausgehmöglichkeit ist schließlich Ausgehmöglichkeit. Für diejenigen, die sich eine Feiernacht ohne Schlager erhoffen, kann es allerdings schwierig werden.

Auch das Waldfest wird nicht von Aprés-Ski-Hits verschont. Um zwei Uhr wird die Musik dann aber abgedreht, eine halbe Stunde später fängt das Gewitter an, das sich schon seit einer kleinen Weile mit Donnergrollen in der Ferne angekündigt hat. Gerade rechtzeitig, um die hartnäckigsten Festgeher:innen nach Hause zu treiben.

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