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Sarah Meraner
Veröffentlicht
am 11.05.2023
PartnerLabernMusical

Fulminante Bühnenexplosion

Veröffentlicht
am 11.05.2023
Queerness on Stage? Oh yes! „The Rocky Horror Show“ bringt unter der Regie von Rudolf Frey ordentlich Glitter and Energy ins Stadttheater Bozen. Unsere Autorin war bei der Premiere dabei.
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Wild. Trashig. Und sehr sexy: Anfangs fühlt man sich als Zuschauer:in der „Rocky Horror Show“ ein bisschen so wie die beiden zunächst biederen Charaktere Janet Weiss (Anna Burger) und Brad Majors (Sebastian Prange), die im Stück eine Autopanne haben und in eine Szenerie hineinrutschen, in der die Augen –  ja eigentlich bis gegen Ende des Stückes – nicht wissen, wo sie hinschauen sollen. Zwischen ausgefallenen Dragqueen-Kostümen, die von monströsen Lacklederstiefeln über rosa Unterhöschen bis hin zu gruseligen Gesichtsmasken reichen, kräftiger Stimmgewalt von allen Seiten und einer verrückt-devoten Erotik in Mimik und Körpersprache, muss ich glatt darauf achten, die eigentliche Story nicht aus dem Blick zu verlieren.

Diese beginnt mit besagter Autopanne des englischen, frisch verlobten Pärchens, das hilfesuchend im Refugium von „Sweet Transvestit“ und Wissenschaftler Frank’n’Furter (Philipp Moschitz) und seiner unterwürfigen, schon beinah’ willenlos wirkenden Gefolgschaft aus der Galaxie Transylvania landet. Besonders hervorzuheben sind Franks beiden treuen Diener Riff-Raff (Steven Ralph) und dessen Schwester Magenta (Dorina Garuci) sowie Columbia (Mariyama Ebel), bei der als einzige Untertanin immer wieder Emotionen durchsickern.

Frank’n’Furter hat sein Gefolge fest im Griff, berauscht sie mit Festen, Liebesakten und Drogen. Er treibt seine Lust und Machtspiele immer wieder auf die Spitze, so auch in dieser Nacht: Er schafft sich den schönen Rocky (Andrea de Majo), der ihm als ideales und devotes Lustobjekt dient. Doch er begnügt sich nicht damit und verführt nun auch Janet und Brad – und zerstört somit auch ihre reine und bis dato unschuldige Liebe. Doch wo Sex und Liebe, da ist meist auch Eifersucht und Missgunst mit im Spiel: Frank tötet nach einem kurzen Auftauchen seinen und Columbias Ex-Geliebten Eddy. Als die sexuell entfesselte Janet nun auch noch seinen Rocky verführt und er durch das Auftauchen von Dr. Everett Scott – Brad und Janets früherer Highschool-Mentor, Mitarbeiter bei der Regierung und zudem noch der Onkel des ermordeten Eddy – eine Verschwörung wittert, lodern Rachegefühle in ihm auf: Er macht alle im Schloss gegen ihren Willen zu seinen Statist:innen, hat die Rechnung aber ohne Riff-Raff und Magenta gemacht, die Sehnsucht nach ihrem Heimatplaneten haben.

Richard O’Brien’s „The Rocky Horror Show“ ist noch bis zum 20. Mai im Stadttheater Bozen zu sehen.

Bunter Cast – buntes Publikum
Regisseur Rudolf Frey setzt bei seiner Interpretation des Musicals aus der LGBTQIA+-Popkultur nochmal mehr auf Diversität und Vielfalt. „Wir dürfen uns der Themen Gender und Sexualität nicht so sehr ermächtigen, sondern müssen sie inklusiv behandeln“, sagt er, „etwa durch die Auswahl des Casts.“ Die Besetzung für die „Rocky Horror Show“ ist also dementsprechend bunt. Auch bei der sprachlichen und musischen Komponente präsentiert der Regisseur sein Verständnis von Vielfalt und fügt dem Musical aus den 1970er-Jahren zum Beispiel einen Lady Gaga-Song hinzu, den Rocky seinem Gebieter vorträllert, zudem sind Franks Alien-Untertanen allesamt multilingual.

Als vielgestaltig könnte man auch das Premierenpublikum beschreiben. Zwischen eleganter Ballrobe, kurzen Jogginghosen, Ganzkörper-Lederoutfits, Glitzerpailetten-Tigerhosen, Netzstrümpfen und Sommersandalen ging es im Stadttheater Bozen am Premierenabend am 6. Mai auch outfit-technisch ähnlich opulent und abwechslungsreich zu wie auf der Bühne – da ließ es sich auch Hauptdarsteller Philipp Moschitz nicht nehmen, in der Pause als Frank’n’Furter im hellrosa Tutu durch die edlen vier Wände des Stadttheaters zu schreiten und den Gästen mit seinem Fächer zuzuwinken. Und wir haben es uns nicht nehmen lassen, ihn zum Zick-Zack-Interview zu bitten.

BARFUSS: Ich habe Frank’n’Furter als provokativ und machtbesessen erlebt, aber man spürte auch seine Verletzlichkeit. Mit welchen Adjektiven würdest du ihn noch beschreiben, Philipp?
Philipp Moschitz: Frank’n’Furter ist dominant, direkt, sehr sexuell, aber auch ehrlich, verletzlich und extrem sehnsuchtsvoll. Er versucht sich eine Kreatur zu bauen, bei der es ihm nicht nur um sexuelle Befriedigung geht, sondern auch darum, einen Mitmenschen zu haben – und ich glaube, dadurch machen wir das Ganze bedeutsam. Jede:r ist doch auf der Suche nach Erfüllung dieser Sehnsucht. Es ist bei Frank ein ganz schmaler Grat zwischen Ehrlichkeit und Dominanz und Macht: Er will wild und crazy sein, er will feiern, aber da ist eine tiefe Melancholie in ihm drin.

„Auch das Diabolische rauszukitzeln mit den Songs und den Texten macht mir wahnsinnig viel Spaß“: Philipp Moschitz als Frank’n’Furter

Was hat dich an der Rolle besonders gereizt?
Diesen schmalen Grat zu erwischen. Diese Crazyness, diese Überdosis, das ist wie ein Trip für mich. Wie geil ist es, der Bäm! „Sweet Transvestite” zu sein und im nächsten Moment geht’s um was ganz Ehrliches. Diese Ehrlichkeit möchte ich den Zuschauer:innen transportieren. Dann noch die Schnelligkeit und Klarheit, das Sich-treiben-lassen und im nächsten Moment in die Verführung as fuck zu gehen – mit Brad und Janet und allen anderen Phantoms, diversen Körperformen, Menschen, egal welchen Geschlechts und welcher sexuellen Identität. Und er hat sie alle bei sich, wie ein Gott, ein Kultführer, der keine Grenzen kennt und dann doch eine Grenze spürt und merkt, dieses Pendant nie erreichen zu können. Diese Tragik zu erfahren und durch seine Seele, seinen Körper, seine Atmung zu spielen, das finde ich an der Rolle einfach genial. Auch das Diabolische rauszukitzeln mit den Songs und den Texten macht mir wahnsinnig viel Spaß.

Wie hast du dich vorbereitet?
Mit Freude und Leidenschaft. Ich bin ein Instinkt-Schauspieler und habe von Regisseur Rudolf Frey viel Freiheit bekommen: Ich darf zum Beispiel jedes Mal einen anderen Song singen, wenn ich in der ersten Szene die Treppe herunterklettere. Der Cast wartet dann immer gespannt darauf: Was singt Philipp heute? (lacht) Ich wollte den klassischen Auftritt von Frank’n’Furter irgendwie brechen.
Ich kannte die Geschichte vorher schon ziemlich gut. Als Kind war ich totaler Fan und habe das Stück gefühlte 30 Mal im Theater in Osnabrück gesehen. Ich habe die Produktion auch schon mal gespielt, allerdings als Rocky und als Eddy.

Was ist im Schauspiel die größte Herausforderung für dich?
Ehrlich zu sein für diese Figur, seine Gedanken wirklich zu denken und sie wirklich in diesem Moment auf der Bühne zu erleben. Das ist für mich auch das Wichtigste.

Was macht das mit einem?
Es spült einen weg, man kann irgendwann fliegen. Und das ist mir passiert bei der Premiere. Ich spiele mich frei. Wenn ich nicht mehr nachdenken muss, was als nächstes kommt, sondern einfach mein Ding machen kann, dann erwische ich diesen schmalen Grat des Frank’n’Furter.

Philipp Moschitz: „Diese Crazyness, diese Überdosis, das ist wie ein Trip für mich.

„Du saugst die Leute aus, du bist wie ein Schwamm“, sagt Columbia in einer Szene zu Frank’n’Furter. Wie würdest du die Beziehung zu seiner Gefolgschaft beschreiben?
Sie spricht damit einen wahren Satz. Columbia ist nicht eine Dienstbotin wie die anderen, sondern verkörpert ein menschliches Dasein, wodurch Frank’n’Furter immer wieder getriggert wird. Er nimmt und nimmt, wie das narzisstische Menschen so machen. Er kennt kein Nein. Wenn er jemanden umbringen will, dann macht er es, wenn er jemanden vögeln will, dann macht er es. Plötzlich hört er aber ein Nein, die Fassade fängt an zu bröckeln und es fliegt ihm alles um die Ohren.

Welche Botschaft vermittelt das weltberühmte Musical gerade in der heutigen Zeit?
Das Thema ist hochaktuell. Erst kürzlich habe ich gelesen, dass in München eine Drag-Lesung zum Christopher Street Day verboten wird. In den USA werden Dragshows verboten. Leute verstecken sich für das, was sie sind, trauen sich nicht rauszukommen … Ich denke, wir sind divers? Ich denke wir sind aufgeklärt?
„The Rocky Horror Show“ bekommt durch das Sichtbarmachen dieser Themen eine Relevanz – es ist daher wichtig, dass viele Menschen dieses Stück sehen. Ich finde es toll, dass wir auch drei Mal vor Schulklassen spielen. Ja, die jungen Leute sehen dann, wie zwei Männer sich auf der Bühne küssen und ja, das ist wichtig. Ich kann mich nur wiederholen: Es braucht unbedingt Sichtbarkeit für Diversität in unserer nach wie vor doch sehr tradierten Gesellschaft. Darum bitte: Alle unbedingt in dieses Stück kommen.

Vielleicht nicht nur einmal, sondern sogar zwei Mal. Denn vielleicht muss man – wie so oft im Leben – einfach mal genauer hinschauen, um wirklich zu verstehen. „The Rocky Horror Show“ ist eine schillernd-groteske Science-Fiction-Komödie mit einem Hauch Darkness, einem gut getarnten, ernsten Hintergrund, einer dringenden Botschaft und mit skurrilen Persönlichkeiten, die am Ende menschlicher sind, als man zunächst annimmt. Das Musical lässt sich am Ende mit einem Wort bestens beschreiben: explosiv. Dafür sorgen Philipp Moschitz und die anderen großartigen Darsteller:innen dieser gewaltigen Orgie. Sie liefern eine 2,5-Stunden Performance-Deluxe ab und ziehen das Publikum in ihren Bann – lassen sie mittanzen, rot werden und schmunzeln.

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