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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 01.07.2019
LebenInterview mit Gustav Hofer

Es lebe der Penis!

Veröffentlicht
am 01.07.2019
Mussolini, Salvini, der Papst: In Italien haben weiße Männer das Sagen. Gustav Hofer und Luca Ragazzi untersuchen in ihrer neuen Doku, warum überholte Rollenbilder bis heute bestehen.
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Es sind meist heterosexuelle, weiße, katholische Männer, die in unserer Gesellschaft die Entscheidungen treffen. Darauf machen nicht nur die Medien immer öfter aufmerksam, sondern jetzt auch Gustav Hofer. In seinem neuen Dokumentarfilm bringt der in Rom lebende Journalist und Filmemacher gemeinsam mit Partner Luca Ragazzi die Themen Patriarchat und Machismus auf die Leinwand.

Für den gebürtigen Sarner dominiert das patriarchale System zwar weit über die italienische Grenze hinaus, trotzdem wirft er in seinem Film den Blick bewusst auf das eigene Land. „Dicktatorship – fallo e basta“ ist eine dreijährige Reise des Paares durch den Stiefelstaat, hin zum Penis als Symbol für Macht, zu Soziologie und Wissenschaft, zu Kunst und Pornografie.

Bei den Dreharbeiten

Euer neues Werk läuft gerade in den Kinos an. „Dicktatorship – fallo e basta!“ ist ein Dokumentarfilm über Patriarchat und Machismus in Italien. Was hat euch dazu bewogen, dieses Thema aufzugreifen?
Der Ausgangspunkt für unsere Filme ist immer eine Problematik, die uns beschäftigt. Bestimmte Themen finden einfach nicht genug Resonanz in den Medien und im öffentlichen Diskurs. Ursprünglich wurde uns angeboten, einen Film über die Beziehung des Mannes zu seinem Penis zu drehen. Das hat uns nicht interessiert, aber daraus ist ein Film geworden, der den Penis als Symbol für Macht zeigt.

Mit den ersten Recherchen habt ihr bereits vor drei Jahren begonnen. War das Thema schon damals aktuell?
Viele haben das damals noch als unwichtig erachtet, auch #metoo war noch nicht aktuell. Werden solche Themen angesprochen, heißt es immer: Jetzt kommen wieder die Feministen. Dabei wurde dieser Begriff so komplett seines Sinnes entleert. Menschen glauben heute, feministisch zu sein bedeute, gegen Männer zu sein. Dabei ist man gegen das Patriarchat und diese männerdominierte Welt. Traurig ist auch, dass viele Frauen dieses patriarchale System einfach intus haben, ohne es überhaupt zu merken. Weil es die Norm ist in Italien. Dabei gibt es noch viel darüber zu diskutieren. Das merken wir, wenn die Menschen nach unserem Film die Kinos verlassen und angeregte Debatten führen. Auch wir diskutieren immer noch (lacht).

„In Italien gibt es einfach eine größere Resistenz zur Veränderung.”

Angefangen hat alles mit einer Debatte am Frühstückstisch zwischen dir und Luca. Welche Leitfrage hat sich daraus ergeben?
Es gibt auf der Welt Prozessionen, in denen der Phallus gefeiert wird und Orte, an denen Häuser mit Penis-Motiven bemalt werden. Doch wir haben unsere Geschichte auf Italien beschränkt. Hier findet man das alles auf einer Fläche konzentriert. Das wollten wir abbilden.

Wie habt ihr eure Gesprächspartner ausfindig gemacht?
Wir haben viel gelesen, recherchiert und Vorgespräche geführt. Wir wollten in die fünf Säulen der Gesellschaft Einblick erhalten: In Familie, Schule, Medien, Politik und Kirche. Natürlich wussten wir nie, was das Gespräch ergeben wird. Wir haben auch versucht, Interviews und Bilder so gut als möglich zu vermischen. Viele Kinobesucher meinen, dass man gar nicht merke, dass das mit 90 Minuten unser längster Film ist. Das zeigt wohl, dass uns das gelungen ist.

Ist Italien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern machistischer?
Durch die besondere Geschichte ist das Fallozentrische sicher stärker oder sichtbarer als in anderen europäischen oder westlichen Ländern. Was nicht bedeutet, dass diese besser gestellt sind. In Italien gab es eine 20-jährige faschistische Diktatur, die die Frau als Hausfrau verherrlichte und es gibt Politiker wie Berlusconi, der als Medienunternehmer vierzig Jahre lang den Frauenkörper in den Medien vermarktet hat. Hier gibt es einfach eine größere Resistenz zur Veränderung. Das patriarchale System dominiert die Gesellschaften weit über die italienische Grenze hinaus. Das Grundproblem ist universell. Am Anfang lacht man noch, doch am Ende merkt man, dass es in den eigenen vier Wänden gar nicht so viel anders ist.

Wie hat sich deine Einstellung zum Thema im Laufe der drei Jahre verändert?
Man wird sensibler und sieht Dinge, die einem vorher nicht aufgefallen sind. Zum Beispiel die unglaubliche Dominanz der Männer im öffentlichen Raum. Hier passiert es ständig, dass Männer am Rednerpult stehen und es nicht einmal auffällt, weil das einfach die Norm ist. Heute vertrage ich gewisse Dinge nicht mehr und mache mein Gegenüber darauf aufmerksam, dass gewisse Verhaltensmuster vielleicht nicht so normal sind, wie es in unserer Gesellschaft scheint.

Hat sich der Dreh auch auf deine Einstellung zur Emanzipation der Frau ausgewirkt?
Bei uns Zuhause gab es eigentlich eine gelebte Emanzipation. Wenn sie vielleicht auch nicht sehr bewusst war, hat meine Mutter doch ihre Vorteile genossen. Ich und meine Schwestern wurden außerdem immer gleich behandelt, wir hatten die gleichen Chancen.

Findest du, dass Frauen in Italien diskriminiert werden?
Auf alle Fälle. Es herrscht immer noch das Bild, dass eine Frau nicht ganz ist, wenn sie kein Kind hat oder keinen Mann. Unabhängige Frauen mit Kindern, die nach wie vor ihrer Leidenschaft oder ihrem Job nachgehen, werden als Rabenmütter angesehen. Im Grunde ist die Politik Schuld daran, die hier nie mit Krippenplätzen oder Ähnlichem geholfen hat. Bleibt ein Mann bei den Kindern, wird er als mammo und nicht als Vater bezeichnet. In Spanien hat die Politik zum Beispiel vier Monate obligatorische Vaterschaft eingeführt, während man in Italien die fünf Tage auf drei gekürzt hat. Hierzulande liegt dieses Thema einfach nicht im Interesse der Politik.

„Wir wissen, was es bedeutet, diskriminiert zu werden. Homophobie und Frauenfeindlichkeit hängen unmittelbar zusammen.”

Also hinkt Italien im Vergleich zu anderen Ländern hinterher?
Was Familienpolitik anbelangt sicherlich. Das alte Rollenbild ist noch zu tief verwurzelt.

Kann man das auch als Machismus sehen?
Absolut. Das ist einfach eine andere Ausprägung. Es geht darum, dass Männer versuchen, sich Politik und Macht untereinander aufzuteilen. Die Frau ist die Spielverderberin, die Ansprüche an den Platz stellt, der Männern vorbehalten ist.

Ihr wolltet von Anfang an einen Film von Männern über Männer machen. Warum?
Wir wollten nicht, dass es ein Film wird, wo Männer über Frauen sprechen. Und vielleicht ist es auch ganz gut, dass Männer über Männer berichten. So werden sie von Männern eher ernst genommen, wie wenn der Film von einer Frau stammen würde. Das ist traurig, aber wahr. Dadurch, dass wir homosexuell sind, haben wir außerdem einen anderen Blick auf die Dinge. Wir wissen, was es bedeutet, diskriminiert zu werden. Homophobie und Frauenfeindlichkeit hängen unmittelbar zusammen. Ein homophober Mann ist immer auch frauenfeindlich. Aber genauso gibt es frauenfeindliche schwule Männer.

Luca Ragazzi und Gustav Hofer

Gibt es auch unter Schwulen Machos?
Natürlich. In Chats gibt es oft die Angabe „suche wirklichen Mann“ oder „non effeminato“. Viele schwule Männer sind super muskulös, was für mich ein Zeichen dafür ist, dass sie ihre Männlichkeit unterstreichen wollen. Im patriarchalen System werden Homosexuelle nämlich immer als verweiblichte Männer gesehen.

Was ist denn männlich, was weiblich?
Äh (lacht) … Ein Mann muss erkennen, dass er nicht wegen seines Penis mehr zählt als andere. Ich würde einfach von menschlich sprechen. Das sollte das Ziel für alle sein.

Was muss sich also ändern in unserer patriarchalen Welt?
Wir müssen verstehen, dass Männer und Frauen davon profitieren, wenn wir in einer gerechteren Gesellschaft leben. Das heißt, mehr Freiheit für jeden zu finden. Wir müssen aufmerksamer werden und aufmerksam machen. Dann beginnt ein Veränderungsprozess. Aber wir müssen aktiv daran teilnehmen, damit die Entwicklung nicht wieder in die entgegengesetzte Richtung geht. In der Geschichte war es immer so, dass auf Zeiten einer gewissen Emanzipation die reaktionären Bewegungen Zulauf gefunden haben und das wollen wir nicht.

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