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Veröffentlicht
am 11.09.2017
LebenStraßenzeitung zebra.

Bittere Zeiten

Veröffentlicht
am 11.09.2017
Ruth Fe Salditos kennt den bitteren Beigeschmack von Zucker. Die Menschenrechtsaktivistin kämpft für die Rechte der kleinen Zuckerrohrfarmer. Dafür erhielt sie sogar Morddrohungen.
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Im Juli protestierte Ruth Fe Salditos vor dem Voksgericht in Manila gegen die Politik der Regierung.

Ruth Fe Salditos ist Vorstandsmitglied von PFTC (Panay Fair Trade Center). Neben Trockenfrüchten und Gewürzen zählt Zucker zu den Haupteinnahmequellen der philippinischen Fairhandelsorganisation. Auch in italienischen Geschäften sind die Produkte von „Mascobado“ erhältlich. Doch das Geschäft mit dem Zucker wird zusehends schwieriger: Der Druck und der Einfluss durch große Konzerne und die Regierung auf den Philippinen nehmen zu. Kleine Bauern und Bäuerinnen sollen den Großen und Mächtigen weichen. Den Kampf um ihr Land bezahlten manche schon mit ihrem Leben. Auch Ruth Fe Salditos erhielt Morddrohungen und wurde bereits mehrfach angeklagt. Im September kommt sie nach Südtirol, um von ihrem „gemeinsamen Kampf für Gerechtigkeit“ zu berichten.

Wie entstand PFTC?
Der Ursprung der Organisation liegt im Jahr 1984. Eine Frauenbewegung mit dem Namen KABALAKA, auf Deutsch „Frauen erhebt euch und marschiert für Freiheit“, führte Frauen aus verschiedenen landwirtschaftlichen Sektoren zusammen. Ihr Ziel war es, die gemeinsame Vermarktung ihrer Produkte und Weiterbildungen zu ermöglichen. Daraus entstand PFTC. 1991 erweckte die Organisation durch das Angebot von philippinischen Bananenchips und Rohrzucker internationales Interesse. Wir wurden bald von unserem wichtigsten italienischen Fair-Trade-Partner CTM-Altromercato kontaktiert. Ein Jahr später konnten die Italiener*innen fair gehandelte, gesüßte Bananenchips kaufen.

Wohin wird der Zucker exportiert?
Außerhalb der Philippinen exportieren wir den Rohzucker, unser inzwischen meistverkauftes Produkt, nur an Fair Trade Organisationen, vor allem in Italien und Österreich. Kürzlich konnten wir außerdem Spanien, Frankreich, Deutschland, Japan, Südkorea und Hongkong als Märkte gewinnen.

„Zuckerrohr ist ein Symbol für eine lange Geschichte von Ausbeutung.“

Welche Bedeutung haben die Zuckerrohrplantagen auf den Philippinen?
Zuckerrohr ist ein Symbol für eine lange Geschichte von Ausbeutung. Besonders während der spanischen Kolonisation, welche über 300 Jahre andauerte und bis heute nachwirkt, waren die Bedingungen schlimm. Zuckerrohr gehört zu den zehn Hauptprodukten, die auf der Insel Panay angebaut werden. Faszinierend am Anbau von Zuckerrohr dort ist, dass es von Gemeinschaften aus klein organisierten Farmer*innen produziert wird. Mehrheitlich wird Zucker noch immer sehr traditionell angebaut. Als professionelle Diätistin kann ich über Rohrohrzucker sagen, dass er im Unterschied zu raffiniertem oder weißem Zucker auch Vitamine enthält.

Wer arbeitet mit PFTC?
PFTC gehört mehreren Organisationen, hauptsächlich Gemeinschaften von kleinen Zuckerrohrfarmer*innen. Die Arbeiter*innen der Zuckermühlen und das Verwaltungspersonal stammen von den Familien kleiner Farmer*innen und benachteiligten städtischen Gemeinschaften. Großen Wert legen wir auf die Auszahlung von regelmäßigen und fairen Löhnen. Die zehn Prinzipien des Fairen Handels einzuhalten, war für uns schon von Beginn an sehr wichtig. Durch den starken Geist der Zusammenarbeit innerhalb der Organisation und mit unseren Partner*innen können wir uns seit stolzen 26 Jahren erfolgreich auf den Beinen halten. Die Solidarität mit den organisierten Arbeiter*innen von Seiten lokaler sowie ausländischer Partner wurde in den letzten Jahren immer stärker und verhalf uns zu mehr Selbstbestimmung.

Welche Art von Vorteilen bietet der Faire Handel?
Der Anbau von Zucker, Bananenchips und weiteren Produkten sichert über 1.000 Familien in Panay den Lebensunterhalt. Trotz des Wachstums sind die Prinzipien, die Langzeit-Zusammenarbeit zu fördern, Solidarität und Unterstützung über die Jahre hin konstant geblieben. Durch Vorschüsse von bis zu 50 Prozent können wir beispielsweise bereits vor der Lieferung Mahlbetriebe und monatliche Löhne bezahlen. Außerdem unterstützen die Organisationen uns bei der Verbesserung oder der Neuerrichtung von Zuckermühlen sowie beim Ausweiten der Absatzmärkte. Regelmäßig kommt es zu Austausch- und Sensibilisierungskampagnen, und ich werde zu Informations- und Lehrreisen eingeladen. Auch effiziente Marketingstrategien sind für mich besonders wichtig, um die Solidarität weltweit zu stärken.

Zuckerrohr wird häufig noch von Hand geerntet.

Welche Probleme gibt es in der Zuckerproduktion auf den Philippinen?
Ein Großteil des philippinischen Zuckers wird von großen Zuckerzentralen in Negros, einer benachbarten Insel, produziert. Monokulturen von Zuckerrohr prägen dort die Landschaft. Viele Zuckerrohrfarmer*innen werden vertrieben und die Ländereien von multinationalen Konzernen aufgekauft. Anders als auf Negros, gibt es auf Panay neben Reis noch eine Vielzahl von verschiedenen Einnahmequellen wie Kokosnüsse, Fisch oder Getreide. Seitdem zusätzlich Zuckermühlen erbaut wurden und an PFTC geliefert wird, ist die Zuckerproduktion zu einer weiteren wichtigen Einkommensquelle geworden. Die Menschen können von ihrem Boden leben und wollen so weiterarbeiten. Aber auch in Panay stellt das zunehmende Interesse großer Konzerne eine ernsthafte Bedrohung für die Farmer*innen dar. Ihr Boden ist zu einem begehrten Gut geworden. Die intensivierte Nutzung von Biotreibstoff und der damit verbundene Boom von Monokulturen verstärkt diesen Druck noch mehr.

2014 wurde der Präsident der Organisation, Romeo Cappalla, auf offener Straße erschossen, kurz darauf ein Farmer. Insgesamt hat PFTC bereits fünf Angestellte verloren. Warum mussten diese Menschen sterben?
In den letzten 26 Jahren haben wir uns neben der Vermarktung von Produkten auch stark um die grundlegenden Forderungen der Farmer und Frauen gekümmert, was eigentlich Aufgabe der Regierung wäre. Bis heute ist aber nichts passiert: Es gibt noch keine Landreform, und Farmer*innen haben keinen Zugang zu sozialen Diensten. Es gibt keine Unterstützung durch den Staat, keine Förderungen, gegen Menschenrechte wird verstoßen. Der Kampf von PFTC ist eng mit dem Wunsch der Menschen nach Veränderung verbunden. Unser Ziel ist die Überwindung von Armut und Ausgrenzung innerhalb unserer Gemeinschaften. Somit haben wir in den letzten Jahren verschiedenste Forderungen gestellt, Versammlungen und öffentliche Demonstrationen durchgeführt, und das machte uns auch zum Angriffsziel. Ohne Zweifel waren es Leute von der Regierung und dem Militär, die diese Verbrechen begangen haben. Bis heute wurde von den staatlichen Stellen niemand zur Verantwortung gezogen.

„Wir wollen keine Angst haben und das verteidigen, woran jene, die dafür ihr Leben lassen mussten, geglaubt haben.“

Fürchten Sie um Ihr Leben?
Früher, aber jetzt nicht mehr. Was mir und meinen Kolleg*innen passiert ist, zeigt nur, um wie viel schlimmer unsere Zukunft werden kann, wenn wir aufhören und uns einschüchtern lassen. Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir haben die Wahrheit, um uns zu befreien. Und ich bin nicht die Einzige. Das ist ein gemeinsamer Kampf für Gerechtigkeit.

Was motiviert Sie? Was muss sich noch verändern?
Unsere Motivation beruht auf unserem gemeinsamen Streben nach Veränderung. Wir wollen Freiheit und Unabhängigkeit von ausländischen Großlandbesitzern und Monopolkapitalisten. Wir haben sehr klein begonnen – als eine beinahe bedeutungslose Frauenorganisation – und sind in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen. Wir wollen keine Angst haben und das verteidigen, woran jene, die dafür ihr Leben lassen mussten, geglaubt haben. Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, für unsere Kinder und für die Zukunft der Philippinen!

Hat sich in der Zeit, in der Sie für die Farmer*innen gekämpft haben, etwas verbessert?
Ja, wir sind mit jeder Anstrengung widerstandsfähiger und selbstbewusster geworden. Die Zuckerproduktion ist von zwei Tonnen jährlich im Jahr 1992 auf heute beinahe Tausend angestiegen. Mehr Menschen, Institutionen und sogar staatliche Einrichtungen kennen heute unsere Arbeit im Fairen Handel und werden davon inspiriert. Das wichtigste aber ist, dass viele Menschen ein besseres Leben führen können.

Welche Botschaft möchten Sie Konsument*innen mitgeben?
Im Juli haben wir erneut vor dem Volksgericht in Manila protestiert. Wir wollen verhindern, dass das Kriegsrecht, das Präsident Duterte ausgerufen hat, verlängert wird. Die derzeitige politische Situation auf den Philippinen ist besorgniserregend. Wir wissen, dass es keine leichte Aufgabe ist, aber wir müssen das Bewusstsein der Menschen stärken und ihre Unterstützung und Solidarität gewinnen. Wir verdienen uns einen gerechten Anteil am Reichtum unseres Landes. Wir brauchen dazu aber auch Konsument*innen, die uns durch bewusste Konsumentscheidungen unterstützen. Voneinander können wir lernen und gemeinsam Probleme und Unrecht aufzeigen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir ein Land frei von Fremdherrschaft. Ein Land, das wir stolz unser eigen nennen können, in dem Menschen frei von jeglicher Form von Ausbeutung leben und die Früchte ihrer Arbeit ernten können. Das wird nur möglich sein, wenn unser Land die Politik von nationaler Industrialisierung und eine Landreform durchsetzt. Der Weg zu einem freien Land wird nicht einfach sein, doch die Geschichte hat uns gelehrt, dass sich die Vorherrschaft der Unterdrückten am Ende durchsetzen wird.

von Sophie Baumgartner

Der Text erschien erstmals in der 29. Ausgabe von „zebra.”, September 2017.

Abendveranstaltungen mit Ruth Fe Salditos
21. September: Brixen (Info: 0472 830205)
22. September: Bozen, Teatro Cristallo
25. September: St. Ulrich, Bibliothek
26. September: Neumarkt, Pfarrzentrum
27. September: Meran, Urania

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