Afrikas Schreckgespenster
Wenn „Das passiert immer den Anderen“ plötzlich nicht mehr gilt. Ein gefährlicher Virus geht in Uganda um, die Südtiroler Praktikantin ist mittendrin.
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Bild: Elisa Reiterer
Zwei Wörter reichen, um in das Gesicht eines jeden Menschen in Uganda die blanke Angst zu zeichnen: Ebola und Marburg. Zwei Krankheiten, zwei kaum voneinander zu unterscheidende Viren. Höchst infektiös und mit Sterberaten, die Gänsehaut hervorrufen. Sie haben beide tiefe Narben in der jüngeren Geschichte Ugandas hinterlassen.
Alles begann am 8. Oktober 2000 hier in Gulu, als dem Gesundheitsministerium eine Anhäufung mysteriöser Tode berichtet wurde. Eine Woche später stand der erste Ebola-Ausbruch in der Geschichte Ugandas fest – lange nicht der letzte, aber bis heute der heftigste. Innerhalb von drei Monaten erkrankten 425 Personen an dem gefährlichen Fieber, 224 davon starben. Der letzte, dem die Epidemie das Leben kostete, war der Arzt Matthew Lukwiya, der Direktor des St. Mary Hospitals. Margaret hingegen, Krankenschwester in der Pädiatrie, erkrankte und überlebte den Virus, an dem 90 Prozent der Infizierten sterben.
Die Epidemie bricht aus

Eine Kämpferin
Margaret jedoch kämpfte weiter, Tag für Tag, ohne dass das Fieber sank. Eines Abends brachte ihr eine Krankenschwester ein Glas Milch. „This was sent from God, for sure“, ist sie heute noch überzeugt. Denn nach diesem Glas Milch ging das Fieber zurück. Bei der Morgenvisite war sie völlig fieberfrei und konnte wenige Tage später das Krankenhaus verlassen. Es war der 14. Dezember 2000, sie war die letzte an Ebola erkrankte Person in Lacor – bis heute wurde kein neuer Ebola-Fall im Krankenhaus festgestellt.
Der Albtraum mag zwar vorbei sein, doch Ebola ist immer noch omnipräsent, in beinahe jedem Raum der Klinik hängt ein riesiges gelbes Plakat mit den ersten Symptomen von Ebola und den wichtigsten Maßnahmen im Falle eines Verdachts. Zwei Mal in den vergangenen Wochen wurde Ebola bereits bei zwei kleinen Patienten in Betracht gezogen, zwei Mal war es zum Glück ein falscher Verdacht.
In Europa haben wir ein ziemlich verzerrtes Bild von Epidemien. Schlimme Sachen, tragisch, tragisch, aber so was passiert immer nur weit weg bei ganz anderen Menschen, die mit unserem Leben nichts zu tun haben.
Bis man plötzlich mitten drin steht
Am vergangenen Freitag kommt Massimo, mein Chef, Mentor und Lieblingssprücheklopfer südlich des Mittelmeers auf die Station geeilt und zieht mich beiseite: „Ihr wart am Wochenende in Kalongo?“ Ja, waren wir, ich und ein paar Freundinnen, ein kleiner Ort etwa drei Autostunden von Gulu entfernt. „Dort ist die Ebola.“
Mir wird schlecht, mein Herz rast, Schweiß bricht auf meiner Stirn aus, ich höre die ganze Welt wie durch Watte. Ich denke an den überfüllten Raum, in dem mehrere Schulen traditionelle Tänze vorgeführt hatten, vollgestopft mit schweißtriefenden Menschen. An die gelben Plakate und die Übertragung durch Körpersekrete. An die hohe Sterberate. An meinen Freund, meine Eltern, meinen Bruder. An die von mir als Reisedurchfall bezeichnete Verdauungsstörung, die mich in den letzten Tagen begleitet hat.
Die Welt steht Kopf. Die Nachrichten verschwimmen und widersprechen sich: Ebola; Ebola-ähnlich; ein Toter; zwei Tote; zwei Tote und ein Erkrankter, der aus dem Krankenhaus von Kalongo entwischt ist und von dem noch jede Spur fehlt. Gegen Abend steht fest: nicht Ebola, sondern Krim-Kongo ist es. Ebenfalls ein infektiöses Fieber, jedoch weniger ansteckend und weniger tödlich. In Zahlen, auf einer Liste der gefährlichsten Viren der Welt rangiert Marburg auf Platz eins, Ebola auf zwei, Krim-Kongo auf sieben.
Am nächsten Morgen wird eine Krisensitzung des Krankenhauspersonals einberufen, das Credo „Wash your hands!“ mindestens zwanzigmal wiederholt. Auf der Station kommt uns ein aufgelöster Nachtdienstler entgegen, eine Patientin ist aus Kalongo eingetroffen, mit hohem Fieber und Nasenbluten. Nach kurzer Aufregung wird Entwarnung gegeben, Malaria. Doch den ganzen Samstag über ist die Nervosität fast mit Händen greifbar.
Am Sonntag jedoch nichts Neues aus Kalongo. „No news are good news“ in so einem Fall, und schon am Montag kehrt wieder beinahe Routine ein. Doch die Alarmglocke sitzt im Hinterkopf, jedes Nasenbluten ist verdächtig. Auch wenn es im Moment so aussieht, als hätte man dort, hundertsechzig Kilometer entfernt, alles unter Kontrolle.
veröffentlicht am 23. August 2013 2013-08-23T06:00:00+02:00
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