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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 10.02.2016
MeinungWir Ypsiloner

Generation Selbstfindung

Veröffentlicht
am 10.02.2016
Wir wollen wissen, wer wir sind und vergessen auf unserer Suche, die Antwort in uns selbst zu finden.
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Ich konzentriere mich auf den leuchtenden Punkt zwischen meinen Augenbrauen. Om. Einatmen. Om. Ausatmen. Im Schneidersitz sitze ich zwischen fünfzig anderen Menschen in diesem Saal in den österreichischen Bergen und meditiere. Draußen ist es stockfinster. Es ist 5.30 Uhr morgens und mein letzter Tag im Sivananda Ashram. 30 Tage Kaffee- und Alkohol-Abstinenz, 30 Tage Meditation, Yoga und vegetarisches Essen, 30 Tage indische Philosophie und Kirtan-Singen, 30 Tage nur ich und ich. Inmitten von Gleichgesinnten und erstaunlich vielen Ypsilonern. Doch obwohl die meisten von ihnen in diesem Kloster sind, um sich zum Yogalehrer ausbilden zu lassen, ist das, was sie dorthin getrieben hat, ganz etwas anderes: Die Suche nach sich selbst.

„Wer bin ich?“

Es ist der Antrieb, diese eine Frage zu beantworten, der uns Ypsiloner so stark miteinander verbindet. Immer und immer wieder schwirrt sie durch unsere Köpfe und gibt den Takt vor, dem unser Leben folgt. Diese Frage, die nach einer Antwort sucht, die es nicht gibt. Weil die Lösung nichts als ein Gefühl ist. Ein Gefühl der Vollkommenheit.

Alle wollen wir dieses eine Gefühl in uns spüren, doch noch nie hat eine Generation vor uns so viel Zeit und Geld in diese Suche investiert. Durch die vielen Möglichkeiten, die sich uns im Laufe unserer Jugend bereits bieten, müssen wir wissen, wer wir sind. Nur so können wir es schaffen, uns in diesem Dschungel an Kreuzungen zurecht zu finden und den richtigen Weg einzuschlagen. Und so wird die Selbstfindung zu unserem höchsten Ziel und gleichzeitig zu unserem dicksten Sparschwein. Wie fette, glänzende Münzen werfen wir jede Erfahrung, die uns auf dem Pfad begegnet, in den Sparschlitz und hoffen dabei, dass wir reicher und reicher werden. Reicher an Wissen über uns selbst.

Sich selbst kennen

Schon abstrus, wenn man darüber nachdenkt, dass man sich selbst erst kennenlernen muss wie einen Unbekannten. Dass dieser Körper, in dem wir jeden Tag aufwachen und den wir jeden Tag ins Bett legen, uns so fremd sein kann. Und dass dieser Geist, der Tag für Tag all unsere Gedanken in einem ständigen Fluss produziert, so fremdgesteuert wirken und so unkontrolliert über unseren Zustand bestimmen kann. Doch wir wären nicht die Generation Why, würden wir nicht fragen, warum das so ist und wer eigentlich hinter dieser Unbekannten steckt. Und deshalb habe ich kürzlich wieder eine fette Münze durch den Sparschlitz geschoben und bin dieser Frage einen intensiven Monat lang nachgegangen.

Auf meiner Suche im Ashram habe ich mich in der ersten Woche noch geweigert, vorm Essen im Kreis das Hare Krishna zu singen, mich vor Gottesstatuen zu verbeugen, beim Kirtan-Singen meine Augen zu schließen und im Takt mitzuklatschen oder während der Lichtzeremonie die Hand über das Feuer zu halten und danach über meinen Kopf zu streifen. Weil ich Angst hatte, in einer Sekte zu landen, war die Erkenntnis über meinen Geist meilenweit von meinem Sturschädel entfernt. Doch nach und nach habe ich verstanden, dass Singen, Klatschen und Verbeugen eigentlich nichts mit Gott zu tun hat, sondern mit uns selbst und unserem Geist. Ich habe verstanden, dass dies Methoden sind, um das, was meine Gedanken steuert, das, was wir Geist nennen, zu kontrollieren. Ich habe dadurch nicht nur gelernt, zehn Minuten im Kopfstand zu stehen und sieben Minuten im Bogen zu verharren, sondern auch, mich selbst zu kennen.

Auf der Suche

Das Problem ist, dass wir Ypsiloner auf unserer Suche nach diesem „Ich“, das uns durchs Leben leitet und uns sagt, was zu tun ist und was nicht, hin und wieder einen wichtigen Punkt vergessen: Die Flucht nach außen in die weite Welt ist nichts anderes als Illusion, reine Inspiration, die uns nicht zum Ziel bringen wird. Die wahre Reise findet nicht in einem Kloster, einem Flugzeug oder in irgendeinem fernen Land statt, sondern einzig und allein in uns selbst.

Auf unserer Suche im Außen vergessen wir oft, den Blick nach innen zu werfen. Wir vergessen, Zeit mit uns selbst zu verbringen. Erst wenn wir aufhören, in der Ferne zu suchen, heißt es: Schluss mit Generation Mingle, Schluss mit Generation Fernweh, Schluss mit Generation Angst. Wenn wir nämlich verstanden haben, wer derjenige ist, der uns leitet und unsere Gedanken steuert, dann haben wir verstanden, wer die Werkzeuge zu einem vollkommenen Leben in den Händen hält.
Wir nämlich.

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