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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 27.07.2016
MeinungWir Ypsiloner

Generation Multitasking

Veröffentlicht
am 27.07.2016
Wir Ypsiloner passen uns mit unseren Fähigkeiten wie Chamäleons an jede Lebenslage an.
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„Was willst du denn mal werden, wenn du groß bist?“ – Es ist diese eine Frage, die uns vormacht, dass Träume Realität werden können, wenn wir klein sind, und uns in der Realität träumen lässt, wenn wir groß sind.

Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich damals, als ich noch klein war, nicht genau verstanden habe, was die Menschen mit dieser Frage eigentlich von mir wissen wollten. Und ich erinnere mich daran, wie ich mir, als ich dann schon etwas größer war, bei einem Nachmittagsspaziergang mit meinen Eltern wahrlich darüber Gedanken gemacht habe, was zum Teufel ich doch werden sollte, wenn ich dann wirklich einmal groß sein werde. Jetzt bin ich groß, verstehe die Frage und denke immer noch darüber nach. Irgendwie habe ich damit dieselbe Beziehung wie mit dem kleinen Prinzen von Saint-Exupéry. Ich kann ihn immer und immer wieder lesen und durchschaue ihn doch nie wirklich.
Wenn mich heute jedoch jemand fragt, was ich denn in meinem Leben so mache, dann habe ich im Gegensatz zu damals zum Glück ganz schön viele Antworten. Ich bin nicht nur selbständige Texterin, sondern auch noch Bäuerin und Yogalehrerin. Außerdem bin ich Feuerkünstlerin, Tänzerin und ab und an versuche ich mich sogar als Kräuterhexe, Heimwerkerin oder Schneiderin. Oh ja, ich erkenne immer mehr meiner Fähigkeiten und lerne, sie gekonnt einsetzen.

„Zu Ypsiloner-Zeiten reicht es einfach nicht mehr, Etwas zu sein. Man muss Vieles sein und sich mit diesen Facetten wie ein Chamäleon an jede Lebenslage anpassen.“

Und damit bin ich unter den Ypsilonern bestimmt nicht alleine. Uns kriegt man eben nur als riesengroßes, geschnürtes Paket. Die Krise hat uns Anpassungsfähigkeit gelehrt. Wir haben verstanden, dass es zu Ypsiloner-Zeiten einfach nicht mehr reicht, Etwas zu sein. Man muss Vieles sein und sich mit diesen Facetten wie ein Chamäleon an jede Lebenslage anpassen. Nur so kann man im Dschungel der modernen Welt vorankommen. So erfinden wir nicht nur uns, sondern ganze Berufsbilder immer wieder neu und werden zu Multitasking-Königen mit vielen Fähigkeiten, die wir gekonnt gleichzeitig einzusetzen. Was könnte man als Ypsiloner in dieser sich ständig wandelnden Welt besser gebrauchen als viele verschiedene Talente?

Von der Spaltung meiner Seele
Was dieses Multitasking manchmal jedoch mit sich bringt, ist das Gefühl der gespaltenen Seele. Immer wieder gibt es Momente, in denen ich mich in diesem Multitasking-Universum einfach etwas verloren fühle. Dann schwimme ich nicht mehr von einer Job-Insel zur nächsten, sondern wate eher im Sumpf meiner Fähigkeiten. Und vor allem jammere ich meinen Mitmenschen dann die Ohren voll und bezeichne mich im Selbstmitleid badend als „gespaltene Seele“.

Darf ich vorstellen? Auf der einen Seite Lisa, die Kreative: Die, die selbst näht, häkelt, kocht und Kräutertees trocknet. Die, die gerne Texte schreibt und daran glaubt, dass man mit der nötigen Leidenschaft die Welt revolutionieren kann, wenn man nur stark genug daran glaubt. Die, die im Zirkus war, tanzt, gerne auf den Berg geht und wenn es sein muss auch mal einen Regenwurm isst.
Auf der anderen Seite Lisa, die Rationale: Die, die nichts riskiert, wenn sie denkt, dass sie am Ende scheitern wird. Die, die die Buchhaltung ihrer kleinen Firma macht. Die, die sich heimlich sorgt, wenn die Steuererklärung ansteht. Die, die Prüfungen nur schreibt, wenn sie perfekt vorbereitet ist. Die, die Lust darauf hätte, ihre Fähigkeiten zu erweitern, um irgendwann vielleicht ein paar Zeilen von sich im „Spiegel” oder der „Zeit” zu lesen.

„Das ist bei uns Ypsilonern mehr als normal. Wir werden schwanger und studieren weiter. Wir erziehen unsere Kinder und gehen gleichzeitig auf Weltreise. Wir stehen morgens als Buchhalter auf und gehen abends als Fotografen schlafen.”

Doch zwischen Kreativität und Karriere eine Brücke zu schlagen, bleibt wohl eine Fähigkeit, die sich noch nicht in die Riege meiner Multitaskerei reiht.
Brücken schlagen wird im Multitasking-Universum immer wieder zu einer anstrengenden Nebenbeschäftigung. Dann, wenn ich vormittags zwischen Kräuterbeeten stehe und Unkraut jäte oder in der Apfelwiese Äpfel ernte und nach einer Dusche, mit dem Aufnahmegerät bewaffnet, meinem Interviewpartner als Journalistin gegenüberstehe. Dann, wenn ich einen Text schreiben und gleichzeitig mit meinem Steuerberater verhandeln muss. Oder dann, wenn ich morgens meine Yogastunde vorbereiten will und in meinem Kopf bereits Titel-Ideen herumschwirren.
Doch das ist bei uns Ypsilonern mehr als normal. Wir werden schwanger und studieren weiter. Wir erziehen unsere Kinder und gehen gleichzeitig auf Weltreise. Wir stehen morgens als Buchhalter auf und gehen abends als Fotografen schlafen. Und was wir mal werden wollen, wenn wir groß sind, das lassen wir den Fluss des Lebens entscheiden.

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