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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 12.02.2019
Meinung40 Wochen

Für immer

Veröffentlicht
am 12.02.2019
Veränderung oder Endgültigkeit? Ein Baby macht uns vor beidem Angst.
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„Genießen Sie die Zeit ohne Baby. Die kommt nie wieder“, steht als Grußformel in einer E-Mail geschrieben, die mich gerade erreicht hat. In dicken, schwarzen Lettern hängen diese Worte am hellen Bildschirm meines PCs. Ich muss mich kurz in meinen Bürostuhl sinken lassen, während Herzmensch mir unangenehm ins Zwerchfell kickt. Die Worte in dieser Mail treffen mich. Nie wieder, denke ich, lese mir Silbe für Silbe halblaut noch einmal vor und verziehe dabei ganz unbewusst die Stirn. Das klingt so verdammt endgültig. Doch was ist in unserem Leben schon endgültig?

Die Zeiten, in denen man an das „für immer“ glaubte, daran, dass die Hochzeit erst durch den Tod geschieden wird und man von der Lehre bis zur Pensionierung völlig treu für ein und denselben Arbeitgeber arbeiten wird, sind doch längst vorbei. Und die Veränderung hat Einzug in unseren Alltag genommen. Würde man zumindest meinen.

Leben ist Veränderung

Was früher so selbstverständlich war, wird heute tausend Mal hinterfragt. „Bist du dir sicher, dass du mit 26 schon ein Baby haben willst?“, „Aber das kannst du nie mehr zurückgeben“, „Und deine Freiheit? Denk doch mal daran! Genieß die lieber noch ein bisschen, bevor du Kinder kriegst!“

Von wegen, ich denke gar nicht daran. Freiheit bedeutet zu leben und Leben ist nun mal Veränderung. Ohne dass wir es überhaupt bemerken, verändern sich in unserem Körper 50 Millionen Zellen in einer einzigen Sekunde. Allein in unserer Leber laufen in dieser Zeit dreißigtausend Enzymreaktionen ab, die unseren Stoffwechsel im Gleichgewicht halten. Nicht zu sprechen von den ganzen Prozessen, die meinen Körper in den vergangenen Monaten so verändert haben, dass Herzmensch nun in meinem Bauch leben kann. Oder denen in der Natur.

Wie oft muss sich in unserem Leben etwas wiederholen, bevor es langweilig wird?

Alles verändert sich, überall und ständig. Warum haben wir also so große Angst davor? Warum wollen wir lieber als Kinder großzuziehen zum zwanzigsten Mal auf ein Festival gehen, das tausendste Abendessen zu zweit oder mit Freunden genießen, den hundertsten Film im Kino ansehen oder zum fünfzigsten Mal mit Backpack verzweifelt das richtige Gate auf dem Flughafen suchen, um in die Freiheit zu fliegen?
Warum ist uns diese, unsere eigene, vorgegaukelte Freiheit so viel mehr Wert als unsere Bestimmung auf dieser Welt? Natürlich ist es an Spannung kaum zu übertreffen, wenn man einfach so in den Tag hinein reisen kann. Natürlich macht es Spaß, sich leicht bekleidet und barfuß vor laut grölenden Boxen die Seele aus dem Leib zu tanzen. Doch wie oft wollen wir das eigentlich erleben, bevor wir den nächsten Schritt wagen? Wie oft muss sich in unserem Leben etwas wiederholen, bevor es langweilig wird?

Bei mir augenscheinlich nicht sehr oft. Ich langweile mich schnell und sehne mich dann nach Veränderung. Auch wenn diese manchmal Angst macht, ist sie doch nicht so furchteinflößend wie die Endgültigkeit. Beide haben mich im Laufe der Schwangerschaft immer wieder eingeholt und zum Nachdenken angeregt, zum Philosophieren über Entscheidungen und Lebenswege, über Einstellungen und Meinungen und über die Angst.

Angst habe ich keine. Wahrscheinlich, weil ich mein Gehirn immer wieder ganz schnell zähme, wenn es versucht, sich irgendwelche Zukunftsvorstellungen mit den jeweiligen Konsequenzen auszumalen. Meistens gelingt es mir, manchmal auch nicht. Jedenfalls habe ich verstanden, dass es am schönsten ist, sich dem Leben einfach hinzugeben. Dem, was ist, hier und jetzt. Ohne lang über Endgültigkeit oder Veränderung nachzudenken.

Denn auch die Zeit ohne Baby wird wieder kommen. Und genau dann werde ich so gerne an jetzt zurückdenken. Daran, wie ich mich mit runder Babykugel darauf gefreut habe, Herzmensch endlich kennenzulernen, ihm endlich in die Augen blicken zu können und gemeinsam mit Jakob Tag für Tag seinen Charakter kennenzulernen. Zu sehen, wie er sich immer wieder verändert und nichts endgültig ist.

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