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Hansi Klein
Veröffentlicht
am 05.08.2013
MeinungSchicksalsjahr der Schwammelpartei

Der doppelte Spaß

Veröffentlicht
am 05.08.2013
Die „Puffmutti“ der seichten Jodler und ein gealteter Ex-Skistar sollen dem Agenturchef aus der Patsche helfen. Dieser landet splitternackt und grölend auf einer Almwiese.
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Es war ein Sieg. Die Kandidaten mit ihren roten Büchlein hatten die gewünschte mediale Aufmerksamkeit erhalten. Jungmayer setzte zufrieden sein überlegenes Grinsen auf. Die Ruhe währte nicht lange, denn noch am selben Tag wurde er ins Büro des Landeshauptmanns beordert. Obwohl Jungmayer mit seinen Mitte Vierzig schon sehr viel erlebt hatte und abgebrüht war, spürte er im Stiegenhaus des Regierungssitzes, dem Palais Dandy, fast Demut aufkommen. Der lange Gang im 2. Stock verstärkte dieses Gefühl. Mit jedem Schritt wiederholte sich die Frage in seinem Kopf: „Was der wohl will?“
Die Damen im Vorzimmer waren ausgesprochen nett mit dem Besucher. Als er schließlich vorgelassen wurde, schritt Jungmayer langsam und getragen von diesem ehrwürdigen Moment durch die Doppeltür, die nach außen hin mit Leder gepolstert war. „So ist's richtig“, dachte der Agenturzampano, „dass ma jo nix aussihört, wann die zwei wichtigsten Männer im Land was zu besprechen haben.“

Der Landeshauptmann kam ohne lange Umschweife zur Sache: „Schauen Sie Herr Jungmann", sagt er.
„… mayer“, verbesserte der Werbeprofi.
„Tschuldigung, Herr Mayer.“
Der Agenturchef unterbrach wieder: „Jung!“
„Asou? Von mein aus Herr Jung“, fuhr der Landeschef fort. Jungmayer verdrehte die Augen und ließ dann der Sache ihren Lauf.
„Jetzt haben Sie da zwei Sachen vorgeschlagen, die ganz in Ordnung sind. Aber wenn ich so unterwegs bin, erlebe ich immer dasselbe: Nachts, wenn es dunkel wird, kommen sie wie die Fledermäuse aus ihren Verstecken, diese Blauen. Und bei den Jungen punkten sie wie keiner von uns. Kaum ist der Tag da, sieht man keinen mehr. Weg?! Ich habe wirklich Angst, dass sie diesmal massiv zuschlagen in der Urne.“
Der Landeshauptmann blickte Jungmayer mit seinen großen Augen an: „Bittschian mochen Sie was, döss bei die Jungen zieht, sonst Gnade uns Gott!“ Jungmayer erkannte den Ernst der Lage. Beim Hinausgehen sagte der Landeshauptmann mit Nachdruck, dass bei den Jungen speziell das Thema Volkstum wichtig sei.

„Puffmutti“ der seichten Jodler

Die Botschaft an den Agenturchef war klar: Das ist deine Bewährungsprobe. Beim Gedanken daran lief Jungmayer ein kalter Schauer den Rücken hinab. Jetzt hieß es einen „Hammer“ zu setzen. Er atmete tief durch und begann seine „Kreativitätstechniken“ im Kopf zu aktivieren. Achse 1: Wir müssen volkstümlicher werden. Achse 2: Junge Menschen stehen auf Feiern! Das war seit letztem Wochenende klar. Feiern heißt Musik. Als er vors Gebäude trat, hatte er schon den ersten Hauch einer Idee. Aber dazu brauchte er Hilfe. Es war eindeutig wieder mal Zeit, mit der Praktikantin im Headquarter zu telefonieren.
Die fand in kurzer Zeit heraus, dass diese Südtiroler da unglaublich gut drin sind, in der volkstümlichen Musik. Jahrelang haben die immer wieder den Grand Prix abgeräumt. Und die „Puffmutti“ der seichten Jodler schien eine gewisse Marialuise Schmaltaler zu sein.

Jungmayer, der immer noch den kalten Atem des Landeschefs spürte, fuhr direkt zu dieser Frau Schmaltaler, die als Broterwerb eine Art Buschenschank in einem modernen öffentlichen Großbetrieb führte. Dass die Dame anwesend war, war nicht zu übersehen. Sie trug ihre schwarzen Haare hochgesteckt zu einer Frisur, die von der Kopfhaut bis an ihr oberes Ende mindestens 50 Zentimeter maß.
„Heilige Sch…“, dachte Jungmayer und kniff sich in den Arm, um sicherzugehen, dass er nicht 40 Jahre im Koma verbracht habe und fälschlicherweise geglaubt hatte, Amy Winehouse sei tot, obwohl sie in Wirklichkeit gerade vor ihm stand.
Die Frau trällerte ihm ein grüß Gott entgegen. Jungmayers Augen blieben auf die Haarkonstruktion gerichtet und suchten nach einem Logo eines lokalen Zementherstellers. Vergebens. Nachdem der Agenturchef der Dame sein Anliegen geschildert hatte, dozierte diese in epischer Breite über ihr künstlerisches Schaffen und vergaß auch nicht, das Highlight ihres Lebens, nämlich einen Auftritt beim Papst, zu erzählen.
Jungmayer tat begeistert, versuchte sie dann aber doch zu unterbrechen: „Wer kann mir einen richtig geilen Hüttenfetzer, den Après-Ski-Megahit schreiben?“
Frau Schmaltaler war schockiert. „Dieses Tschummtatta-taa hat aber mit unserer seriösen volkstümlichen Musig nix zu tun.“
„Ach so? Is des wieder was onders?“
Mit einem Nicken bestätigte die Dame Jungmayers Vermutung.
„Da gibt‘s nur einen, der so was wirklich gut kann“, sagte darauf die Frau Schmaltaler, „das ist der Walter Vorlackner, den kennen Sie, der war friar a super Skifahrer, Weltcupsieger und so. Jetzt hat er eher Probleme mit dem Schnee.“
„Kann er nimmer skifahren?“, warf der besorgte Agenturchef ein.
Frau Schmaltaler beugte sich nach vorne in seine Richtung, die Gäste am Nebentisch beobachtend. Ihre Haare berührten seinen Kopf, Jungmayer schauderte es. „Er hat zuviel geschnupft", flüsterte sie. „Aber im Moment geht‘s ihm wieder halbwegs. Sein Manager hat ihn auf eine Alm verbannt über den Sommer.“ Jungmayer machte zunächst große Augen und sich dann auf den Weg auf besagte Alm.

Besonderer Schwammelreis

Als er den Berg hochkeuchte, wurde ihm klar, dass auch der einfachste Stimmungssong eine Botschaft brauchte. Das war wieder eine Aufgabe für die Praktikantin. Noch bevor Jungmayer das letzte Steilstück erreicht hatte, und kurz davor war, zu hyperventilieren, hatte die Praktikantin das Kernthema der Volkstumsaffinen herausgefunden: den Doppelpass.
Völlig außer Atem, die alpine Schräglage endgültig hassend, kam Jungmayer bei der Almhütte an. Dort begrüßte ihn eine tätowierte Dame im Dirndl mit ungefähr sieben Piercings im Gesicht. Der Agenturchef grüßte zurück und fragte nach Walter.
„Der isch in die Schwammeln“, antwortete die Kellnerin.
„Oh ein Funktionär, sehr gut“, bemerkte Jungmayer, blieb aber unverstanden. Da half nur ein Kaiserschmarren und ein gepflegtes Getränk, die beim Agenturchef einen Moment lang sogar Heimweh aufkommen ließ. Es dauerte auch nicht lange und Walter kam bestens gelaunt über eine Lichtung daher. Jungmayer begrüßte ihn kurz und trug ihm sein Anliegen vor, worauf dieser ihn grinsend zu einem Schwammelreis einlud. Während der Alpen-Bohlen in die Küche verschwand, notierte der Agenturchef sich eine weitere Wahlkampfidee in sein Notizbuch: Koch-Roadshow mit den Top-Kandidaten. Rezept Schwammelreis!

Rund eine Viertelstunde später kam Walter mit dem Schwammelreis aus der Küche und stellte die Pfanne samt zwei Löffeln vor Jungmayer hin. „So eaz essmer des und dann wearmer dein Song glei hoben“, sagte er.
Jungmayer war nach dem ersten Bissen schon begeistert. „Seeervus du, dess is aber voll lecker. Was sind denn das für Schwammeln?“
„Psilocybe cyanescens“, schmatze ihm Walter entgegen.
„Und wie heißens normal?“
Walter ließ sich nicht aus der Ruhe und seinem Kaurhythmus bringen und antwortete kurz, aber dennoch höflich: „Kahlköpfe!“
Jungmayer bekam große Pupillen und sagte: „Buahh, de sind aber g‘scheid gut. Da kriegst glei so a super Gefühl im Bauch. Und jeder Bissen wird irgendwie intensiver. Und am liebsten würd‘ i mi jetzt so ausziehen und drüben auf die Wiese legen und mi dann so einschmieren mit dem Rest vom Reis, und dann mit der Kuh Mau Mau spielen.“

Walter Vorlackner blies sich seine blonde Mähne aus dem Gesicht und fixierte sein Gegenüber: „Wow, so eingfohrn isch mir schun lang nix mehr, gratuliere.“
Keine halbe Stunde später tanzten beide splitternackt auf der Wiese vor der Alm, spürten den Beat des neuen Wahlkampfsongs und grölten laut den Refrain: „Ich will doppelt Spaß, ich will doppelt Spaß, i will endlich meinen Doppelpass.“
Wie sehr wünschte sich der Agenturchef in diesem Moment, dass alle seine Kandidaten genau dieses selbe gute Gefühl hätten. Einmal nur. Ach wären sie nur hier jetzt. Und in dieser bewusstseinserweiternden Almidylle hatte Harry Jungmayer endlich verstanden, warum die Partei „Schwammelpartei" hieß.

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