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Hansi Klein
Veröffentlicht
am 02.09.2013
MeinungSchicksalsjahr der Schwammelpartei

Das Gipfelduell

Veröffentlicht
am 02.09.2013
In dieser Folge: Der Agenturchef bekommt einen Nebenbuhler um die Gunst der Parteigranden. Und die Spitzenkandidaten messen sich beim Gipfelsturm.
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Der Shitstorm in den sozialen Medien nach dem TV-Auftritt war gigantisch. 17 Likes und 3 Empörungen. Das Handy von Jungmayer klingelte noch bis weit nach Mitternacht hinein. Nach einer sehr unruhigen Nacht stand er schon bei Dämmerung am Fenster, blickte Richtung Berge und wusste, dass er jetzt ein Ablenkthema brauchte. Eines das sich gewaschen hat. Man sollte abhauen nach da oben und einfach alles unter sich lassen, dachte Jungmayer. Dann gab er sich einen Ruck und marschierte Richtung Parteizentrale. An diesem Tag herrschte dort weit weniger Geschäftigkeit als sonst. Er traf auf eine eigenartig gedämpfte Stimmung, die nicht nach Traurigkeit vor. Jungmayer kam vor, dass alle nur deshalb so konzentriert wirkten, um nicht an gewisse Dinger zu denken und hemmungslos in lautes Gelächter zu verfallen.

Der Agenturchef wurde von Tschennie empfangen und direkt ins Büro des großen Vorsitzenden gebracht. Der saß da wie ein Häufchen Elend. Er grüßte nicht einmal, weinerlich schoss es aus ihm heraus:
„Wie stehe ich jetzt da? Ich habe den gebracht, den Landessekretär. Das muss ich auslöffeln.“
Jungmayer hob zustimmend beide Augenbrauen. Der Vorsitzende fuhr fort. „Jetzt war ich sicher am Aufholen, wenn nicht sogar überholen. Da hätte er blöd geschaut, der schöne Landeshauptmannkandidat. Aber jetzt …, am liebsten würde ich ihn ja … und dieser … Landessekretär, wie kann er nur.“

Zum ersten Mal bemerkte der Agenturchef beim Parteichef so etwas wie Rage. Er versuchte, ihn versöhnlich zu stimmen, war aber nicht sonderlich erfolgreich. Jungmayer musste unbedingt eine Lösung finden und dachte nach. Währenddessen nahm er noch wahr, wie der große Vorsitzende sich ausladend über das römische Lido di Ostia, irgendein Gesäß und über Madonna ärgerte. Dem konnte Jungmayer nicht ganz folgen, verstand aber so viel, dass es dem Vorsitzenden in letzter Zeit wohl etwas zu viel geworden war. Da musste wenigstens nach außen hin Harmonie her, soviel war klar. Eine Idee musste her. Während der Agenturchef grübelte, offenbarte ihm der Vorsitzende, dass entschieden worden sei, ihm eine lokale Agentur zur Seite zu stellen. Jungmayer rüttelte es gewaltig. Er hatte aber kaum Zeit, etwas dazu zu sagen, weil die Strategierunde schon losging.

Konkurrenz für den Agenturchef

Da saß auch schon ein neues Gesicht dabei. Ähnlich schön wie der Parteisekretär und mit einigen in der Parteileitung gut verbandelt, wie Jungmayer bald bemerkte. Vor allem der Dandy schien ihn immer wieder mit Aufträgen zu füttern. Das rauszubekommen war für Jungmayer ein Leichtes, gab es doch in der Partei einige neidische Plappermäuler.
In der Sitzung selbst glänzte der für Jungmayer kleine Werbefuzzy nicht durch besonders einfallsreiche Kommentare. Erst als er direkt angesprochen wurde, begann er wie ein Fußballtrainer eines Drittligavereins den Raum mit Heißluft zu durchfluten.

Jungmayer begann breit zu grinsen, weil seine Praktikantin ihm per SMS wieder einmal in Rekordtempo die wenigen Highlights des Curriculums des Werbekaspers mitteilte. Und da war tatsächlich eine Zeile, die den Jungspund mit Fußball in Verbindung brachte. Jungmayers Grinsen wurde blöderweise von der ganzen Runde als Zustimmung für den Vorschlag der nunmehrigen Agenturzweitstimme gewertet. Dabei war es nicht förderlich, dass Jungmayer nicht zugehört hatte. Jetzt konnte er nur mehr hoffen, dass es kein Reinfall wurde. Das konnte man sich nicht mehr leisten.

Als die Sitzung zu Ende ging, folgte Jungmayer dem Kronprinzen zur Tür hinaus und lud ihn auf einen unbedingt notwendig gewordenen Kaffee ein. Nachdem der Spitzenkandidat seine Wichtigmacher-Attitüde aufgesetzt hatte, stimmte er zu. Nach kurzem Smalltalk kam Jungmayer zum Punkt.

„Wir haben da ein Thema, das zum Problem werden kann: Die Beziehung zwischen Ihnen und dem Vorsitzenden. Wenn wir da nicht was machen, dann reißt uns das locker drei Prozentpunkte nach unten.“ Wie bei allen kritischen Fragen oder kleinen bis großen Problemen offenbarte der Spitzenkandidat sein Standardverständnis. Dann ließ er aber klar durchblicken, dass er und seine Mannen sich um den Vorsitzenden schon kümmern würden. Zudem finde er den Vorschlag der Hausagentur wunderbar, um auch dieser Sache entgegenzuwirken. „Shit“, dachte Jungmayer und hätte in diesem Moment zu gern gewusst, worum es da ging. Er versuchte einen alten Journalistentrick.
„Was versprechen Sie sich davon?“, fragte er den Spitzenkandidaten ohne Umschweife.
„Naja bei einem wunderschönen Sonnenaufgang über unseren Bergen geht dem Südtiroler das Herz unterm blauen Schurz auf. Wenn wir's dann noch schön dokumentieren für die Freunde im Netz, da kann ich ja nur als Sieger hervorgehen. Und der Vorsitzende soll froh sein, dass er auch dabei sein darf.“

Auf zum Gipfelsturm

Am nächsten Tag war es bereits so weit. Die Tour war recht bald ausgemacht: möglichst beeindruckender Gipfel mit geringem Gefahrenpotenzial. Obwohl Jungmayer noch die halbe Nacht versucht hatte, den Vorsitzenden von der Idee abzubringen, hatte dieser nur die Bergunfallstatistiken der letzten Jahre wiederholt. Und immer wieder gelangte er da zur Erkenntnis, dass es eher die Unerfahrenen erwische.
Als es dämmerte wartete der Vorsitzende mit zwei Ausrüstungssets am Straßenrand des Grödnerjochs. Er hatte die Sets mit einem Post-it markiert, um sie ja nicht zu verwechseln. Zu seinem Pech kam aber der Spitzenkandidat mit drei von seinen Wahlkampfjüngern und hatte sogar sein eigenes Kletterzeug dabei. Der Vorsitzende biss in sein Seil und setzte sein antrainiertes Kameragrinsen auf.

Nach kaum einer Stunde waren die zwei schon am Gipfel, da jeder unbedingt der Erste sein wollte. Erst nach einer Viertelstunde, der Vorsitzende und der Spitzenkandidat lagen keuchend direkt am Gipfelkreuz, kamen die Begleiter nach.
„Gipfelfoto“ schrie einer der jungen Burschen und ahnte nicht, was er auslöste. Jungmayer, der noch etwas weiter weg war, fing sogar zu beten an, was er seit seiner Erstkommunion nicht mehr getan hatte.
Die beiden Politiker standen mit einem Ruck auf, stellten sich ans Gipfelkreuz und versuchten, den jeweils anderen aus dem Bild zu drängen. Schließlich packten sie sich gegenseitig am Fliespulli, zogen und schoben sich, um sich damit in eine bessere Position zu bringen. Der junge Bursche mit der Kamera hatte keine Möglichkeit, ein Foto zu knipsen. Plötzlich drehten sie sich um und standen an der Kante eines Steins. Beide hielten den anderen am Rücken fest und drückten ihn nach vorne. Beide verzerrten ihr Gesicht.
Von hinten sah es für eine kurzen Moment sogar danach aus, als würden beide lächeln. Der junge Mann mit der Kamera drückte ab. Beide Herren schrien. Jungmayer schloss die Augen und wartete auf den Aufprall.

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