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Hansi Klein
Veröffentlicht
am 17.04.2014
MeinungSatire – Die Lernjahre des kleinen A.

Das Ampelsystem

Veröffentlicht
am 17.04.2014
Nach 100 Tagen im Amt zieht der neue Landeschef Bilanz und arbeitet mit Freund Anton an einer neuen bahnbrechenden Strategie.
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Anton, das unsichtbare Murmeltier des neuen Landeshauptmanns, war zufrieden mit dem Ergebnis der Sitzung in der Schwitzhütte und dem Lauf der Dinge. Auch wenn die Sache mit der Vertrauensfrage aus seiner Sicht über das Ziel geschossen war. „Man braucht Eskalationsstufen. Wer gleich am Anfang sein ganzes Schicksal in die Waagschale legt, kann nichts mehr draufpacken“, rieb das Murmeltier kurz nach der Pressekonferenz dem Landeschef unter die Nase. Sein Mensch reagierte aber nicht, sondern setzte sein staatsgeschäftsmäßig distanziertes Gesicht auf. Anton wollte das Problem aber selbst auch nicht in die Länge ziehen, denn bei „Esskalation“ kam ihm natürlich anderes in den Sinn: schrecklicher Hunger. Sein Mensch hingegen – der neue Landeshauptmann im Land der Blauschürzen – grübelte noch lange über die Meinung seines Nagetiers. Der Neue kam zum Schluss, dass man der Geschichte mit der Vertrauensfrage doch eine solche „Eskalation“ draufsetzen könnte.

Leider blieb sein Plan in dieser Überlegung hängen. Fürs erste schien bei der Sache mit den Renten der Druck draußen zu sein. Da traf es sich gut, dass nun bald schon die ersten drei Monate seiner Amtszeit vorbei waren. Also war es an der Zeit für etwas Kommunikation. Das fand auch Anton. „Kommunikation geht immer“, so der Nager. Für den späten Abend wurde also eine Strategierunde angesetzt. Im Wohnzimmer saß nun der neue Landeschef am äußersten Rand der Couch, auf der es sich das weiße, sprechende Murmeltier, fett und breit gemütlich gemacht hatte.

Strategische Bilanz

„Also, was und wie machen wir's?", beeilte sich der Landeschef zu sagen, um endlich auch vor seinem Nager Stärke zu zeigen. Seit dem Tag, als er nach der Ankündigung der Vertrauensabstimmung eine ganze Pressekonferenz lang den Journalisten ein angewidertes Gesicht hinhalten konnte, war er überzeugt, auch mit dem Murmeltier Anton neue Saiten aufziehen zu können.

Anton legte sich noch ein Kissen unter das haarige Gesäß und begann zu dozieren. Er führte zunächst die Zutaten aus, die da wären: Symbolik – die braucht's, um komplexe Dinge einfach darzustellen. Kernbegriffe – die für was stehen, aber nicht zu präzise sind. „Die Fantasie der Menschen müssen wir auch laufen lassen, das lenkt von Unzulänglichkeiten ab. Und außerdem", gestand das Murmeltier ein, „müssen wir wohl eingestehen, nicht alles erledigt zu haben". Das schien nämlich ganz zu diesem neuen Politikstil zu passen, rümpfte das Murmeltier seine Nase.

Der Landeschef quittierte das Abgehen seines Spin-Viehs von der Dogmatik der Unfehlbarkeit mit einem distanzierten Lächeln. Anton langweilte diese Form der Kommunikation natürlich unendlich und das war nicht die Voraussetzung für geniale Einfälle. Und die brauchte es ohne Zweifel, denn es ereignete sich nämlich im Lande der Blauschürzen Unerwartetes: Mit der „spontanen" Eingebung, das erste Mal – eine noch dazu nicht wirklich vorgesehene – „Vertrauensfrage" zu stellen, hatte der Landeschef vor allem die Journalisten im Land der Blauschürzen überrascht. Was wiederum zu einer plötzlichen massiven Pro-Landeschef-Stimmung führte. Und die musste man geradezu am köcheln halten. „Ach, was sag ich", kam Anton langsam wieder in Fahrt, „das Feuer muss man am brennen halten!". Wobei ihm just in dem Moment, als er das Wort „köcheln" aussprach, einfiel, dass er schon über 20 Minuten nichts mehr gegessen hatte. Und dass es da die eine oder andere Journalistin mit nördlichem Schönsprech-Hintergrund gab, die noch nicht von der Arnie-Mania angesteckt schien. Aber darüber wollte er nach einem Happen nachdenken. Wäre da nicht sein langsam etwas zu autoritär auftretender Mensch neben ihm auf der Couch gewesen, der Disziplin anmahnte. „Beim Thema bleiben", raunzte er. Das schien er wohl von seinen Landesregierungssitzungen gewohnt zu sein.

Das Murmeltier unterdrückte also seinen Hunger und wurde wieder systematisch: „Kernbegriffe, ok, müss‘mer ableiten". Er begann an seinen Pfotenkrallen zu nagen und sich zwischen den Hinterpfoten zu kratzen. Als er dies tat, wurde ihm ruckartig klar: Man muss einfacher denken. „Was wollen die Leute hören?", fragte er seinen Mensch. „Dass ich es gut kann?", antwortete der wiederum eher zögerlich. Anton winkte ab: „Das sollen sie am Schluss glauben. Das will keiner hören. Niemand will belügt werden, das macht der Mensch sich lieber selber." Sein Mensch hatten auch nach all den Jahren manchmal noch Probleme mit der verletzenden Art von seinem drolligen Haustier. Das Tier wiederum hatte Hunger und wünschte sich in die Küche. Also machte es zügig weiter.

Des Pudels Kern

„Genau jetzt“, so die Argumentation des Murmeltiers, „wollen die Leute eine Kostenreduktion bei der Politik und das geht am besten, wenn wir sagen, wir haben das mit einer Institutionenreform verknüpft.“ Steuersenkung war natürlich ein weiteres Zauberwort. „Und dann packen wir oben noch die Mandatsbeschränkung drauf. Mit der haben schon so viele gepunktet, das kann doch nicht jetzt bei uns in die Hose gehen". Anton jauchzte geradezu. Sein Mensch grinste zufrieden. Man war sich rasch einig, dass das die Punkte seien, die man als erledigt verkaufen konnte. Jetzt ging's aber an die offenen Punkte. Da gab es viele. Viel zu viele, was irgendwie die Stimmung senkte. Wobei Anton dies eher seinen akut sinkenden Blutzuckerwerten zuschrieb.

Jetzt brauchte es nur noch ein Symbol, denn jedes wichtige Ereignis brauche das. Da saß sie nun, die wichtigste „Männerrunde" des Landes, und grübelte. Dabei wanderten ihre Blicke durchs Wohnzimmer und landeten zeitgleich bei der Lego-Eisenbahn des Landeschef-Tschunior, wie ihn das Murmeltier nannte. Ein kurzer Blick in die Augen des anderen und es war klar: Jetzt eine Runde zu spielen, würde die Last der Verantwortung erträglicher machen.

Da der schlanke Anfangvierziger geschmeidiger von der Couch kam, schnappte er sich die Lokomotive und dem leicht übergewichtigen Beratertier blieb nur die Ampelanlage. Nachdem die zwei einige Bahnhofseinfahrten, Streckenwartungswartezeiten und sogar eine Teilentgleisung simuliert hatten, schoss es dem Nager plötzlich vom Gesäß direkt in den Frontallappen seines Gehirns: Ein Ampelsystem wird unser 100-Tage-Symbol. Nachdem er es seinem Menschen erklärt hatte, war dieser dermaßen begeistert, das er fast zu laut für die späte Stunde loslachte. Im Glücksrausch begann er sogar, sein Murmeltier auf den Rücken zu legen und am Bauch zu kraulen und kitzeln. Als Anton kaum noch atmen konnte, tauschten beide die Rollen und nun kitzelte das Tier seinen Menschen.

Da lag er nun auf dem Rücken am Boden, unser Landeschef. Hatte die Augen geschlossen und bettelte in weinerlichen Lachen: „Na bitte nimmer, lass, bitte! Nimmer! Aufhören!" Die First-Landes-Lady, die durch sein lautes Lachen aufgewacht war und sich nun über ihn beugte mit der schnell zur Hand genommenen Zimmerpflanzen-Gießkanne, war einmal mehr davon überzeugt, dass dieser Job dabei war, ihren Mann zu verändern. Da konnte nur ein ordentlicher Schwall kaltes Wasser helfen.

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