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Valentina Gianera
Veröffentlicht
am 28.03.2023
PartnerLabern

Akt der Verführung

Veröffentlicht
am 28.03.2023
Das Stück „Don Quijote“ der Vereinigten Bühnen Bozen nimmt das Publikum auf packende und aufregende Weise mit in eine Welt, die Ursache und Wirkung neu interpretiert.
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„Saaanchoo!“ In Blau, Grün und lilafarbene Tücher gewickelt und mit einer Kopfbedeckung, die an etwas zwischen einem Hirschgeweih und einer Fernsehantenne erinnert, flitzt eine von Spannung durchzogene Figur auf der Bühne hin und her. „Saaanchoo!“ Immer wieder wird die Figur von den anderen Charakteren gerufen, immer wieder endet ihr eiliges Herbeilaufen im bloßen Kichern des Don Quijote — wobei Letzterer von allen gleichzeitig und dann wieder von niemandem gespielt wird. Identität, Geschlecht und Stimmen der Figuren gehen in Nikolas Darnstädts Interpretation des spanischen Klassikers “Don Quijote” (bis zum 1. April im Stadttheater Bozen) fließend ineinander über, springen vom einen zum nächsten, kichern, lachen, füllen den Raum mit viel zu großen, bunten Gesten, die sich mal im Einzelnen, mal im Chor äußern.

So wie in der beschriebenen Szene, in der die Beweggründe der Rufenden verborgen bleiben, zielt der 1994 in Hamburg geborene Regisseur im Stück darauf ab, die Frage nach der Ursache, nach dem „Warum“ aus den Köpfen des Publikums zu drängen. Eine Frage, die, wie im Laufe der knappen eineinhalb Stunden deutlich wird, nur mit Bezug auf bereits existierende, gesehene und gelebte Ordnungen beantwortet werden kann. Und die als solche den Weg zu neuen, abseits der festgetretenen Pfade existierenden (und durch den Lichteinsatz auf der Bühne exzellent in Szene gesetzten) Welten versperrt.

Das Stück ist noch bis zum 1. April 2023 im Stadttheater Bozen zu sehen.

„Warum in die Haut des Verrückten schlüpfen?“, wird Don Quijote gefragt, als er sich für seine Auserwählte, Dulcinea zum wiederholten Male in scheinbar sinnlose Abenteuer begibt: „Gäbe es einen Anlass, dann wäre es keine Kunst“, sagt der Ritter der traurigen Gestalt, der sich mit Leib und Seele darum bemüht, mit dem Schädel gegen Felsen zu rennen. Verrückt. Und trotzdem genau so, wie er es machen möchte. Denn auch die Erkenntnis der eigenen Verrücktheit, die im Original von Miguel de Cervantes endgültig ist, kann den Ritter der traurigen Gestalt in Nikolas Darnstädts Interpretation nicht bremsen. Er muss weiter an seinen Geschichten spinnen. Auch dann, wenn ihm niemand mehr folgen mag.

Der Kampf gegen die Windmühlen wird zum Akt der Liebe.

Nach diesem Kunstverständnis, das nur Kunst und nicht Verständnis sein will, werden auch die Szenen gebaut: Bühnenbild, Kostüme, Mimik und Gestik verlassen ganz bewusst alles „Reale“, alle Ordnung und stürzen sich in scheinbar absurde Welten. So jagt im Stück eine Szene die nächste und der Toro del Diavolo die von 237 Ratten gezogene Mariposa von Pipi, Schwester der Mariposa von Popo, die zum Turmzimmer mit dem Feuer von Sanzara flieht. Der namhafte Kampf gegen die Windmühlen ist dabei alles andere als umsonst: Er wird zum Akt der Liebe, deren Ziel es ist, versteinerte Bedeutungen (Windmühle = Windmühle) abzustreifen und durch Fantasie und Erzählung neue Welten (Windmühle = Riese) zu schaffen.

So wie Sancho Panza die Suche nach der Bedeutung der Rufe aufgeben muss, wird auch das Publikum immer wieder aus ihrer Suche nach einer haltbaren Bedeutung gerissen. Das Ensemble aus Deutschland, Österreich Litauen und Italien zwingt uns, unser suchendes Wesen abzustreifen und uns der scheinbaren Bedeutungslosigkeit zu öffnen, die mit immer neuen Abenteuern in immer neuen Welten auf uns wartet. Besonders eindrucksvoll ist in diesem Zusammenhang auch der Gebrauch der Sprache: Anfangs stoßen die litauischen Schauspielerinnen an die von den Muttersprachen gesetzten Barrieren. Sie bleiben unverstanden. Erst als sich die Schauspieler:innen von der Verständnisfrage lösen und sich den jeweils anderen öffnen, ist es plötzlich ein Leichtes, über Sprachbarrieren hinweg miteinander zu kommunizieren. Man ist bereit, sich aufeinander einzulassen, auch ohne den anderen zu verstehen.

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