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Veröffentlicht
am 10.01.2017
LeuteStraßenzeitung zebra.

Pia bastelt

Veröffentlicht
am 10.01.2017
Pia Pedevilla ist Autorin von Bastelbüchern. In elf Sprachen wurden ihre Bücher schon übersetzt. Die Straßenzeitung zebra. hat sie in ihrem Studio besucht.
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An einer hauchdünnen Metallfeder baumelt ein hölzerner, grün grinsender Frosch mit Krönchen von der Decke. Auf einem schmalen Schreibtisch wartet ein Computerbildschirm auf Impulse, dahinter auf der Fensterbank gedeihen ein paar Grünpflanzen, an der lindgrün gestrichenen Wand steht eine weiße Couch. Außer dem Frosch an der Metallfeder deutet nichts in dem in Grün und Weiß gehaltenen Raum darauf hin, dass es sich hier um den Geburtsort von Basteleien und Kunstwerken handelt, die unzählige kleine und große Bastel-Herzen weltweit höher schlagen lassen.

Dann öffnet Pia Pedevilla in ihrem Studio in Bruneck die Türen des langen, weißen Schrankes und Perlen, Kügelchen, Knöpfe, Papierbögen, Kartone in allen erdenklichen Farben, Bänder und Garne, Wollen, Nussschalen, Kerne und Holzstücke kommen zum Vorschein – alles fein säuberlich nach Material und Farbton sortiert. „So aufgeräumt ist es hier selten“, sagt sie, schmunzelt und lässt ihre bunten Schätze wieder Lade für Lade im Schrank verschwinden. Vor kurzem hat sie die Arbeiten zu einer Buch-Reihe zu verschiedenen Techniken abgeschlossen. Als sie dafür mit Steinen gearbeitet hat, war ihr ganzes Studio voller Steine. Arbeit und Leben gehen bei der Bastelbuchautorin Hand in Hand. Wenn sie an einem bestimmten Thema arbeitet, begleitet es sie eine Zeitlang durch den Alltag. „Als ich das große Buch über Naturmaterialien geschrieben habe, sah ich überall Tannenzapfen, Steine, Äste und Blätter, die ich unbedingt sammeln und mitnehmen musste. Meine Freunde haben oft nur noch den Kopf geschüttelt“, erinnert sie sich.

Die zierliche, blonde Frau in der hellblauen Strickjacke gehört zu den erfolgreichsten Bastelbuchautorinnen im deutschen Sprachraum. Im vergangenen Jahr veröffentlichte sie das erste Buch in ihrer Muttersprache Ladinisch. Davor hat sie über 100 Bücher geschrieben, die zum Teil in elf Sprachen übersetzt und bis nach Südafrika exportiert wurden. In Deutschland verkauften sich ihre Bücher über zwei Millionen Mal. Pia Pedevilla hat richtige Fans. Manche von ihnen schicken gelegentlich Fotos oder schreiben ihr. Es gibt Menschen, die verfolgen ihre Arbeit seit Jahren. „Sie beobachten, wie sich mein Stil weiterentwickelt und wie ich mich ändere, älter werde“, sagt sie. Die Vorstellung, dass ihre Bücher und ihre Basteleien Menschen begleiten, mit ihnen wachsen, ein Teil von ihrem Leben sind, fasziniert sie: „Irgendwie verrückt, nicht wahr?“

Pias Phantasiewelt

Alles nahm seinen Anfang in St. Martin in Thurn im Gadertal, wo Pia Pedevilla gemeinsam mit ihren Cousins und Cousinen aufgewachsen ist. Seit sie denken kann, kreierte sie sich ihre Phantasiewelt aus dem, was die Natur am Berg hergab. Am liebsten spielte die kleine Pia mit Papierpuppen, für die sie winzige Kleider anfertigte. Sie träumte von einer Zukunft als Designerin. Sie verlor dieses Ziel nie aus den Augen, besuchte die Kunstschule in Gröden und studierte Grafikdesign in Urbino. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie als Grafikerin, später als Lehrerin. Sie gab Bastelkurse und wollte die Welt kennenlernen: Thailand, Indien, China, Kambodscha, Papua Neuguinea, Ecuador, Mali sind nur einige der Länder, die sie gesehen hat. „Überall bin ich Menschen begegnet, die mich inspiriert und bereichert haben.“

Das Telefon klingelt. Pedevilla huscht ins Nebenzimmer und schaltet das Handy auf lautlos. Der Kontrast zum Vorraum könnte nicht größer sein: Ein buntes Bücherregal reiht sich an das andere. Wände und Schränke sind mit verschiedensten Kreaturen und Dekorationen versehen: Mäuse auf Holzskiern, Raben und Piraten aus Pappbechern und ein Hofstaat bunter Fingerpuppen lugen zwischen den Büchern in und auf den Regalen hervor. Unter einem Baum sitzen Holz-Eulen: Ihre großen Augen mustern den Tisch in der Mitte des Zimmers. „Hier entstehen meine Bücher“, sagt Pia Pedevilla und deutet auf einen Stapel Skizzen und Papiere.

Vor ihrer Bastelbuch-Karriere designte sie für die Grödner Spielzeugfirma „Sevi“, entwarf Holzspiele und Stofftiere und arbeitete unter anderem mit dem argentinischen Zeichner Guillermo Mordillo zusammen. Immer wieder begegnete sie bei ihrer Arbeit Bastelbüchern. Irgendwann sagte sie sich: „Das kann ich auch!“ Sie gestaltete einen Entwurf, stellte sich beim frech-Verlag in Stuttgart vor und unterschrieb noch am selben Tag ihren ersten Vertrag. Heute füllen Pedevillas Bücher ein ganzes Regal in ihrem Studio.

Von der Idee zum Buch

Von der Idee bis zum fertigen Buch vergehen Monate, manchmal ein Jahr. Wenn sie eine Idee hat, bespricht sie diese mit ihrer Lektorin vom Verlag. Hat die Marketing-Abteilung ein Projekt abgesegnet, kann die Arbeit losgehen: Ein bisschen wie eine Wissenschaftlerin beginnt die Autorin dann zu recherchieren, Materialien zu sammeln und erste Entwürfe umzusetzen. Dann folgt die Phase des Beobachtens und Ausprobierens. Neue Entwürfe testet sie am liebsten mit Kindern: „Ich studiere, wie sie mit den Materialien umgehen, ob sie den Anleitungen folgen können und finde heraus, ob es ihnen gefällt.“ Die Kinder seien nach wie vor sehr kreativ und liebten es zu basteln. Nur ihre Aufmerksamkeitsspanne habe sich im Laufe der Zeit verkürzt. „Sie sind heute von unzähligen Reizen überflutet und schneller abgelenkt – das gilt übrigens auch für Erwachsene“, erklärt sie.

Sobald sie sich für eine Reihe von Entwürfen entschieden hat, beginnt sie mit der Gestaltung der einzelnen Seiten. Sie skizziert und zeichnet, entwirft Schritt-für-Schritt-Anleitungen, schreibt Texte, fotografiert alles so, wie es einmal aussehen soll. Dann schickt sie ihre Arbeiten zum Fotografen, der alles noch einmal nachstellt. „Ein Buch ist ein langwieriger Prozess, viele Menschen sind daran beteiligt.“

Pia Pedevilla zupft an einem Papierraben, der neben Holzfarben und Pinseln auf dem Tisch steht. Letztens wurde ihr eine neue Lektorin zugewiesen. Zur Anregung für ein neues Thema schickte ihr diese Bilder von Bastelarbeiten aus dem Internet. „Zwei meiner eigenen Kreationen waren dabei“, sagt sie und lacht herzlich. Wen wundert es? In mehr als zwanzig Jahren kommt einiges zusammen. Menschen basteln und stellen ihre Kunstwerke online. Das findet sie nicht weiter schlimm. Was sie nicht verstehen kann, ist, warum man ihre Anleitungen und oft ganze Bücher kopiert und auf Blogs und Webseiten veröffentlicht. Der Schaden, der dem Verlagswesen durch Internetpiraterie entsteht, ist groß – Bastelbücher sind da keine Ausnahme.

„Ich bin ein Glückskind“

Aber die positiven Aspekte ihrer Arbeit überwiegen: „Ich bin ein Glückskind“, sagt sie von sich. Durch eine Aneinanderreihung glücklicher Zufälle sei es ihr im Leben möglich gewesen, ihre Leidenschaft auszuleben und zum Beruf zu machen. Dabei war es ihr stets ein Anliegen, etwas zurückzugeben. Wo sie kann, unterstützt sie Hilfsprojekte und Initiativen für bedürftige Menschen. Einen Monat lang arbeitete und bastelte sie mit über 150 Gadertalerinnen und organisierte den Verkauf von weihnachtlichen Basteleien. Durch den Erlös konnte ein Jahr lang der Schulbetrieb und die Verpflegung von circa 100 aidskranken Mädchen in einem Waisenhaus in Sambia finanziert werden. Ein anderes Mal koppelte sie eines ihrer Bücher an einen Spendenaufruf für ein Projekt von Helfen ohne Grenzen zugunsten geflüchteter burmesischer Kinder in Thailand.

„Basteln verbindet und Basteln hilft – auch den Bastlern!“, weiß Pia Pedevilla. Immer wieder beobachtet sie, wie Menschen in schwierigen Lebenssituationen durch kreatives Arbeiten zur Ruhe kommen und Momente positiver Energie erfahren: „Ich wünschte, es gäbe viele öffentliche Räume, wo Menschen basteln, kreativ sein und Dinge reparieren könnten“, sagt sie und schlingt sich einen weißen Schal um den Hals. Sie muss los: Zuhause warten Handwerker auf sie. Durchs Vorzimmer eilt sie hinaus ins Treppenhaus und öffnet die Tür. Eine kühle Brise dringt in den Raum und der Frosch an der Metallfeder beginnt fröhlich zu schaukeln.

Von Lisa Frei

Der Text erschien erstmals in der 23. Ausgabe von „zebra.”, Dezember 2016.

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