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Veröffentlicht
am 19.06.2015
LeutePorträt eines Schmetterlingskindes

„Schmerzen gehören zum Alltag”

Veröffentlicht
am 19.06.2015
Täglich kämpft Anna Mayr Faccin mit Schmerzen, die Verbrennungen dritten oder vierten Grades ähnlich sind. Die junge Frau ist ein Schmetterlingskind.
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Der folgende Text gehört zu den Siegertexten des Ausstellungsprojektes „Gatterer9030“ an Südtiroler Oberschulen. Verfasserinnen: Steinwandter Alexia und Theiner Barbara, Sozialwissenschaftliches Gymnasium Bruneck.

Die Hände verbunden, ein hinkendes Bein und Blicke, die sie verfolgen: Das ist der Alltag von Anna Mayr Faccin aus Toblach, die seit ihrer Geburt an Epidermolysis Bullosa leidet, einer sehr seltenen, genetisch bedingten Hautkrankheit. Die Betroffenen dieser Krankheit werden „Schmetterlingskinder“ genannt. Nur eines von 17.000 Neugeborenen kommt mit der Krankheit zur Welt, die noch nicht heilbar ist. Schmetterlingskinder wie Anna kämpfen Tag für Tag mit unerträglichen Schmerzen.

„Schmerzen gehören zu mir“

Als Anna zur Welt kam, war noch nicht sicher, was sie genau hatte, doch es war klar, dass etwas nicht stimmte: Schon als Baby erlitt sie zwei Herzstillstände und man wusste nicht, ob sie überhaupt überleben würde. Aber Anna hat es geschafft.

Heute hat sie jeden Tag mit schweren Schmerzen zu kämpfen: „Schmerzen gehören zu mir und meinem Alltag, ein Leben ohne Schmerzen kann ich mir gar nicht vorstellen”, erzählt sie. Ihre Kindergarten- und Schulzeit hat Anna mehr oder weniger gut in Erinnerung. Trotz ihrer Krankheit hat sie als Jugendliche vieles ausprobiert, ist oft mit Freunden ausgegangen. Elf Tattoos hat Anna heute. „Die Blasen, die ich fast jeden Tag dazu bekomme, lassen das Tattoo verblassen, bis es schließlich ganz verschwindet. Doch das ermöglicht mir, immer wieder neue Tattoos zu stechen“ erzählt sie. Der Schmerz, den wir beim Stechen verspüren würden, sei für sie noch kein richtiger Schmerz. Denn die Schmerzen, mit denen Anna jeden Tag zu kämpfen hat, könnte man mit Verbrennungen dritten oder vierten Grades vergleichen.

Medikamente helfen ihr, den Schmerz zu lindern. Genauso wichtig ist für Anna aber auch ihr Verbandszeug. „Ohne Verband könnte ich nicht überleben“, sagt sie. Täglich braucht sie zwei bis drei Stunden, um sich zu verbinden. Mittlerweile kann sie vieles selbst verbinden, eine Hilfe braucht sie aber trotzdem. Insgesamt 10.000 Euro kostet der Verband monatlich. Die Kosten werden von der Krankenkasse gedeckt.

„Was für andere ein Kinderspiel ist, ist für mich schon eine Herausforderung, die mir den Alltag erschweren kann.”

Anna leidet unter Haarausfall, weswegen sie als Jugendliche meistens eine Perücke trug. Nach der Oberschulzeit entschied sie sich, ein Kopftuch zu tragen, womit sie heute sehr zufrieden ist. Auch mit ihren Zähnen hat sie schon einiges durchmachen müssen. „Sie haben sich angefühlt wie ein Brett. Wenn ich mit meiner Zunge darüberstrich, bekam ich auf der ganzen Zunge Blasen”, erzählt sie. Anna fand eine Zahnärztin, die ihr helfen wollte. „Sie hatte viel Geduld und ich bin sehr froh, dass sie nicht aufgegeben hat”, sagt sie. Durch einen künstlichen Zahnersatz konnten Annas Problem gelöst werden, auch wenn es bis zu diesem Schritt drei Jahre dauerte.

Jeder Tag eine Herausforderung

Heute ist Anna selbstständig, sie hat den Führerschein und studiert Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck. Hier kann sie sich gut integrieren, da der Tagesablauf flexibler einzuteilen ist als in der Schule. Eine Tutorin ist immer an ihrer Seite und besucht etwa Vorlesungen für sie, wenn Anna einmal nicht anwesend sein kann. In der Universität bringen ihr ihre Professoren Verständnis entgegen und respektieren die junge Studentin. Am einfachsten ist es für sie aber bei sich zu Hause in Toblach; „Die Leute dort kennen mich und wissen, was ich habe.”

Anna ist eine offene Person. Wenn sie in ihrem Heimatdorf ist und Schwierigkeiten hat, bittet sie andere um Hilfe. „Natürlich hängt es davon ab, wie ich andere anspreche, aber wenn man jemandem genaue Anweisungen gibt und sagt, was man braucht, dann wird einem auch geholfen. Man muss nur den Mut dazu haben.” Um sich den Alltag zu vereinfachen, hat Anna verschiedenste Hilfsmittel – so benutzt sie etwa einen Kochlöffel, um ihre Jacke zu öffnen. „Was für andere ein Kinderspiel ist, ist für mich schon eine Herausforderung, die mir den Alltag erschweren kann. Aber man lernt von Tag zu Tag dazu”, erklärt sie.

Ihr größtes Hilfsmittel ist aber ihre Hündin „Wolke”. Sie steht Anna bei und hilft ihr, wo sie nur kann. Sie kann Reißverschlüsse öffnen, Türen aufmachen, Hilfe holen und auf Befehl bellen. Aber nicht nur das: „Sie hilft mir vor allem psychisch. Seitdem ich Wolke habe, lerne ich viel mehr Menschen kennen. Früher haben alle auf meine Krankheit geschaut, jetzt wollen alle Wolke sehen und sie streicheln, das finde ich toll!“, sagt die junge Frau.


Eine junge Frau mit Perspektiven

Seit einem Jahr hat Anna einen Freund, der zu ihr steht und sie liebt, so wie sie ist. „Eines Tages möchte ich auch Kinder haben“, sagt Anna. Die Chance, dass sie die gleiche Krankheit hätten wie sie selbst, ist gering. Eine Schwangerschaft wäre für sie jedoch nicht leicht, da sie keine Schmerzmittel oder Antibiotika zu sich nehmen könnte. Trotz der Risiken, die eine Schwangerschaft mit sich bringt, bleibt der Traum vom eigenen Kind dennoch bestehen.

Oft wird Anna wegen ihrer Krankheit schief angeschaut oder diskriminiert. „Als ich mit meinem Freund im Urlaub war, wurden wir wegen meiner Krankheit sogar vom Frühstücksbuffet verwiesen“, erzählt sie. Trotz solcher Zwischenfälle ist Anna optimistisch und hat Freude am Leben. Anna ist Teil der Organisation DEBRA in Südtirol, ihre Arbeit dort ist ehrenamtlich, aber sie macht sie gerne. Es ist eine sehr kleine Gruppe, der etwa zwanzig SüdtirolerInnen angehören, nicht nur Betroffene, sondern auch deren Verwandte und Freunde. In dieser Organisation werden vor allem Spenden gesammelt, um die Forschung voranzutreiben.

Durch diese Organisation bekam Anna auch die Möglichkeit, nach England zu reisen. Dort lernte sie ein Model kennen, das Symptome von Epidermolysis Bullosa zeigte. Es handelte sich um eine leichte Form der Krankheit, die medikamentös behandelbar ist. Das Model hatte schwer zu kämpfen mit der Krankheit und sogar versucht, sich das Leben zu nehmen. Vor dieser Begegnung wünschte sich Anna nichts sehnlicher, als einen Tag lang „normal“ zu sein, aber die Geschichte dieses Models hat ihr gezeigt, dass es ihr trotz der Krankheit gut geht. Anna weiß, dass ihre Familie und Freunde sie unterstützen und hinter ihr stehen.

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