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Illustrations by Sarah
Teresa Putzer
Veröffentlicht
am 04.12.2023
LeuteInterview mit Nachwuchsschauspieler Tommy Fischnaller-Wachtler

„Theater schafft soziale Momente!“

Südtiroler Jungschauspieler und Nestroy-Preisträger Tommy Fischnaller-Wachtler über seine Karriere, Theaterphilosophie und Zukunftspläne.
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Effi, ein 17-jähriges Mädchen, das einen Mann heiratet, der doppelt so alt ist wie sie und von der Gesellschaft verstoßen wird: Für diese anspruchsvolle Rolle der Effi Briest aus Theodor Fontanes Roman wird der Brixner Tommy Fischnaller-Wachtler in einer Neuinszenierung in Wien mit dem Nestroy Theaterpreis 2023 in der Kategorie „Bester Nachwuchs – Schauspiel“ ausgezeichnet. BARFUSS hat sich mit dem Jung-Schauspieler getroffen.

BARFUSS: Herzlichen Glückwunsch zum Nestroy Theaterpreis 2023. Du hast den Preis für deine Rolle als Effi Briest erhalten. Kannst du uns mehr darüber erzählen? Welche Aspekte dieser Rolle haben dich gereizt?        
Tommy Fischnaller: Effi Briest ist eine faszinierende Rolle und die gesamte Inszenierung präsentierte sich als moderne Bearbeitung mit queerem Ansatz. Schon in der Vorbereitung ließen wir viel Kreativität in die Komödie einfließen. Was mich an der Rolle besonders gereizt hat, war die Herausforderung der Verkörperung einer Frau, ohne dabei auf weibliche Stereotypen zurückzugreifen.

Schauspieler:innen vergleichen diesen Moment, in dem alles reibungslos funktioniert, gerne mit dem Surfen auf einer Welle. Wenn alles vorbereitet ist, geht es quasi automatisch, und man muss nur noch aufspringen.

Inwiefern?
Der Regisseur Moritz Franz Beichl kam gleich zu Beginn auf mich zu und betonte, dass ich nicht versuchen sollte, „Frau“ zu spielen. Obwohl Effi jung ist, strahlt sie eine unglaubliche Stärke aus, die ich reflektieren sollte. Natürlich trug ich  beispielsweise einen Rock, hohe Schuhe und eine enge Corsage. Die durch solche Kostüme bedingten Bewegungen und Haltungen – die oft als „weiblich“ gelesen werden – passieren dann ganz automatisch und unabhängig vom Geschlecht. Ich habe die Rolle der Effi genossen.

Wie bereitest du dich auf so herausfordernde und ungewöhnliche Rollen vor?
Die Vorbereitung variiert je nach Rolle. Das Einstudieren der Texte ist natürlich immer ein Teil davon. Bei der Vorbereitung auf die Rolle der Effi stand aber vor allem eine intensive Probenzeit im Vordergrund, in der wir kreativ mit der Komödie experimentierten. Die Vorbereitungsphase ist dann abgeschlossen, wenn man merkt, dass alles wie von selbst „flutscht“. Bei dieser Inszenierung von Effi Briest ist mir das zum ersten Mal passiert, als quasi ein Schalter umgelegt wurde. Schauspieler:innen vergleichen diesen Moment, in dem alles reibungslos funktioniert, gerne mit dem Surfen auf einer Welle. Wenn alles vorbereitet ist, geht es quasi automatisch, und man muss nur noch aufspringen.

Wie gehst du mit Nervosität und Lampenfieber vor großen Aufführungen um?
Glücklicherweise habe ich nach der Premiere kaum noch intensives Lampenfieber. Natürlich bin ich nervös, besonders vor größerem Publikum, aber das gehört dazu. Es ist wichtig, die Nervosität in positive Energie umzuwandeln.

Inwiefern hat deine Herkunft deine künstlerische Entwicklung beeinflusst?
Das ist eine spannende Frage. Am Anfang meines Studiums habe ich versucht, meine Herkunft ein wenig abzulegen und mich dem Wiener-Geist anzupassen. Das ist mir auch zum Teil gelungen. Aber es hat mich nachdenklich gemacht, als bei einem Vorsprechen für die Salzburger Festspiele Joachim Gottfried Goller meinte, er sehe nichts mehr von meinem südtirolerischen Hintergrund in mir. Seitdem weiß ich nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Aber was ist schon ein typischer Südtiroler? Mit den typischen Stereotypen der Region identifiziere ich mich nicht. 

Theater schafft einen sozialen Moment und kann, wenn gewollt, einen Raum der Inklusion schaffen. Zumindest sehe ich die Aufgabe des Theaters darin, etwas zu schaffen, das für alle zugänglich ist.

Tommy bei „Was ihr wollt“

Wie siehst du die Rolle des Theaters in der heutigen Gesellschaft?
Theater ist etwas ganz Besonderes, da es verschiedene Genres wie Kinofilm und Konzert miteinander vermischt, jedoch live mit echten Menschen auf der Bühne und im Publikum stattfindet. Es schafft einen sozialen Moment und kann, wenn gewollt, einen Raum der Inklusion schaffen. Zumindest sehe ich die Aufgabe des Theaters darin, etwas zu schaffen, das für alle zugänglich ist. Oft wird Theater als elitär betrachtet und viele Menschen – einschließlich meiner Eltern – gehen nicht so gerne ins Theater, weil viele Inszenierungen zu intellektuell und abstrakt sind. Dadurch fühlen sich Zuschauer:innen oft überfordert. Selbst als Schauspieler und regelmäßiger Theaterbesucher sitze ich manchmal im Theater und verstehe wenig bis gar nichts. In meinen Augen hat das Theater dann seine Aufgabe nicht erfüllt.
Ich finde es großartig – und das hat Moritz mit Effi Briest erreicht –, wenn Theater sowohl unterhaltsam ist und von jedem verstanden werden kann, als auch intertextuelle Verweise oder gesellschaftskritische Botschaften enthält. So kann jede:r ins Theater gehen und das mitnehmen, was er/sie möchte.

Welche Projekte stehen als nächstes für dich an?
Derzeit bin ich Ensemblemitglied am Tiroler Landestheater. Mein nächstes Projekt ist „Freiheit in Krähwinkel”, ein Nestroy-Stück, wieder unter der Regie von Moritz Franz Biechl. Darauf freu ich mich sehr.

Gibt es Rollen oder Genres, die dich besonders interessieren und die du gerne erkunden würdest?
Ja schon. Eine Rolle, die mich unglaublich freuen würde, wäre die der Buhlschaft beim „Jedermann“ auf den Salzburger Festspielen. Es wäre wirklich fantastisch, als Mann diese Rolle spielen zu dürfen. Am liebsten mit einer weiblichen Kollegin in der Rolle des Jedermann.  Ich würde auch gerne mal in eine Musicalfilm mitspielen,  wie „La La Land“ oder „Moulin Rouge“. Allerdings wenn, dann vor der Kamera, weniger auf der Bühne. Die Rolle des Bösewichts reizt mich ebenfalls sehr.

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