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Illustrations by Sarah
Teseo La Marca
Veröffentlicht
am 07.09.2015
LeuteInterview mit Armin Mutschlechner

„Südtirol kann stolz sein!“

Der Künstler und Jugendarbeiter Armin Mutschlechner zeigte Flüchtlingen unsere Berge. Ein Gespräch über gelebte Integration und das Engagement der Freiwilligen.
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Der Jugendarbeiter Armin Mutschlechner engagiert sich seit einiger Zeit auch für jene, die neu in Südtirol ankommen. Dies tut er beispielsweise auf seinem Blog arminpost, wo er regelmäßig zum Thema Flüchtlinge schreibt und hier auch diverse Screenshots fremdenfeindlicher Kommentare veröffentlichte, um auf den in verschiedenen Netzwerken grassierenden Rassismus aufmerksam zu machen.

Armin blieb aber nicht dabei, seinen Einsatz auf das Internet zu beschränken, denn er wollte konkret helfen. Bekannt und nicht wenig umstritten ist etwa seine jüngste Aktion, mit Flüchtlingen Ausflüge in die Berge zu organisieren – gelebte Integration in Südtirol. Die lokalen Zeitungen berichteten und die Reaktionen blieben nicht aus: Zwischen Zuspruch und neuen Hasstiraden ist deren Bandbreite groß.

Armin, wann hat dein Engagement für Flüchtlinge eigentlich begonnen?
Ist gar nicht lange her. Im Grunde geht der rege Verkehr der Flüchtlinge über den Brenner schon seit Herbst des letzten Jahres, aber so wirklich aufgefallen ist es mir im heurigen Frühjahr. Wenn man mit dem Zug unterwegs war, war es unmöglich, das Phänomen noch zu übersehen. Da war irgendwann der Moment da, wo ich dachte: Auch ich muss meinen Beitrag leisten.

In letzter Zeit organisierst und unternimmst du Ausflüge mit Flüchtlingen, die in Wiesen im Haus Lea (früher die Mensa der Gnutti-Kaserne), untergebracht sind. Wie kam es zur Idee?
Zunächst waren es eher logistische Überlegungen: Am Bahnhof in Bozen zu helfen, hätte für mich zwei Stunden Zugfahren bedeutet. Wiesen ist hingegen sehr nahe an meinem Arbeitsort.

Die Idee an sich, abgesehen von der geographischen Lage, ist aber doch sehr innovativ, zumindest bei uns.
Für mich war das eher eine logische Konsequenz. Wenn Leute hier sesshaft werden wollen, dann müssen sie unseren Kulturraum, die Leute und die Landschaft auch wirklich kennenlernen. Manche werden wieder in ihre Heimatländer zurückgehen müssen, aber selbst wenn ihr Aufenthalt hier nur vorübergehend ist, ist es für sie eine ganz andere Erfahrung, wenn sie das Land kennen, in dem sie gerade sind. Eine andere Überlegung war, diese Menschen, die teilweise traumatisierende Erinnerungen mit sich herumschleppen, für einige Stunden etwas abzulenken, sie ihre Zukunftssorgen vergessen zu lassen. Das machen wir ja auch, durch Freizeitaktivität, allerdings ist das schwierig, wenn man nur acht Euro pro Tag zur Verfügung hat und sich hier noch nicht auskennt.

Im Bild einige Reaktionen auf Armins Projekt, als die Tageszeitung „Alto Adige” davon berichtete. Die meisten echauffieren sich darüber, dass die Ausflüge mit Steuergeldern finanziert werden. Dabei läuft das Ganze privat und über Spenden. Lediglich die Benzinspesen werden von der Caritas getragen.

Wie hast du die Reaktionen auf dein Projekt wahrgenommen? Überwog das Negative oder das Positive?
Ich merke eigentlich immer mehr, dass im Grunde das Positive bei der Bevölkerung überwiegt. Viele bringen sich ein und sind hilfsbereit. Klar, die vielen Hasspostings in den sozialen Medien sind auch nicht zu übersehen. Aber wenn man genauer hinsieht, sind es immer dieselben, die denselben Scheiß schreiben. Rechte Parteien mit eingeschlossen. Die breite Masse ist es sicherlich nicht, Fremdenfeindlichkeit ist das Phänomen einer Minderheit. Von rechten Parteien kommt das Kraftfutter, die Hasspostings nähren. Eher sollte man von Ängsten sprechen, die es zu thematisieren gilt. Aber auch schlagzeilengeile Medien sind zu hinterfragen.

Dennoch gibt es Rassismus. Als profunder Kenner des Themas bist du auch an Schulen und sprichst mit Jugendlichen. Wo, glaubst du, hat Rassismus seinen Ursprung?
Zum einen wurde die Zeit des Nationalsozialismus in Südtirol nie wirklich verarbeitet. Der Südtiroler hat sich hier immer nur als Opfer gesehen. Nie als Täter. Durch den Autonomiediskurs, die Notwendigkeit, gegen Italien zusammenzuhalten, wurde jegliche innere Kritik verhindert. Feindbilder sind bei uns generell sehr beliebt: Jahrzehntelang bediente man sich hierfür des „Walschen“, aber das beginnt schon in den Rivalitäten zwischen einzelnen Dörfern bei Kirchtagen. Jetzt bietet sich als Feindbild der Einwanderer an. Zum anderen ist es aber abgesehen von lokalen Gründen ein Mangel an Kontakt mit anderen Kulturen und ganz schlicht der Neid-Komplex, die diffuse Vorstellung, dass der andere einem etwas wegnimmt.

Auffällig ist dabei, dass der Neid sich immer gegen die Schwächeren richtet, die jetzt auch endlich etwas kriegen sollen, anstatt gegen die, die seit Jahrzehnten schon viel haben – gegen raffgierige Politiker oder Superreiche zum Beispiel.
Natürlich. Denn reich zu sein, das ist etwas Angesehenes – das ist cool, das wird es respektiert. Es geht um Statussymbole. Diese werden vielfach auf Pump gekauft. Das betrifft Einheimische wie Migranten. Gleichzeitig hat man aber Schwierigkeiten, die normalen Alltagsausgaben zu stemmen. Aber man will dazu gehören. Als Einheimischer und noch mehr als Einwanderer. Andererseits ist es auch wahr, dass viele Migranten sich schwer tun, eine Arbeit zu finden, und deshalb auf Sozialhilfen angewiesen sind. Allerdings gibt es auch klar definierte Spielregeln, die die Verteilung der Sozialleistungen regeln.

„Mir ist egal, woher ein Mensch kommt, ob er Afrikaner, Asiate oder Südtiroler ist: Integration und kultureller Austausch erfordert von beiden Seiten ein Entgegengehen.”

Woran liegt das, dass viele Migranten nicht unabhängig vom Sozialhilfesystem leben können?
In den wenigsten Fällen handelt es sich um bewusstes Schmarotzen – was sicher auch Einheimische tun –, dennoch sind oft die Einwanderer selbst dran schuld. Sie können zwar unsere Sprache, aber leben sonst die Ursprungskulturen aus ihren Heimatländern. Bei den ausgewanderten Tirolern in Südamerika ist das auch so. Es ist klar, dass der kulturelle Unterschied das Finden eines Arbeitsplatzes erschwert. Als solche Leute zu mir kamen, habe ich provokativ gefragt: Rechtfertigt das hundertprozentige Ausleben deiner Kultur die Tatsache, dass deine Kinder als Sozialhilfeempfänger aufwachsen müssen? – Auch die Politik sollte von Einwanderern mehr fordern. Aber auch von Einheimischen, denn es wird auf einem hohen Niveau lamentiert. Das klingt erstmals sehr blau oder rechts, was ich sage, aber mir ist egal, woher ein Mensch kommt, ob er Afrikaner, Asiate oder Südtiroler ist: Integration und kultureller Austausch erfordert von beiden Seiten ein Entgegengehen. Sowohl vom Einwanderer, als natürlich auch vom Südtiroler. Denn wenn der Fremde ein Tourist ist, der Geld bringt, dann sind wir plötzlich bereit, die Hosen auch sehr weit herunter zu lassen.

Du durftest auch schon einmal bei Soziallandesrätin Stocker in der Angelegenheit Flüchtlinge vorsprechen. Was kam dabei raus?
Dazu möchte ich mich nicht äußern. Dieses Erlebnis spare ich mir als Anekdote für die alten Tage auf.

Du scheinst mit der bisherigen Arbeit der Landesregierung in der Flüchtlingsfrage nicht sehr zufrieden zu sein.
Jein. Man hat versucht, das Problem so lange als möglich hinauszuschieben. Den Ball flach zu halten auf den Bahnhöfen. Südtirol kann hingegen stolz auf das Engagement der Zivilgesellschaft sein. Diese hat sehr viel bewegt und die Politik musste nachziehen. Wann ist es in der Südtiroler Geschichte schon vorgekommen, dass die Zivilgesellschaft den Politik- und Amtsplayern den Takt vorgab? Hier war ich ein sehr kleines Rädchen einer Solidaritätsmaschine, die Zeitgeschichte geschrieben hat. Ich bin sehr dankbar, mit Gleichgesinnten dies durchlebt zu haben. Danke euch allen draußen im Land für das Engagement. Ihr seid klasse! Bitte macht weiter, auch, was die Hilfe der Menschen in den Asylheimen betrifft.

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